Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Die Gräfin ward todtenblaß und sagte: "Mein Gott, was wollen denn diese Menschen? Ach, es ist eine entsetzliche Zeit, in welcher wir leben müssen!" "Gewiß," fügte Aarens bei, "eine widerwärtige Zeit, wo nicht einmal mehr der gemeinste Pöbel in seinen Schranken bleiben will. -- Doch wozu hat man Soldaten? Es ist Frieden, und da einmal das Militair da keine Beschäftigung hat, so benutze man es hier und mache es zu seiner Hauptaufgabe, diese Volkshefe, wenn es nicht anders möglich, durch die Gewalt der Waffen im Zaum zu halten." "Das wäre ja fürchterlich -- Brüder gegen Brüder -- das könnte doch kaum der äußerste Punkt der Nothwehr entschuldigen. -- Sie denken wie ich, Graf Szariny?" fragte Elisabeth. "Ich denke wie Sie, aber ich weiß, daß Ansichten, wie die des Herrn von Aarens, in den höchsten Kreisen sehr viel Vertreter finden -- ich befürchte Schlimmes --" sagte der Gefragte. Elisabeth fühlte sich plötzlich von einer schrecklichen Angst erfaßt. "Das sind Dinge, von denen ich früher keinen Begriff hatte. Ich sah die untern Classen immer nur von fern, wie sie friedlich ihre Arbeit verrichteten, vom Morgen bis zum Abend, und dabei zufrieden aussahen. Diese Leute, sagte ich mir, wissen es nicht anders, ihr Die Gräfin ward todtenblaß und sagte: „Mein Gott, was wollen denn diese Menschen? Ach, es ist eine entsetzliche Zeit, in welcher wir leben müssen!“ „Gewiß,“ fügte Aarens bei, „eine widerwärtige Zeit, wo nicht einmal mehr der gemeinste Pöbel in seinen Schranken bleiben will. — Doch wozu hat man Soldaten? Es ist Frieden, und da einmal das Militair da keine Beschäftigung hat, so benutze man es hier und mache es zu seiner Hauptaufgabe, diese Volkshefe, wenn es nicht anders möglich, durch die Gewalt der Waffen im Zaum zu halten.“ „Das wäre ja fürchterlich — Brüder gegen Brüder — das könnte doch kaum der äußerste Punkt der Nothwehr entschuldigen. — Sie denken wie ich, Graf Szariny?“ fragte Elisabeth. „Ich denke wie Sie, aber ich weiß, daß Ansichten, wie die des Herrn von Aarens, in den höchsten Kreisen sehr viel Vertreter finden — ich befürchte Schlimmes —“ sagte der Gefragte. Elisabeth fühlte sich plötzlich von einer schrecklichen Angst erfaßt. „Das sind Dinge, von denen ich früher keinen Begriff hatte. Ich sah die untern Classen immer nur von fern, wie sie friedlich ihre Arbeit verrichteten, vom Morgen bis zum Abend, und dabei zufrieden aussahen. Diese Leute, sagte ich mir, wissen es nicht anders, ihr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0172" n="166"/> <p> Die Gräfin ward todtenblaß und sagte: „Mein Gott, was wollen denn diese Menschen? Ach, es ist eine entsetzliche Zeit, in welcher wir leben müssen!“</p> <p>„Gewiß,“ fügte Aarens bei, „eine widerwärtige Zeit, wo nicht einmal mehr der gemeinste Pöbel in seinen Schranken bleiben will. — Doch wozu hat man Soldaten? Es ist Frieden, und da einmal das Militair da keine Beschäftigung hat, so benutze man es hier und mache es zu seiner Hauptaufgabe, diese Volkshefe, wenn es nicht anders möglich, durch die Gewalt der Waffen im Zaum zu halten.“</p> <p>„Das wäre ja fürchterlich — Brüder gegen Brüder — das könnte doch kaum der äußerste Punkt der Nothwehr entschuldigen. — Sie denken wie ich, Graf Szariny?“ fragte Elisabeth.</p> <p>„Ich denke wie Sie, aber ich weiß, daß Ansichten, wie die des Herrn von Aarens, in den höchsten Kreisen sehr viel Vertreter finden — ich befürchte Schlimmes —“ sagte der Gefragte.</p> <p>Elisabeth fühlte sich plötzlich von einer schrecklichen Angst erfaßt. „Das sind Dinge, von denen ich früher keinen Begriff hatte. Ich sah die untern Classen immer nur von fern, wie sie friedlich ihre Arbeit verrichteten, vom Morgen bis zum Abend, und dabei zufrieden aussahen. Diese Leute, sagte ich mir, wissen es nicht anders, ihr </p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0172]
Die Gräfin ward todtenblaß und sagte: „Mein Gott, was wollen denn diese Menschen? Ach, es ist eine entsetzliche Zeit, in welcher wir leben müssen!“
„Gewiß,“ fügte Aarens bei, „eine widerwärtige Zeit, wo nicht einmal mehr der gemeinste Pöbel in seinen Schranken bleiben will. — Doch wozu hat man Soldaten? Es ist Frieden, und da einmal das Militair da keine Beschäftigung hat, so benutze man es hier und mache es zu seiner Hauptaufgabe, diese Volkshefe, wenn es nicht anders möglich, durch die Gewalt der Waffen im Zaum zu halten.“
„Das wäre ja fürchterlich — Brüder gegen Brüder — das könnte doch kaum der äußerste Punkt der Nothwehr entschuldigen. — Sie denken wie ich, Graf Szariny?“ fragte Elisabeth.
„Ich denke wie Sie, aber ich weiß, daß Ansichten, wie die des Herrn von Aarens, in den höchsten Kreisen sehr viel Vertreter finden — ich befürchte Schlimmes —“ sagte der Gefragte.
Elisabeth fühlte sich plötzlich von einer schrecklichen Angst erfaßt. „Das sind Dinge, von denen ich früher keinen Begriff hatte. Ich sah die untern Classen immer nur von fern, wie sie friedlich ihre Arbeit verrichteten, vom Morgen bis zum Abend, und dabei zufrieden aussahen. Diese Leute, sagte ich mir, wissen es nicht anders, ihr
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