Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Bürgermädchen eine ehrsame Heirath schloß, dadurch,
hieß es, werde die Ehre des Hauses geschändet, der
Stammbaum entweiht und befleckt. Nun, was muß
das für eine Ehre sein, die durch eine ehrliche Hand-
lung vernichtet werden kann, durch eine unehrliche aber
nicht? Und weil nun diese Rittersfrau kein adliches
Blut und kein Wappen gehabt hat, so ist ihr Bild aus
dem Ahnensaal verbannt und hängt hier mit dem
ihres Gemahls; -- in dieser Burg haben sie auch
einst zusammen glückliche Tage gelebt und sich nicht
darum gekümmert, wie die Tollheit der Welt sie ver-
dammt hat, da sie sich mit ihrem guten Gewissen und
ihrer treuen Liebe leicht über die Vorurtheile erheben
konnten.

"Das ist aber doch nicht nur in den alten Zeiten so
gewesen," nahm der Vogt das Wort. "Unser Herr
Graf würde es gerade so machen wie sein Ahnherr; --
Gott sei's geklagt, sein Sohn, der Junker Kurt, hat
mehr als ein Mädchen verführt und der Graf hat dabei
ein Auge zugedrückt, aber zugeben würde er's doch nun
und nimmermehr, wenn der Herr Sohn ein Dorf- oder
Bürgermädchen heirathen wollte -- das ginge doch auch
gar nicht."

"Ginge gar nicht?" fuhr Johannes wieder auf, "warum
ginge es denn nicht? Weil sich's Bürger und Bauer

Buͤrgermaͤdchen eine ehrſame Heirath ſchloß, dadurch,
hieß es, werde die Ehre des Hauſes geſchaͤndet, der
Stammbaum entweiht und befleckt. Nun, was muß
das fuͤr eine Ehre ſein, die durch eine ehrliche Hand-
lung vernichtet werden kann, durch eine unehrliche aber
nicht? Und weil nun dieſe Rittersfrau kein adliches
Blut und kein Wappen gehabt hat, ſo iſt ihr Bild aus
dem Ahnenſaal verbannt und haͤngt hier mit dem
ihres Gemahls; — in dieſer Burg haben ſie auch
einſt zuſammen gluͤckliche Tage gelebt und ſich nicht
darum gekuͤmmert, wie die Tollheit der Welt ſie ver-
dammt hat, da ſie ſich mit ihrem guten Gewiſſen und
ihrer treuen Liebe leicht uͤber die Vorurtheile erheben
konnten.

„Das iſt aber doch nicht nur in den alten Zeiten ſo
geweſen,“ nahm der Vogt das Wort. „Unſer Herr
Graf wuͤrde es gerade ſo machen wie ſein Ahnherr; —
Gott ſei’s geklagt, ſein Sohn, der Junker Kurt, hat
mehr als ein Maͤdchen verfuͤhrt und der Graf hat dabei
ein Auge zugedruͤckt, aber zugeben wuͤrde er’s doch nun
und nimmermehr, wenn der Herr Sohn ein Dorf- oder
Buͤrgermaͤdchen heirathen wollte — das ginge doch auch
gar nicht.“

„Ginge gar nicht?“ fuhr Johannes wieder auf, „warum
ginge es denn nicht? Weil ſich’s Buͤrger und Bauer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0088" n="80"/>
Bu&#x0364;rgerma&#x0364;dchen eine ehr&#x017F;ame Heirath &#x017F;chloß, dadurch,<lb/>
hieß es, werde die Ehre des Hau&#x017F;es ge&#x017F;cha&#x0364;ndet, der<lb/>
Stammbaum entweiht und befleckt. Nun, was muß<lb/>
das fu&#x0364;r eine Ehre &#x017F;ein, die durch eine ehrliche Hand-<lb/>
lung vernichtet werden kann, durch eine unehrliche aber<lb/>
nicht? Und weil nun die&#x017F;e Rittersfrau kein adliches<lb/>
Blut und kein Wappen gehabt hat, &#x017F;o i&#x017F;t ihr Bild aus<lb/>
dem Ahnen&#x017F;aal verbannt und ha&#x0364;ngt hier mit dem<lb/>
ihres Gemahls; &#x2014; in die&#x017F;er Burg haben &#x017F;ie auch<lb/>
ein&#x017F;t zu&#x017F;ammen glu&#x0364;ckliche Tage gelebt und &#x017F;ich nicht<lb/>
darum geku&#x0364;mmert, wie die Tollheit der Welt &#x017F;ie ver-<lb/>
dammt hat, da &#x017F;ie &#x017F;ich mit ihrem guten Gewi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
ihrer treuen Liebe leicht u&#x0364;ber die Vorurtheile erheben<lb/>
konnten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t aber doch nicht nur in den alten Zeiten &#x017F;o<lb/>
gewe&#x017F;en,&#x201C; nahm der Vogt das Wort. &#x201E;Un&#x017F;er Herr<lb/>
Graf wu&#x0364;rde es gerade &#x017F;o machen wie &#x017F;ein Ahnherr; &#x2014;<lb/>
Gott &#x017F;ei&#x2019;s geklagt, &#x017F;ein Sohn, der Junker Kurt, hat<lb/>
mehr als ein Ma&#x0364;dchen verfu&#x0364;hrt und der Graf hat dabei<lb/>
ein Auge zugedru&#x0364;ckt, aber zugeben wu&#x0364;rde er&#x2019;s doch nun<lb/>
und nimmermehr, wenn der Herr Sohn ein Dorf- oder<lb/>
Bu&#x0364;rgerma&#x0364;dchen heirathen wollte &#x2014; das ginge doch auch<lb/>
gar nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ginge gar nicht?&#x201C; fuhr Johannes wieder auf, &#x201E;warum<lb/>
ginge es denn nicht? Weil &#x017F;ich&#x2019;s Bu&#x0364;rger und Bauer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0088] Buͤrgermaͤdchen eine ehrſame Heirath ſchloß, dadurch, hieß es, werde die Ehre des Hauſes geſchaͤndet, der Stammbaum entweiht und befleckt. Nun, was muß das fuͤr eine Ehre ſein, die durch eine ehrliche Hand- lung vernichtet werden kann, durch eine unehrliche aber nicht? Und weil nun dieſe Rittersfrau kein adliches Blut und kein Wappen gehabt hat, ſo iſt ihr Bild aus dem Ahnenſaal verbannt und haͤngt hier mit dem ihres Gemahls; — in dieſer Burg haben ſie auch einſt zuſammen gluͤckliche Tage gelebt und ſich nicht darum gekuͤmmert, wie die Tollheit der Welt ſie ver- dammt hat, da ſie ſich mit ihrem guten Gewiſſen und ihrer treuen Liebe leicht uͤber die Vorurtheile erheben konnten. „Das iſt aber doch nicht nur in den alten Zeiten ſo geweſen,“ nahm der Vogt das Wort. „Unſer Herr Graf wuͤrde es gerade ſo machen wie ſein Ahnherr; — Gott ſei’s geklagt, ſein Sohn, der Junker Kurt, hat mehr als ein Maͤdchen verfuͤhrt und der Graf hat dabei ein Auge zugedruͤckt, aber zugeben wuͤrde er’s doch nun und nimmermehr, wenn der Herr Sohn ein Dorf- oder Buͤrgermaͤdchen heirathen wollte — das ginge doch auch gar nicht.“ „Ginge gar nicht?“ fuhr Johannes wieder auf, „warum ginge es denn nicht? Weil ſich’s Buͤrger und Bauer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/88
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/88>, abgerufen am 05.12.2024.