Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Der Geheimrath biß sich in die Lippen -- Schuhmacher stellte sich, als ob er das nicht bemerke und fuhr fort: "Ich bin von Amtswegen hier, und Nichts konnte mir bei der wichtigen Angelegenheit, welcher ich mich schon seit längerer Zeit unterzogen habe, mehr zu Statten kommen, als daß in dieser Gegend, welche der geheime Schauplatz staatsgefährlicher Bewegungen ist." Der Geheimrath schrak auf: -- "Staatsgefährliche Bewegungen! Hier! In der That, ich erstaune! Wie sollte hier der Sitz einer staatsgefährlichen Bewegung sein, wo es weder eine Universität, Akademie, noch irgend ein Institut giebt, in dessen Schoose sie keimen oder sich verkriechen könnte? Staatsgefährliche Bewegung hier, wo es keine gefährlichen Menschen giebt -- weder Advocaten, noch Künstler, Literaten und andere unnütze Subjekte, aus deren rebellischen Köpfen demagogische Pläne kommen könnten -- hier!" "O, mein theurer Freund, Sie mißkennen die Zeit, Sie stellen sich auf den Standpunkt, welchen wir vor dreißig oder auch vor zehn Jahren einnahmen. Jetzt gilt es ja gar nicht mehr, vor den Burschenschäftlern mit ihren schwarz-roth-goldnen Tiraden auf der Hut zu sein, auch haben wir nicht den schäumenden Julirausch zu fürchten, welcher achtzehnhundertunddreißig auf ein Mal aus den Der Geheimrath biß sich in die Lippen — Schuhmacher stellte sich, als ob er das nicht bemerke und fuhr fort: „Ich bin von Amtswegen hier, und Nichts konnte mir bei der wichtigen Angelegenheit, welcher ich mich schon seit längerer Zeit unterzogen habe, mehr zu Statten kommen, als daß in dieser Gegend, welche der geheime Schauplatz staatsgefährlicher Bewegungen ist.“ Der Geheimrath schrak auf: — „Staatsgefährliche Bewegungen! Hier! In der That, ich erstaune! Wie sollte hier der Sitz einer staatsgefährlichen Bewegung sein, wo es weder eine Universität, Akademie, noch irgend ein Institut giebt, in dessen Schoose sie keimen oder sich verkriechen könnte? Staatsgefährliche Bewegung hier, wo es keine gefährlichen Menschen giebt — weder Advocaten, noch Künstler, Literaten und andere unnütze Subjekte, aus deren rebellischen Köpfen demagogische Pläne kommen könnten — hier!“ „O, mein theurer Freund, Sie mißkennen die Zeit, Sie stellen sich auf den Standpunkt, welchen wir vor dreißig oder auch vor zehn Jahren einnahmen. Jetzt gilt es ja gar nicht mehr, vor den Burschenschäftlern mit ihren schwarz-roth-goldnen Tiraden auf der Hut zu sein, auch haben wir nicht den schäumenden Julirausch zu fürchten, welcher achtzehnhundertunddreißig auf ein Mal aus den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0128" n="122"/> <p> Der Geheimrath biß sich in die Lippen — Schuhmacher stellte sich, als ob er das nicht bemerke und fuhr fort:</p> <p>„Ich bin von Amtswegen hier, und Nichts konnte mir bei der wichtigen Angelegenheit, welcher ich mich schon seit längerer Zeit unterzogen habe, mehr zu Statten kommen, als daß in dieser Gegend, welche der geheime Schauplatz staatsgefährlicher Bewegungen ist.“</p> <p>Der Geheimrath schrak auf: — „Staatsgefährliche Bewegungen! Hier! In der That, ich erstaune! Wie sollte hier der Sitz einer staatsgefährlichen Bewegung sein, wo es weder eine Universität, Akademie, noch irgend ein Institut giebt, in dessen Schoose sie keimen oder sich verkriechen könnte? Staatsgefährliche Bewegung hier, wo es keine gefährlichen Menschen giebt — weder Advocaten, noch Künstler, Literaten und andere unnütze Subjekte, aus deren rebellischen Köpfen demagogische Pläne kommen könnten — hier!“</p> <p>„O, mein theurer Freund, Sie mißkennen die Zeit, Sie stellen sich auf den Standpunkt, welchen wir vor dreißig oder auch vor zehn Jahren einnahmen. Jetzt gilt es ja gar nicht mehr, vor den Burschenschäftlern mit ihren schwarz-roth-goldnen Tiraden auf der Hut zu sein, auch haben wir nicht den schäumenden Julirausch zu fürchten, welcher achtzehnhundertunddreißig auf ein Mal aus den </p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0128]
Der Geheimrath biß sich in die Lippen — Schuhmacher stellte sich, als ob er das nicht bemerke und fuhr fort:
„Ich bin von Amtswegen hier, und Nichts konnte mir bei der wichtigen Angelegenheit, welcher ich mich schon seit längerer Zeit unterzogen habe, mehr zu Statten kommen, als daß in dieser Gegend, welche der geheime Schauplatz staatsgefährlicher Bewegungen ist.“
Der Geheimrath schrak auf: — „Staatsgefährliche Bewegungen! Hier! In der That, ich erstaune! Wie sollte hier der Sitz einer staatsgefährlichen Bewegung sein, wo es weder eine Universität, Akademie, noch irgend ein Institut giebt, in dessen Schoose sie keimen oder sich verkriechen könnte? Staatsgefährliche Bewegung hier, wo es keine gefährlichen Menschen giebt — weder Advocaten, noch Künstler, Literaten und andere unnütze Subjekte, aus deren rebellischen Köpfen demagogische Pläne kommen könnten — hier!“
„O, mein theurer Freund, Sie mißkennen die Zeit, Sie stellen sich auf den Standpunkt, welchen wir vor dreißig oder auch vor zehn Jahren einnahmen. Jetzt gilt es ja gar nicht mehr, vor den Burschenschäftlern mit ihren schwarz-roth-goldnen Tiraden auf der Hut zu sein, auch haben wir nicht den schäumenden Julirausch zu fürchten, welcher achtzehnhundertunddreißig auf ein Mal aus den
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/128>, abgerufen am 22.07.2024. |