Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.die Hand. Sein Bewohner war Graf Jaromir von Szariny. -- Die Thüre ward geöffnet, und ein junger Mann trat herein. Er war ziemlich lang und blond, hatte sehr lichte Augen, und sah überhaupt sehr farblos und sehr langweilig aus. Es war Baron von Füßli. Die Herren begrüßten einander heiter und freundschaftlich, und Szariny entschuldigte sich leichthin, daß er noch nicht zum Ausgehen fertig sei, indem er die Zeit unbeachtet habe verstreichen lassen. Er schritt darauf zur Vollendung seiner Toilette, während sich Füßli in den Lehnsessel am Fenster warf und gähnend sagte: "Aber, mein Bester, wissen denn auch Sie gar nichts Neues?" "O, ich sage Ihnen, diese Residenz ist eines der langweiligsten Nester, die ich kenne, selbst auf dem Gute meines Oheims war es nicht langweiliger, und Berlin würde ich im Leben nicht verlassen haben, wenn nicht Bella auf den wahnsinnigen Einfall gekommen wäre, sich hier engagiren zu lassen -- und ganz aufrichtig gestanden, auch sie fängt jetzt an mich zu langweilen. -- Wäre sie nur noch einige Monate in Berlin geblieben, so war meine Leidenschaft ruhig abgekühlt, und ich hätte sie ruhig reisen lassen, statt daß ich den dummen Streich machte, ihr zu folgen. Sechs Wochen bin ich nun schon hier! Und warum? Um mich so die Hand. Sein Bewohner war Graf Jaromir von Szariny. — Die Thüre ward geöffnet, und ein junger Mann trat herein. Er war ziemlich lang und blond, hatte sehr lichte Augen, und sah überhaupt sehr farblos und sehr langweilig aus. Es war Baron von Füßli. Die Herren begrüßten einander heiter und freundschaftlich, und Szariny entschuldigte sich leichthin, daß er noch nicht zum Ausgehen fertig sei, indem er die Zeit unbeachtet habe verstreichen lassen. Er schritt darauf zur Vollendung seiner Toilette, während sich Füßli in den Lehnsessel am Fenster warf und gähnend sagte: „Aber, mein Bester, wissen denn auch Sie gar nichts Neues?“ „O, ich sage Ihnen, diese Residenz ist eines der langweiligsten Nester, die ich kenne, selbst auf dem Gute meines Oheims war es nicht langweiliger, und Berlin würde ich im Leben nicht verlassen haben, wenn nicht Bella auf den wahnsinnigen Einfall gekommen wäre, sich hier engagiren zu lassen — und ganz aufrichtig gestanden, auch sie fängt jetzt an mich zu langweilen. — Wäre sie nur noch einige Monate in Berlin geblieben, so war meine Leidenschaft ruhig abgekühlt, und ich hätte sie ruhig reisen lassen, statt daß ich den dummen Streich machte, ihr zu folgen. Sechs Wochen bin ich nun schon hier! Und warum? Um mich so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="37"/> die Hand. Sein Bewohner war Graf Jaromir von Szariny. —</p> <p>Die Thüre ward geöffnet, und ein junger Mann trat herein. Er war ziemlich lang und blond, hatte sehr lichte Augen, und sah überhaupt sehr farblos und sehr langweilig aus. Es war Baron von Füßli.</p> <p>Die Herren begrüßten einander heiter und freundschaftlich, und Szariny entschuldigte sich leichthin, daß er noch nicht zum Ausgehen fertig sei, indem er die Zeit unbeachtet habe verstreichen lassen. Er schritt darauf zur Vollendung seiner Toilette, während sich Füßli in den Lehnsessel am Fenster warf und gähnend sagte:</p> <p>„Aber, mein Bester, wissen denn auch Sie gar nichts Neues?“</p> <p>„O, ich sage Ihnen, diese Residenz ist eines der langweiligsten Nester, die ich kenne, selbst auf dem Gute meines Oheims war es nicht langweiliger, und Berlin würde ich im Leben nicht verlassen haben, wenn nicht Bella auf den wahnsinnigen Einfall gekommen wäre, sich hier engagiren zu lassen — und ganz aufrichtig gestanden, auch sie fängt jetzt an mich zu langweilen. — Wäre sie nur noch einige Monate in Berlin geblieben, so war meine Leidenschaft ruhig abgekühlt, und ich hätte sie ruhig reisen lassen, statt daß ich den dummen Streich machte, ihr zu folgen. Sechs Wochen bin ich nun schon hier! Und warum? Um mich so </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0047]
die Hand. Sein Bewohner war Graf Jaromir von Szariny. —
Die Thüre ward geöffnet, und ein junger Mann trat herein. Er war ziemlich lang und blond, hatte sehr lichte Augen, und sah überhaupt sehr farblos und sehr langweilig aus. Es war Baron von Füßli.
Die Herren begrüßten einander heiter und freundschaftlich, und Szariny entschuldigte sich leichthin, daß er noch nicht zum Ausgehen fertig sei, indem er die Zeit unbeachtet habe verstreichen lassen. Er schritt darauf zur Vollendung seiner Toilette, während sich Füßli in den Lehnsessel am Fenster warf und gähnend sagte:
„Aber, mein Bester, wissen denn auch Sie gar nichts Neues?“
„O, ich sage Ihnen, diese Residenz ist eines der langweiligsten Nester, die ich kenne, selbst auf dem Gute meines Oheims war es nicht langweiliger, und Berlin würde ich im Leben nicht verlassen haben, wenn nicht Bella auf den wahnsinnigen Einfall gekommen wäre, sich hier engagiren zu lassen — und ganz aufrichtig gestanden, auch sie fängt jetzt an mich zu langweilen. — Wäre sie nur noch einige Monate in Berlin geblieben, so war meine Leidenschaft ruhig abgekühlt, und ich hätte sie ruhig reisen lassen, statt daß ich den dummen Streich machte, ihr zu folgen. Sechs Wochen bin ich nun schon hier! Und warum? Um mich so
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/47>, abgerufen am 16.02.2025. |