über dem breiten weichen Sopha. Das eine dieser Bil- der zeigte einen schönen Ritter mit stolzen, glücklichen Blicken in rüstiger Manneskraft, das andere ein lieb- liches Mädchen in der einfachen bürgerlichen Tracht der damaligen Zeit, das sittsam die Augen niederschlug. Johannes blieb vor den Bildern stehen und sah sie lange sinnend an; zu dem Vogt sagt' er: "Ja, die bei- den, das sind meine Leute, die passen so recht für mich! Jhr wißt doch die Geschichte, Mutter Eva? Der Ritter da ist auch ein Urahn des jetzigen Grafen. Er lernte das schöne Bürgermädchen daneben, die Tochter eines biedern Bäckers, lieben und da sie beide in ihrer Liebe so glücklich waren und niemals von einander lassen mochten, so heiratheten sie sich. Da verflucht der Va- ter des Ritters diesen, seinen leiblichen Sohn, warum meint Jhr wohl? weil er das Mädchen, das er liebte, geheirathet hat und vor Gott und alle Welt anerkannt als sein ehelich Gemahl -- das war sein Verbrechen! Hätte er das Mädchen verführt, geschändet und dann die Unglückliche verlassen, das wäre dem alten Herrn recht gewesen, so etwas kam bei den Großen ja immer vor, Niemand hätte von solcher Schandthat ein Auf- hebens gemacht, im äußersten Fall hätte man sich mit Geld abgefunden oder die Unglückliche im Kloster unter- gebracht -- aber wenn ein Graf mit einem ehrsamen
uͤber dem breiten weichen Sopha. Das eine dieſer Bil- der zeigte einen ſchoͤnen Ritter mit ſtolzen, gluͤcklichen Blicken in ruͤſtiger Manneskraft, das andere ein lieb- liches Maͤdchen in der einfachen buͤrgerlichen Tracht der damaligen Zeit, das ſittſam die Augen niederſchlug. Johannes blieb vor den Bildern ſtehen und ſah ſie lange ſinnend an; zu dem Vogt ſagt’ er: „Ja, die bei- den, das ſind meine Leute, die paſſen ſo recht fuͤr mich! Jhr wißt doch die Geſchichte, Mutter Eva? Der Ritter da iſt auch ein Urahn des jetzigen Grafen. Er lernte das ſchoͤne Buͤrgermaͤdchen daneben, die Tochter eines biedern Baͤckers, lieben und da ſie beide in ihrer Liebe ſo gluͤcklich waren und niemals von einander laſſen mochten, ſo heiratheten ſie ſich. Da verflucht der Va- ter des Ritters dieſen, ſeinen leiblichen Sohn, warum meint Jhr wohl? weil er das Maͤdchen, das er liebte, geheirathet hat und vor Gott und alle Welt anerkannt als ſein ehelich Gemahl — das war ſein Verbrechen! Haͤtte er das Maͤdchen verfuͤhrt, geſchaͤndet und dann die Ungluͤckliche verlaſſen, das waͤre dem alten Herrn recht geweſen, ſo etwas kam bei den Großen ja immer vor, Niemand haͤtte von ſolcher Schandthat ein Auf- hebens gemacht, im aͤußerſten Fall haͤtte man ſich mit Geld abgefunden oder die Ungluͤckliche im Kloſter unter- gebracht — aber wenn ein Graf mit einem ehrſamen
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uͤber dem breiten weichen Sopha. Das eine dieſer Bil-
der zeigte einen ſchoͤnen Ritter mit ſtolzen, gluͤcklichen
Blicken in ruͤſtiger Manneskraft, das andere ein lieb-
liches Maͤdchen in der einfachen buͤrgerlichen Tracht der
damaligen Zeit, das ſittſam die Augen niederſchlug.
Johannes blieb vor den Bildern ſtehen und ſah ſie
lange ſinnend an; zu dem Vogt ſagt’ er: „Ja, die bei-
den, das ſind meine Leute, die paſſen ſo recht fuͤr mich!
Jhr wißt doch die Geſchichte, Mutter Eva? Der
Ritter da iſt auch ein Urahn des jetzigen Grafen. Er
lernte das ſchoͤne Buͤrgermaͤdchen daneben, die Tochter
eines biedern Baͤckers, lieben und da ſie beide in ihrer
Liebe ſo gluͤcklich waren und niemals von einander laſſen
mochten, ſo heiratheten ſie ſich. Da verflucht der Va-
ter des Ritters dieſen, ſeinen leiblichen Sohn, warum
meint Jhr wohl? weil er das Maͤdchen, das er liebte,
geheirathet hat und vor Gott und alle Welt anerkannt
als ſein ehelich Gemahl — das war ſein Verbrechen!
Haͤtte er das Maͤdchen verfuͤhrt, geſchaͤndet und dann
die Ungluͤckliche verlaſſen, das waͤre dem alten Herrn
recht geweſen, ſo etwas kam bei den Großen ja immer
vor, Niemand haͤtte von ſolcher Schandthat ein Auf-
hebens gemacht, im aͤußerſten Fall haͤtte man ſich mit
Geld abgefunden oder die Ungluͤckliche im Kloſter unter-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/87>, abgerufen am 05.12.2024.
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