Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

führen. Der Greis hatte jetzt einen Blick und einen
Schritt in die große Zeit gethan -- er war zu alt, ihr
noch dienen zu können, aber er hatte ihren Anbruch
doch noch begrüßen dürfen -- nun blieb ihm kein Wunsch
mehr übrig, er hatte das größte erlebt, was ihm noch
vorbehalten gewesen und wonach er sich unbewußt ge-
sehnt -- nun konnte der Tod kommen und ihn von
der Erde nehmen, von dieser Erde, auf der sich der
Geist der Freiheit und der Liebe auf's Neue offenbart
hatte.

Suschen war ernst geworden und sagte zu Laura:
"Jch weiß nicht, mir ward ganz graulich zu Muthe, wie
so das Ungethüm daher gesaust kam und dann plötzlich
wieder verschand und Alles mit Eins vorbei war -- das
war eine Hast, ein Laufen, mir ward ganz drehend da-
bei und ich dachte "am Ende geht nun alles im Leben
so schnell -- auch so schnell vorüber -- da sei doch
Gott vor!"

Eh' noch Laura geantwortet hatte, war unser Schul-
meister hinzugetreten, dessen Gesicht von lauter Freude
und Glückseligkeit strahlte und antwortete jetzt auf
Suschens Rede: "Was thuts auch, wenn nun Alles
im Leben ein Wenig schneller geht? auch das, daß
man sich gut wird und lieb gewinnt und versteht? --
vorüber brauchts deshalb ja nicht so schnell zu sein!

fuͤhren. Der Greis hatte jetzt einen Blick und einen
Schritt in die große Zeit gethan — er war zu alt, ihr
noch dienen zu koͤnnen, aber er hatte ihren Anbruch
doch noch begruͤßen duͤrfen — nun blieb ihm kein Wunſch
mehr uͤbrig, er hatte das groͤßte erlebt, was ihm noch
vorbehalten geweſen und wonach er ſich unbewußt ge-
ſehnt — nun konnte der Tod kommen und ihn von
der Erde nehmen, von dieſer Erde, auf der ſich der
Geiſt der Freiheit und der Liebe auf’s Neue offenbart
hatte.

Suschen war ernſt geworden und ſagte zu Laura:
„Jch weiß nicht, mir ward ganz graulich zu Muthe, wie
ſo das Ungethuͤm daher geſauſt kam und dann ploͤtzlich
wieder verſchand und Alles mit Eins vorbei war — das
war eine Haſt, ein Laufen, mir ward ganz drehend da-
bei und ich dachte „am Ende geht nun alles im Leben
ſo ſchnell — auch ſo ſchnell voruͤber — da ſei doch
Gott vor!“

Eh’ noch Laura geantwortet hatte, war unſer Schul-
meiſter hinzugetreten, deſſen Geſicht von lauter Freude
und Gluͤckſeligkeit ſtrahlte und antwortete jetzt auf
Suschens Rede: „Was thuts auch, wenn nun Alles
im Leben ein Wenig ſchneller geht? auch das, daß
man ſich gut wird und lieb gewinnt und verſteht? —
voruͤber brauchts deshalb ja nicht ſo ſchnell zu ſein!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="29"/>
fu&#x0364;hren. Der Greis hatte jetzt einen Blick und einen<lb/>
Schritt in die große Zeit gethan &#x2014; er war zu alt, ihr<lb/>
noch dienen zu ko&#x0364;nnen, aber er hatte ihren Anbruch<lb/>
doch noch begru&#x0364;ßen du&#x0364;rfen &#x2014; nun blieb ihm kein Wun&#x017F;ch<lb/>
mehr u&#x0364;brig, er hatte das gro&#x0364;ßte erlebt, was ihm noch<lb/>
vorbehalten gewe&#x017F;en und wonach er &#x017F;ich unbewußt ge-<lb/>
&#x017F;ehnt &#x2014; nun konnte der Tod kommen und ihn von<lb/>
der Erde nehmen, von die&#x017F;er Erde, auf der &#x017F;ich der<lb/>
Gei&#x017F;t der Freiheit und der Liebe auf&#x2019;s Neue offenbart<lb/>
hatte.</p><lb/>
        <p>Suschen war ern&#x017F;t geworden und &#x017F;agte zu Laura:<lb/>
&#x201E;Jch weiß nicht, mir ward ganz graulich zu Muthe, wie<lb/>
&#x017F;o das Ungethu&#x0364;m daher ge&#x017F;au&#x017F;t kam und dann plo&#x0364;tzlich<lb/>
wieder ver&#x017F;chand und Alles mit Eins vorbei war &#x2014; das<lb/>
war eine Ha&#x017F;t, ein Laufen, mir ward ganz drehend da-<lb/>
bei und ich dachte &#x201E;am Ende geht nun alles im Leben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chnell &#x2014; auch &#x017F;o &#x017F;chnell voru&#x0364;ber &#x2014; da &#x017F;ei doch<lb/>
Gott vor!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Eh&#x2019; noch Laura geantwortet hatte, war un&#x017F;er Schul-<lb/>
mei&#x017F;ter hinzugetreten, de&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;icht von lauter Freude<lb/>
und Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit &#x017F;trahlte und antwortete jetzt auf<lb/>
Suschens Rede: &#x201E;Was thuts auch, wenn nun Alles<lb/>
im Leben ein Wenig &#x017F;chneller geht? auch das, daß<lb/>
man &#x017F;ich gut wird und lieb gewinnt und ver&#x017F;teht? &#x2014;<lb/>
voru&#x0364;ber brauchts deshalb ja nicht &#x017F;o &#x017F;chnell zu &#x017F;ein!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0037] fuͤhren. Der Greis hatte jetzt einen Blick und einen Schritt in die große Zeit gethan — er war zu alt, ihr noch dienen zu koͤnnen, aber er hatte ihren Anbruch doch noch begruͤßen duͤrfen — nun blieb ihm kein Wunſch mehr uͤbrig, er hatte das groͤßte erlebt, was ihm noch vorbehalten geweſen und wonach er ſich unbewußt ge- ſehnt — nun konnte der Tod kommen und ihn von der Erde nehmen, von dieſer Erde, auf der ſich der Geiſt der Freiheit und der Liebe auf’s Neue offenbart hatte. Suschen war ernſt geworden und ſagte zu Laura: „Jch weiß nicht, mir ward ganz graulich zu Muthe, wie ſo das Ungethuͤm daher geſauſt kam und dann ploͤtzlich wieder verſchand und Alles mit Eins vorbei war — das war eine Haſt, ein Laufen, mir ward ganz drehend da- bei und ich dachte „am Ende geht nun alles im Leben ſo ſchnell — auch ſo ſchnell voruͤber — da ſei doch Gott vor!“ Eh’ noch Laura geantwortet hatte, war unſer Schul- meiſter hinzugetreten, deſſen Geſicht von lauter Freude und Gluͤckſeligkeit ſtrahlte und antwortete jetzt auf Suschens Rede: „Was thuts auch, wenn nun Alles im Leben ein Wenig ſchneller geht? auch das, daß man ſich gut wird und lieb gewinnt und verſteht? — voruͤber brauchts deshalb ja nicht ſo ſchnell zu ſein!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/37
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/37>, abgerufen am 18.12.2024.