mochten, standen hier an dem Eingang, aber drinnen breitete sich ein jüngeres Geschlecht von Bäumen aus. Der Garten, in dem früher vielleicht Hirsche und Rehe, wohl gar wilde Eber sich getummelt hatten, damit die alten Ritter nahe Jagdfreuden genießen oder die zarten Burg- fräulein sich zierliche Rehe und weiße Hirschlein zähmen konnten -- der Garten war jetzt zum gewöhnlichen Nutzgarten geworden, in dem allerhand Obstbäume in blumigem Rasen standen, und rechts gar große geord- nete Gemüsebeete sich ausdehnten und die Kartoffeln, die erst lange nach der Ritterzeit nach Deutschland gekommen waren, von einem ziemlichen Stück Land Besitz ge- nommen hatten.
Jn diesen Gemüsebeeten kauerte jetzt die Frau des Vogts -- erhob sich und wischte ihre erdigen Hände an ihren wollnen Rock, als sie Jemand kommen sah. Dann hielt sie die eine Hand vor die Augen, weil die Sonne sie blendete, und rief dann: "J, Frau Eva, kommt Jhr denn auch einmal herauf? seit wann macht Jhr denn den Wegweiser für fremde Herrschaften? war mein Mann nicht drinn? wenn Jemand herumgeführt sein will -- da muß ich doch gleich --"
Sie machte einen tiefen Knix vor Johannes und ging eilfertig aus den Gemüsebeeten heraus --
"J nun," sagte Mutter Eva lachend und machte
mochten, ſtanden hier an dem Eingang, aber drinnen breitete ſich ein juͤngeres Geſchlecht von Baͤumen aus. Der Garten, in dem fruͤher vielleicht Hirſche und Rehe, wohl gar wilde Eber ſich getummelt hatten, damit die alten Ritter nahe Jagdfreuden genießen oder die zarten Burg- fraͤulein ſich zierliche Rehe und weiße Hirſchlein zaͤhmen konnten — der Garten war jetzt zum gewoͤhnlichen Nutzgarten geworden, in dem allerhand Obſtbaͤume in blumigem Raſen ſtanden, und rechts gar große geord- nete Gemuͤſebeete ſich ausdehnten und die Kartoffeln, die erſt lange nach der Ritterzeit nach Deutſchland gekommen waren, von einem ziemlichen Stuͤck Land Beſitz ge- nommen hatten.
Jn dieſen Gemuͤſebeeten kauerte jetzt die Frau des Vogts — erhob ſich und wiſchte ihre erdigen Haͤnde an ihren wollnen Rock, als ſie Jemand kommen ſah. Dann hielt ſie die eine Hand vor die Augen, weil die Sonne ſie blendete, und rief dann: „J, Frau Eva, kommt Jhr denn auch einmal herauf? ſeit wann macht Jhr denn den Wegweiſer fuͤr fremde Herrſchaften? war mein Mann nicht drinn? wenn Jemand herumgefuͤhrt ſein will — da muß ich doch gleich —“
Sie machte einen tiefen Knix vor Johannes und ging eilfertig aus den Gemuͤſebeeten heraus —
„J nun,“ ſagte Mutter Eva lachend und machte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="69"/>
mochten, ſtanden hier an dem Eingang, aber drinnen<lb/>
breitete ſich ein juͤngeres Geſchlecht von Baͤumen aus.<lb/>
Der Garten, in dem fruͤher vielleicht Hirſche und Rehe,<lb/>
wohl gar wilde Eber ſich getummelt hatten, damit die alten<lb/>
Ritter nahe Jagdfreuden genießen oder die zarten Burg-<lb/>
fraͤulein ſich zierliche Rehe und weiße Hirſchlein zaͤhmen<lb/>
konnten — der Garten war jetzt zum gewoͤhnlichen<lb/>
Nutzgarten geworden, in dem allerhand Obſtbaͤume in<lb/>
blumigem Raſen ſtanden, und rechts gar große geord-<lb/>
nete Gemuͤſebeete ſich ausdehnten und die Kartoffeln, die<lb/>
erſt lange nach der Ritterzeit nach Deutſchland gekommen<lb/>
waren, von einem ziemlichen Stuͤck Land Beſitz ge-<lb/>
nommen hatten.</p><lb/><p>Jn dieſen Gemuͤſebeeten kauerte jetzt die Frau des<lb/>
Vogts — erhob ſich und wiſchte ihre erdigen Haͤnde an<lb/>
ihren wollnen Rock, als ſie Jemand kommen ſah. Dann<lb/>
hielt ſie die eine Hand vor die Augen, weil die Sonne<lb/>ſie blendete, und rief dann: „J, Frau Eva, kommt<lb/>
Jhr denn auch einmal herauf? ſeit wann macht Jhr<lb/>
denn den Wegweiſer fuͤr fremde Herrſchaften? war mein<lb/>
Mann nicht drinn? wenn Jemand herumgefuͤhrt ſein<lb/>
will — da muß ich doch gleich —“</p><lb/><p>Sie machte einen tiefen Knix vor Johannes und<lb/>
ging eilfertig aus den Gemuͤſebeeten heraus —</p><lb/><p>„J nun,“ſagte Mutter Eva lachend und machte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[69/0077]
mochten, ſtanden hier an dem Eingang, aber drinnen
breitete ſich ein juͤngeres Geſchlecht von Baͤumen aus.
Der Garten, in dem fruͤher vielleicht Hirſche und Rehe,
wohl gar wilde Eber ſich getummelt hatten, damit die alten
Ritter nahe Jagdfreuden genießen oder die zarten Burg-
fraͤulein ſich zierliche Rehe und weiße Hirſchlein zaͤhmen
konnten — der Garten war jetzt zum gewoͤhnlichen
Nutzgarten geworden, in dem allerhand Obſtbaͤume in
blumigem Raſen ſtanden, und rechts gar große geord-
nete Gemuͤſebeete ſich ausdehnten und die Kartoffeln, die
erſt lange nach der Ritterzeit nach Deutſchland gekommen
waren, von einem ziemlichen Stuͤck Land Beſitz ge-
nommen hatten.
Jn dieſen Gemuͤſebeeten kauerte jetzt die Frau des
Vogts — erhob ſich und wiſchte ihre erdigen Haͤnde an
ihren wollnen Rock, als ſie Jemand kommen ſah. Dann
hielt ſie die eine Hand vor die Augen, weil die Sonne
ſie blendete, und rief dann: „J, Frau Eva, kommt
Jhr denn auch einmal herauf? ſeit wann macht Jhr
denn den Wegweiſer fuͤr fremde Herrſchaften? war mein
Mann nicht drinn? wenn Jemand herumgefuͤhrt ſein
will — da muß ich doch gleich —“
Sie machte einen tiefen Knix vor Johannes und
ging eilfertig aus den Gemuͤſebeeten heraus —
„J nun,“ ſagte Mutter Eva lachend und machte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/77>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.