Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.II. Haussuchung. F. Freiligrath. In der Residenz, in der Stube Amaliens, der Gattin Gustav Thalheims, stand ein kleiner schwarzer Sarg. Eine schöne blasse Kinderleiche lag darin im weißen Sterbekleidchen, einen Rosenkranz in den blonden Locken -- die ganze kleine Gestalt zur Hälfte mit Blumen überdeckt. Die kleine Anna war gestorben. Amalie kniete an dem Sarge ihres einzigen Kindes. Der Schmerz einer Mutter ist riesengroß und meerestief, wie kaum ein zweiter in der Welt. Fast jede Mutter, die ein todtes Kind beweint, wird zu einer heiligen mater dolorosa, vor welcher selbst jeder Fremde in ehrfurchtsvoller Ferne stehen bleibt. Eine heilige Würde ist in dem Schmerz einer Mutter, welche an das Wehe denkt, unter II. Haussuchung. F. Freiligrath. In der Residenz, in der Stube Amaliens, der Gattin Gustav Thalheims, stand ein kleiner schwarzer Sarg. Eine schöne blasse Kinderleiche lag darin im weißen Sterbekleidchen, einen Rosenkranz in den blonden Locken — die ganze kleine Gestalt zur Hälfte mit Blumen überdeckt. Die kleine Anna war gestorben. Amalie kniete an dem Sarge ihres einzigen Kindes. Der Schmerz einer Mutter ist riesengroß und meerestief, wie kaum ein zweiter in der Welt. Fast jede Mutter, die ein todtes Kind beweint, wird zu einer heiligen mater dolorosa, vor welcher selbst jeder Fremde in ehrfurchtsvoller Ferne stehen bleibt. Eine heilige Würde ist in dem Schmerz einer Mutter, welche an das Wehe denkt, unter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0029" n="23"/> <head> <hi rendition="#g #b">II.<lb/> Haussuchung.</hi> </head><lb/> <cit rendition="#right"> <quote> <lg> <l>„Auf des Lagers Kissen schlummert</l><lb/> <l>Kalt die lieblichste der Leichen.“</l> </lg> </quote> <bibl> <hi rendition="#g #right">F. Freiligrath.</hi> </bibl> </cit> <p><hi rendition="#in">I</hi>n der Residenz, in der Stube Amaliens, der Gattin Gustav Thalheims, stand ein kleiner schwarzer Sarg.</p> <p>Eine schöne blasse Kinderleiche lag darin im weißen Sterbekleidchen, einen Rosenkranz in den blonden Locken — die ganze kleine Gestalt zur Hälfte mit Blumen überdeckt.</p> <p>Die kleine Anna war gestorben. Amalie kniete an dem Sarge ihres einzigen Kindes.</p> <p>Der Schmerz einer Mutter ist riesengroß und meerestief, wie kaum ein zweiter in der Welt. Fast jede Mutter, die ein todtes Kind beweint, wird zu einer heiligen <hi rendition="#i">mater dolorosa</hi>, vor welcher selbst jeder Fremde in ehrfurchtsvoller Ferne stehen bleibt. Eine heilige Würde ist in dem Schmerz einer Mutter, welche an das Wehe denkt, unter </p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0029]
II.
Haussuchung.
„Auf des Lagers Kissen schlummert
Kalt die lieblichste der Leichen.“
F. Freiligrath. In der Residenz, in der Stube Amaliens, der Gattin Gustav Thalheims, stand ein kleiner schwarzer Sarg.
Eine schöne blasse Kinderleiche lag darin im weißen Sterbekleidchen, einen Rosenkranz in den blonden Locken — die ganze kleine Gestalt zur Hälfte mit Blumen überdeckt.
Die kleine Anna war gestorben. Amalie kniete an dem Sarge ihres einzigen Kindes.
Der Schmerz einer Mutter ist riesengroß und meerestief, wie kaum ein zweiter in der Welt. Fast jede Mutter, die ein todtes Kind beweint, wird zu einer heiligen mater dolorosa, vor welcher selbst jeder Fremde in ehrfurchtsvoller Ferne stehen bleibt. Eine heilige Würde ist in dem Schmerz einer Mutter, welche an das Wehe denkt, unter
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