Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.gewollt, oft unsere letzten Groschen hingegeben. Für einander haben wir noch manches Härtere ertragen, aber mehr noch, als daß wir selbst Eines für das Andere zu Aufopferungen fähig waren, freute und stärkte es uns, daß wir in Allem gleich dachten, daß wir miteinander all' diese Tausend Dinge besprechen konnten, welche für unsere Kameraden ein fremdes Gebiet sind -- und daß dann Keiner von uns einen Gedanken oder ein Gefühl aussprechen, das nicht der Andere schon gehabt hatte, oder dann wenigstens sogleich erfassen und theilen konnte -- und wie anders ist das jetzt geworden! Es ist, als ob wir einander gar nicht mehr verständen -- und obwohl wir noch allabendlich uns zusammenfinden, mit einander plaudern, so will's niemals mehr werden wie sonst -- und obwohl Du mich gerade immer aufsuchst, begegnet mir doch Keiner der Kameraden so hart wie Du." "Weil eben Keiner wie ich so auf Dich gebaut und vertraut hat -- und sich nun so von Dir hintergangen sieht!" "Hintergangen? Doch ich begreife, wie Du das meinst -- weil ich nicht Deinem unsinnigen Verlangen nachgegeben habe und unsere Genossen aufgehetzt, wie es einzelne Ausländer unter den Eisenbahnarbeitern gemacht haben." "Nicht allein deshalb habe ich mich in Dir getäuscht, gewollt, oft unsere letzten Groschen hingegeben. Für einander haben wir noch manches Härtere ertragen, aber mehr noch, als daß wir selbst Eines für das Andere zu Aufopferungen fähig waren, freute und stärkte es uns, daß wir in Allem gleich dachten, daß wir miteinander all’ diese Tausend Dinge besprechen konnten, welche für unsere Kameraden ein fremdes Gebiet sind — und daß dann Keiner von uns einen Gedanken oder ein Gefühl aussprechen, das nicht der Andere schon gehabt hatte, oder dann wenigstens sogleich erfassen und theilen konnte — und wie anders ist das jetzt geworden! Es ist, als ob wir einander gar nicht mehr verständen — und obwohl wir noch allabendlich uns zusammenfinden, mit einander plaudern, so will’s niemals mehr werden wie sonst — und obwohl Du mich gerade immer aufsuchst, begegnet mir doch Keiner der Kameraden so hart wie Du.“ „Weil eben Keiner wie ich so auf Dich gebaut und vertraut hat — und sich nun so von Dir hintergangen sieht!“ „Hintergangen? Doch ich begreife, wie Du das meinst — weil ich nicht Deinem unsinnigen Verlangen nachgegeben habe und unsere Genossen aufgehetzt, wie es einzelne Ausländer unter den Eisenbahnarbeitern gemacht haben.“ „Nicht allein deshalb habe ich mich in Dir getäuscht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0190" n="184"/> gewollt, oft unsere letzten Groschen hingegeben. Für einander haben wir noch manches Härtere ertragen, aber mehr noch, als daß wir selbst Eines für das Andere zu Aufopferungen fähig waren, freute und stärkte es uns, daß wir in Allem gleich dachten, daß wir miteinander all’ diese Tausend Dinge besprechen konnten, welche für unsere Kameraden ein fremdes Gebiet sind — und daß dann Keiner von uns einen Gedanken oder ein Gefühl aussprechen, das nicht der Andere schon gehabt hatte, oder dann wenigstens sogleich erfassen und theilen konnte — und wie anders ist das jetzt geworden! Es ist, als ob wir einander gar nicht mehr verständen — und obwohl wir noch allabendlich uns zusammenfinden, mit einander plaudern, so will’s niemals mehr werden wie sonst — und obwohl Du mich gerade immer aufsuchst, begegnet mir doch Keiner der Kameraden so hart wie Du.“</p> <p>„Weil eben Keiner wie ich so auf Dich gebaut und vertraut hat — und sich nun so von Dir hintergangen sieht!“</p> <p>„Hintergangen? Doch ich begreife, wie Du das meinst — weil ich nicht Deinem unsinnigen Verlangen nachgegeben habe und unsere Genossen aufgehetzt, wie es einzelne Ausländer unter den Eisenbahnarbeitern gemacht haben.“</p> <p>„Nicht allein deshalb habe ich mich in Dir getäuscht, </p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0190]
gewollt, oft unsere letzten Groschen hingegeben. Für einander haben wir noch manches Härtere ertragen, aber mehr noch, als daß wir selbst Eines für das Andere zu Aufopferungen fähig waren, freute und stärkte es uns, daß wir in Allem gleich dachten, daß wir miteinander all’ diese Tausend Dinge besprechen konnten, welche für unsere Kameraden ein fremdes Gebiet sind — und daß dann Keiner von uns einen Gedanken oder ein Gefühl aussprechen, das nicht der Andere schon gehabt hatte, oder dann wenigstens sogleich erfassen und theilen konnte — und wie anders ist das jetzt geworden! Es ist, als ob wir einander gar nicht mehr verständen — und obwohl wir noch allabendlich uns zusammenfinden, mit einander plaudern, so will’s niemals mehr werden wie sonst — und obwohl Du mich gerade immer aufsuchst, begegnet mir doch Keiner der Kameraden so hart wie Du.“
„Weil eben Keiner wie ich so auf Dich gebaut und vertraut hat — und sich nun so von Dir hintergangen sieht!“
„Hintergangen? Doch ich begreife, wie Du das meinst — weil ich nicht Deinem unsinnigen Verlangen nachgegeben habe und unsere Genossen aufgehetzt, wie es einzelne Ausländer unter den Eisenbahnarbeitern gemacht haben.“
„Nicht allein deshalb habe ich mich in Dir getäuscht,
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/190>, abgerufen am 22.07.2024. |