Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

schallte das Getöse der arbeitenden Dampfmaschinen weit hinüber in die stillsten Plätze des gräflichen Parkes, und die Fabrikarbeiter verzehrten an seinen mit prachtvollen Blumen und majestätischen Baumgruppen verschöntem Ausgang ihr Frühstück unter derben Scherzen oder rohem Gezänke. Der nächste Umgang des Grafen Hohenthal war ein Herr von Waldow, Rittmeister außer Dienst, dessen Rittergut auf der andern Seite das Eigenthum des Fabrikanten begrenzte. Herr von Waldow hatte während eines flotten Militärlebens ungleich mehr ausgegeben, als eingenommen, und um sich seinen guten Namen zu bewahren und zugleich sein glänzendes Leben fortsetzen zu können, ließ er willig von seinem Besitzthum ein Stück nach dem andern an Felchner gelangen, so daß dessen Besitzthum sich immer weiter ausbreitete, und was Hohenthal ihm an seiner Westgrenze gern wieder streitig gemacht hätte, das trat im Osten Waldow mit Vergnügen an Terrain ihm ab. --

So verging Elisabeth's Kindheit einsam im Schloß des Vaters, ohne daß eine Gespielin dieselbe erheitert hätte. Lehrer und Gouvernanten, welche man ihr hielt, betrachtete sie nicht als Personen, denen sie Gehorsam schuldig sei, sondern als solche, welche ihrem Willen sich zu fügen hätten. Bei ihren bedeutenden Geistesgaben und Talenten, verbunden mit einem angebornen Triebe nach Wissen, und einem früh erwachten Ernste und geistigen Stolz entwickelte sie sich

schallte das Getöse der arbeitenden Dampfmaschinen weit hinüber in die stillsten Plätze des gräflichen Parkes, und die Fabrikarbeiter verzehrten an seinen mit prachtvollen Blumen und majestätischen Baumgruppen verschöntem Ausgang ihr Frühstück unter derben Scherzen oder rohem Gezänke. Der nächste Umgang des Grafen Hohenthal war ein Herr von Waldow, Rittmeister außer Dienst, dessen Rittergut auf der andern Seite das Eigenthum des Fabrikanten begrenzte. Herr von Waldow hatte während eines flotten Militärlebens ungleich mehr ausgegeben, als eingenommen, und um sich seinen guten Namen zu bewahren und zugleich sein glänzendes Leben fortsetzen zu können, ließ er willig von seinem Besitzthum ein Stück nach dem andern an Felchner gelangen, so daß dessen Besitzthum sich immer weiter ausbreitete, und was Hohenthal ihm an seiner Westgrenze gern wieder streitig gemacht hätte, das trat im Osten Waldow mit Vergnügen an Terrain ihm ab. —

So verging Elisabeth’s Kindheit einsam im Schloß des Vaters, ohne daß eine Gespielin dieselbe erheitert hätte. Lehrer und Gouvernanten, welche man ihr hielt, betrachtete sie nicht als Personen, denen sie Gehorsam schuldig sei, sondern als solche, welche ihrem Willen sich zu fügen hätten. Bei ihren bedeutenden Geistesgaben und Talenten, verbunden mit einem angebornen Triebe nach Wissen, und einem früh erwachten Ernste und geistigen Stolz entwickelte sie sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
schallte das Getöse der arbeitenden Dampfmaschinen weit hinüber in die stillsten Plätze des gräflichen Parkes, und die Fabrikarbeiter verzehrten an seinen mit prachtvollen Blumen und majestätischen Baumgruppen verschöntem Ausgang ihr Frühstück unter derben Scherzen oder rohem Gezänke. Der nächste Umgang des Grafen Hohenthal war ein Herr von Waldow, Rittmeister außer Dienst, dessen Rittergut auf der andern Seite das Eigenthum des Fabrikanten begrenzte. Herr von Waldow hatte während eines flotten Militärlebens ungleich mehr ausgegeben, als eingenommen, und um sich seinen guten Namen zu bewahren und zugleich sein glänzendes Leben fortsetzen zu können, ließ er willig von seinem Besitzthum ein Stück nach dem andern an Felchner gelangen, so daß dessen Besitzthum sich immer weiter ausbreitete, und was Hohenthal ihm an seiner Westgrenze gern wieder streitig gemacht hätte, das trat im Osten Waldow mit Vergnügen an Terrain ihm ab. &#x2014;</p>
        <p>So verging Elisabeth&#x2019;s Kindheit einsam im Schloß des Vaters, ohne daß eine Gespielin dieselbe erheitert hätte. Lehrer und Gouvernanten, welche man ihr hielt, betrachtete sie nicht als Personen, denen sie Gehorsam schuldig sei, sondern als solche, welche ihrem Willen sich zu fügen hätten. Bei ihren bedeutenden Geistesgaben und Talenten, verbunden mit einem angebornen Triebe nach Wissen, und einem früh erwachten Ernste und geistigen Stolz entwickelte sie sich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] schallte das Getöse der arbeitenden Dampfmaschinen weit hinüber in die stillsten Plätze des gräflichen Parkes, und die Fabrikarbeiter verzehrten an seinen mit prachtvollen Blumen und majestätischen Baumgruppen verschöntem Ausgang ihr Frühstück unter derben Scherzen oder rohem Gezänke. Der nächste Umgang des Grafen Hohenthal war ein Herr von Waldow, Rittmeister außer Dienst, dessen Rittergut auf der andern Seite das Eigenthum des Fabrikanten begrenzte. Herr von Waldow hatte während eines flotten Militärlebens ungleich mehr ausgegeben, als eingenommen, und um sich seinen guten Namen zu bewahren und zugleich sein glänzendes Leben fortsetzen zu können, ließ er willig von seinem Besitzthum ein Stück nach dem andern an Felchner gelangen, so daß dessen Besitzthum sich immer weiter ausbreitete, und was Hohenthal ihm an seiner Westgrenze gern wieder streitig gemacht hätte, das trat im Osten Waldow mit Vergnügen an Terrain ihm ab. — So verging Elisabeth’s Kindheit einsam im Schloß des Vaters, ohne daß eine Gespielin dieselbe erheitert hätte. Lehrer und Gouvernanten, welche man ihr hielt, betrachtete sie nicht als Personen, denen sie Gehorsam schuldig sei, sondern als solche, welche ihrem Willen sich zu fügen hätten. Bei ihren bedeutenden Geistesgaben und Talenten, verbunden mit einem angebornen Triebe nach Wissen, und einem früh erwachten Ernste und geistigen Stolz entwickelte sie sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/24
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/24>, abgerufen am 28.11.2024.