Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.muß ich hier in den Schweizer Bergen sein Bild finden. Sollte er gar selbst hier sein? Aber nein! Das eigne Bild führt man ja nicht mit sich!" In diesem Augenblick trat die Dame, die bisher im Hintergrund gesessen, schnell vor auf Eduin zu und sagte: "Nun ich hier so unerwartet diese begeisterte Lobrede auf meinen Freund gehört, darf ich mich wohl als Eigenthümerin dieses Bildes bekennen und dem glücklichen Zufall danken, der mir zu der Wiedererlangung des verlornen Kleinodes verhilft und noch dazu durch einen Verwandten des Grafen -- wenn ich recht gehört?" Thalheim erkannte die Dame und zog sich von ihr zurück, indem er unwillkürlich leise für sich sagte: "Bella!" Eduin aber stand wie bezaubert vor dem schönen Weibe, glühende Röthe schoß auf seine Stirn, er zitterte unwillkürlich und hielt, keines Wortes mächtig, das Bild hin. Die Schauspielerin Bella reiste von Paris durch die Schweiz zurück nach Deutschland. Jaromir's Bild begleitete sie immer, sie trug es meist an ihrem Halse, denn wie leichtsinnig sie auch zärtliche Verhältnisse knüpfen und lösen mogte -- ihn zählte sie nicht mit in die Categorie ihrer gewöhnlichen Liebhaber, für ihn bewahrte sie in ihrem Herzen einen besondern Platz. Sie betrachtete ihn mit andern Augen, als die Männer, welche sie so lange zu ihren Sklaven machte, bis sie ihrer überdrüssig war; muß ich hier in den Schweizer Bergen sein Bild finden. Sollte er gar selbst hier sein? Aber nein! Das eigne Bild führt man ja nicht mit sich!“ In diesem Augenblick trat die Dame, die bisher im Hintergrund gesessen, schnell vor auf Eduin zu und sagte: „Nun ich hier so unerwartet diese begeisterte Lobrede auf meinen Freund gehört, darf ich mich wohl als Eigenthümerin dieses Bildes bekennen und dem glücklichen Zufall danken, der mir zu der Wiedererlangung des verlornen Kleinodes verhilft und noch dazu durch einen Verwandten des Grafen — wenn ich recht gehört?“ Thalheim erkannte die Dame und zog sich von ihr zurück, indem er unwillkürlich leise für sich sagte: „Bella!“ Eduin aber stand wie bezaubert vor dem schönen Weibe, glühende Röthe schoß auf seine Stirn, er zitterte unwillkürlich und hielt, keines Wortes mächtig, das Bild hin. Die Schauspielerin Bella reiste von Paris durch die Schweiz zurück nach Deutschland. Jaromir’s Bild begleitete sie immer, sie trug es meist an ihrem Halse, denn wie leichtsinnig sie auch zärtliche Verhältnisse knüpfen und lösen mogte — ihn zählte sie nicht mit in die Categorie ihrer gewöhnlichen Liebhaber, für ihn bewahrte sie in ihrem Herzen einen besondern Platz. Sie betrachtete ihn mit andern Augen, als die Männer, welche sie so lange zu ihren Sklaven machte, bis sie ihrer überdrüssig war; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="156"/> muß ich hier in den Schweizer Bergen sein Bild finden. Sollte er gar selbst hier sein? Aber nein! Das eigne Bild führt man ja nicht mit sich!“</p> <p>In diesem Augenblick trat die Dame, die bisher im Hintergrund gesessen, schnell vor auf Eduin zu und sagte: „Nun ich hier so unerwartet diese begeisterte Lobrede auf meinen Freund gehört, darf ich mich wohl als Eigenthümerin dieses Bildes bekennen und dem glücklichen Zufall danken, der mir zu der Wiedererlangung des verlornen Kleinodes verhilft und noch dazu durch einen Verwandten des Grafen — wenn ich recht gehört?“</p> <p>Thalheim erkannte die Dame und zog sich von ihr zurück, indem er unwillkürlich leise für sich sagte: „Bella!“</p> <p>Eduin aber stand wie bezaubert vor dem schönen Weibe, glühende Röthe schoß auf seine Stirn, er zitterte unwillkürlich und hielt, keines Wortes mächtig, das Bild hin. Die Schauspielerin Bella reiste von Paris durch die Schweiz zurück nach Deutschland. Jaromir’s Bild begleitete sie immer, sie trug es meist an ihrem Halse, denn wie leichtsinnig sie auch zärtliche Verhältnisse knüpfen und lösen mogte — ihn zählte sie nicht mit in die Categorie ihrer gewöhnlichen Liebhaber, für ihn bewahrte sie in ihrem Herzen einen besondern Platz. Sie betrachtete ihn mit andern Augen, als die Männer, welche sie so lange zu ihren Sklaven machte, bis sie ihrer überdrüssig war; </p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0162]
muß ich hier in den Schweizer Bergen sein Bild finden. Sollte er gar selbst hier sein? Aber nein! Das eigne Bild führt man ja nicht mit sich!“
In diesem Augenblick trat die Dame, die bisher im Hintergrund gesessen, schnell vor auf Eduin zu und sagte: „Nun ich hier so unerwartet diese begeisterte Lobrede auf meinen Freund gehört, darf ich mich wohl als Eigenthümerin dieses Bildes bekennen und dem glücklichen Zufall danken, der mir zu der Wiedererlangung des verlornen Kleinodes verhilft und noch dazu durch einen Verwandten des Grafen — wenn ich recht gehört?“
Thalheim erkannte die Dame und zog sich von ihr zurück, indem er unwillkürlich leise für sich sagte: „Bella!“
Eduin aber stand wie bezaubert vor dem schönen Weibe, glühende Röthe schoß auf seine Stirn, er zitterte unwillkürlich und hielt, keines Wortes mächtig, das Bild hin. Die Schauspielerin Bella reiste von Paris durch die Schweiz zurück nach Deutschland. Jaromir’s Bild begleitete sie immer, sie trug es meist an ihrem Halse, denn wie leichtsinnig sie auch zärtliche Verhältnisse knüpfen und lösen mogte — ihn zählte sie nicht mit in die Categorie ihrer gewöhnlichen Liebhaber, für ihn bewahrte sie in ihrem Herzen einen besondern Platz. Sie betrachtete ihn mit andern Augen, als die Männer, welche sie so lange zu ihren Sklaven machte, bis sie ihrer überdrüssig war;
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