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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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er muß sich tief bücken und sie sich ganz lang machen,
daß sie ihn nur recht in die glänzenden Augen sehen
kann. Endlich ist der erste Sturm der Ueberraschung
doch vorüber. Da ist nun das Johanneslein, von dem
eben so viel die Rede war, mitten unter ihnen und ist
ein gar stattlicher Johannes aus ihm geworden. Es ist
gegangen wie's das Sprichwort sagt: wenn man den
Teufel an die Wand mahlt, so kommt er, nur daß es
diesmal freilich kein Teufel war, sondern ein guter, lie-
ber Mensch, der theuere Sohn einer theuern Mutter,
welcher kam. Mutter Eva vergißt Alles, was sie nur
vorhin erst gesagt hat vom Fortfliegen und Verfliegen
der Kinder und wie sie nicht wisse, ob sie noch einen
Sohn habe, ob nicht, und wie sie sich quäle, ob er seine
alte Mutter noch lieb habe. Jetzt sieht sie es, jetzt hat
sie ihn wieder und da ist Alles gut. Und wie sie ihn
so schön und groß vor sich sieht, hat auch der mütter-
liche Stolz und Ehrgeiz wieder sein Recht. Da richtet
sie sich nun endlich vor ihm auf aus der langen Um-
armung und sagt mit unendlichem Triumph im Ton
der Stimme und in dem vom höchsten Glück verklärten
Mienen: "Nun seht einmal! das ist mein Johannes."

Und Johannes schüttelt nun auch dem Wirth und
der Wirthin die Hände und spricht: "Nun, Jhr nehmt's
doch nicht übel, daß ich gleich so herein gekommen bin

er muß ſich tief buͤcken und ſie ſich ganz lang machen,
daß ſie ihn nur recht in die glaͤnzenden Augen ſehen
kann. Endlich iſt der erſte Sturm der Ueberraſchung
doch voruͤber. Da iſt nun das Johanneslein, von dem
eben ſo viel die Rede war, mitten unter ihnen und iſt
ein gar ſtattlicher Johannes aus ihm geworden. Es iſt
gegangen wie’s das Sprichwort ſagt: wenn man den
Teufel an die Wand mahlt, ſo kommt er, nur daß es
diesmal freilich kein Teufel war, ſondern ein guter, lie-
ber Menſch, der theuere Sohn einer theuern Mutter,
welcher kam. Mutter Eva vergißt Alles, was ſie nur
vorhin erſt geſagt hat vom Fortfliegen und Verfliegen
der Kinder und wie ſie nicht wiſſe, ob ſie noch einen
Sohn habe, ob nicht, und wie ſie ſich quaͤle, ob er ſeine
alte Mutter noch lieb habe. Jetzt ſieht ſie es, jetzt hat
ſie ihn wieder und da iſt Alles gut. Und wie ſie ihn
ſo ſchoͤn und groß vor ſich ſieht, hat auch der muͤtter-
liche Stolz und Ehrgeiz wieder ſein Recht. Da richtet
ſie ſich nun endlich vor ihm auf aus der langen Um-
armung und ſagt mit unendlichem Triumph im Ton
der Stimme und in dem vom hoͤchſten Gluͤck verklaͤrten
Mienen: „Nun ſeht einmal! das iſt mein Johannes.“

Und Johannes ſchuͤttelt nun auch dem Wirth und
der Wirthin die Haͤnde und ſpricht: „Nun, Jhr nehmt’s
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[44/0052] er muß ſich tief buͤcken und ſie ſich ganz lang machen, daß ſie ihn nur recht in die glaͤnzenden Augen ſehen kann. Endlich iſt der erſte Sturm der Ueberraſchung doch voruͤber. Da iſt nun das Johanneslein, von dem eben ſo viel die Rede war, mitten unter ihnen und iſt ein gar ſtattlicher Johannes aus ihm geworden. Es iſt gegangen wie’s das Sprichwort ſagt: wenn man den Teufel an die Wand mahlt, ſo kommt er, nur daß es diesmal freilich kein Teufel war, ſondern ein guter, lie- ber Menſch, der theuere Sohn einer theuern Mutter, welcher kam. Mutter Eva vergißt Alles, was ſie nur vorhin erſt geſagt hat vom Fortfliegen und Verfliegen der Kinder und wie ſie nicht wiſſe, ob ſie noch einen Sohn habe, ob nicht, und wie ſie ſich quaͤle, ob er ſeine alte Mutter noch lieb habe. Jetzt ſieht ſie es, jetzt hat ſie ihn wieder und da iſt Alles gut. Und wie ſie ihn ſo ſchoͤn und groß vor ſich ſieht, hat auch der muͤtter- liche Stolz und Ehrgeiz wieder ſein Recht. Da richtet ſie ſich nun endlich vor ihm auf aus der langen Um- armung und ſagt mit unendlichem Triumph im Ton der Stimme und in dem vom hoͤchſten Gluͤck verklaͤrten Mienen: „Nun ſeht einmal! das iſt mein Johannes.“ Und Johannes ſchuͤttelt nun auch dem Wirth und der Wirthin die Haͤnde und ſpricht: „Nun, Jhr nehmt’s doch nicht uͤbel, daß ich gleich ſo herein gekommen bin

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/52>, abgerufen am 18.05.2024.