Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

als lebenden Menschenkindern. Ein Tisch, auf welchem das rauchende Oellämpchen unter einigen andern halb zerbrochenen und berußten irdenen Geräthen stand, und daneben zwei alte hölzerne Stühle mit zerschlitztem Leder beschlagen, und eine alte Lade -- das war der ganze Hausrath einer Familie.

Zwei Frauen standen in dieser Stube; die eine war hager, aber von riesenhafter Größe. Sie hatte mit einem bunten Tuch um den Kopf die schwarzen Haare aufgebunden; ihr Gesicht war bleich und starr -- aus ihren Augen und dem Zucken um ihren welken Mund sprach ein verwilderter Ausdruck. Das war die lange Lise, die Mutter dieser vier Kinder.

Die andere Frau war eine Fabrikarbeiterin, welche Frau Martha genannt ward, und welche nur aus Mitleid mit zu der langen Lise gegangen war. Sie war kleiner, als diese, aber von stärkerem Gliederbau, hatte ein rothes, offnes Gesicht, und war in der äußern Erscheinung weniger abschreckend, als Jene, vor welcher Pauline gleich auf den ersten Anblick einen innerlichen Schauer empfand. Pauline war nun zwar schon an das Rohe und Abschreckende bei Manchen dieser Proletarier gewöhnt, aber sie erschrak doch wieder, als die lange Lise sich rasch nach ihr umdrehte, und mit zorniger Stimme heftig fragte:

"Was giebt's?"

als lebenden Menschenkindern. Ein Tisch, auf welchem das rauchende Oellämpchen unter einigen andern halb zerbrochenen und berußten irdenen Geräthen stand, und daneben zwei alte hölzerne Stühle mit zerschlitztem Leder beschlagen, und eine alte Lade — das war der ganze Hausrath einer Familie.

Zwei Frauen standen in dieser Stube; die eine war hager, aber von riesenhafter Größe. Sie hatte mit einem bunten Tuch um den Kopf die schwarzen Haare aufgebunden; ihr Gesicht war bleich und starr — aus ihren Augen und dem Zucken um ihren welken Mund sprach ein verwilderter Ausdruck. Das war die lange Lise, die Mutter dieser vier Kinder.

Die andere Frau war eine Fabrikarbeiterin, welche Frau Martha genannt ward, und welche nur aus Mitleid mit zu der langen Lise gegangen war. Sie war kleiner, als diese, aber von stärkerem Gliederbau, hatte ein rothes, offnes Gesicht, und war in der äußern Erscheinung weniger abschreckend, als Jene, vor welcher Pauline gleich auf den ersten Anblick einen innerlichen Schauer empfand. Pauline war nun zwar schon an das Rohe und Abschreckende bei Manchen dieser Proletarier gewöhnt, aber sie erschrak doch wieder, als die lange Lise sich rasch nach ihr umdrehte, und mit zorniger Stimme heftig fragte:

„Was giebt’s?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="211"/>
als lebenden Menschenkindern. Ein Tisch, auf welchem das rauchende Oellämpchen unter einigen andern halb zerbrochenen und berußten irdenen Geräthen stand, und daneben zwei alte hölzerne Stühle mit zerschlitztem Leder beschlagen, und eine alte Lade &#x2014; das war der ganze Hausrath einer Familie.</p>
        <p>Zwei Frauen standen in dieser Stube; die eine war hager, aber von riesenhafter Größe. Sie hatte mit einem bunten Tuch um den Kopf die schwarzen Haare aufgebunden; ihr Gesicht war bleich und starr &#x2014; aus ihren Augen und dem Zucken um ihren welken Mund sprach ein verwilderter Ausdruck. Das war die lange Lise, die Mutter dieser vier Kinder.</p>
        <p>Die andere Frau war eine Fabrikarbeiterin, welche Frau Martha genannt ward, und welche nur aus Mitleid mit zu der langen Lise gegangen war. Sie war kleiner, als diese, aber von stärkerem Gliederbau, hatte ein rothes, offnes Gesicht, und war in der äußern Erscheinung weniger abschreckend, als Jene, vor welcher Pauline gleich auf den ersten Anblick einen innerlichen Schauer empfand. Pauline war nun zwar schon an das Rohe und Abschreckende bei Manchen dieser Proletarier gewöhnt, aber sie erschrak doch wieder, als die lange Lise sich rasch nach ihr umdrehte, und mit zorniger Stimme heftig fragte:</p>
        <p>&#x201E;Was giebt&#x2019;s?&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0221] als lebenden Menschenkindern. Ein Tisch, auf welchem das rauchende Oellämpchen unter einigen andern halb zerbrochenen und berußten irdenen Geräthen stand, und daneben zwei alte hölzerne Stühle mit zerschlitztem Leder beschlagen, und eine alte Lade — das war der ganze Hausrath einer Familie. Zwei Frauen standen in dieser Stube; die eine war hager, aber von riesenhafter Größe. Sie hatte mit einem bunten Tuch um den Kopf die schwarzen Haare aufgebunden; ihr Gesicht war bleich und starr — aus ihren Augen und dem Zucken um ihren welken Mund sprach ein verwilderter Ausdruck. Das war die lange Lise, die Mutter dieser vier Kinder. Die andere Frau war eine Fabrikarbeiterin, welche Frau Martha genannt ward, und welche nur aus Mitleid mit zu der langen Lise gegangen war. Sie war kleiner, als diese, aber von stärkerem Gliederbau, hatte ein rothes, offnes Gesicht, und war in der äußern Erscheinung weniger abschreckend, als Jene, vor welcher Pauline gleich auf den ersten Anblick einen innerlichen Schauer empfand. Pauline war nun zwar schon an das Rohe und Abschreckende bei Manchen dieser Proletarier gewöhnt, aber sie erschrak doch wieder, als die lange Lise sich rasch nach ihr umdrehte, und mit zorniger Stimme heftig fragte: „Was giebt’s?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/221
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/221>, abgerufen am 02.05.2024.