könnte Etwas für mich empfinden -- aber dann, dann war es vorbei, hat denn Suschen den Johannes nicht lieber? --
Sie sagte wieder Nichts. Sie nahm ihre Hand von ihm weg, blickte auf die Kranke, die ganz still lag und dann erst begann sie: "Mutter Eva liegt ganz stille -- geht nun nach Hause, wenn Jhr mich lieb habt -- und sagt's dem Herrn Pfarr', daß er morgen den Gang thut für Mutter Eva und Johannes." --
Er wollte nicht weiter in sie dringen -- er ahnte jetzt endlich sein Glück, daß Suschen ihm doch gut sein müsse aus Allem was sie sagte und wie sie's sagte und auch zumeist aus dem, was sie nicht sagte. "Jch gehe jetzt," flüsterte er, "und sag' es beim Frühesten dem Pfar- rer. Gute Nacht, mein Suschen!" er drückte ihr noch einmal zärtlich die Hand wie noch nie und ging leise auf den Zehen zur Thür hinaus und behutsam die Stiege hinunter, damit er kein Geräusch mache. Er wußte selbst gar nicht, wie ihm war -- als sei er seit lange, lange nicht so selig und ruhig im Herzen gewesen, wie eben heute -- und doch kam er von einem Sterbebette, doch war sein liebster Freund gefangen, doch war auf einmal von einem Gewaltstreich an einem Abend Al- les, Alles zertrümmert, was er im Dorf so lange mühsam aufgebaut; zwar wußt' er, daß seine Feinde jetzt thätiger
koͤnnte Etwas fuͤr mich empfinden — aber dann, dann war es vorbei, hat denn Suschen den Johannes nicht lieber? —
Sie ſagte wieder Nichts. Sie nahm ihre Hand von ihm weg, blickte auf die Kranke, die ganz ſtill lag und dann erſt begann ſie: „Mutter Eva liegt ganz ſtille — geht nun nach Hauſe, wenn Jhr mich lieb habt — und ſagt’s dem Herrn Pfarr’, daß er morgen den Gang thut fuͤr Mutter Eva und Johannes.“ —
Er wollte nicht weiter in ſie dringen — er ahnte jetzt endlich ſein Gluͤck, daß Suschen ihm doch gut ſein muͤſſe aus Allem was ſie ſagte und wie ſie’s ſagte und auch zumeiſt aus dem, was ſie nicht ſagte. „Jch gehe jetzt,“ fluͤſterte er, „und ſag’ es beim Fruͤheſten dem Pfar- rer. Gute Nacht, mein Suschen!“ er druͤckte ihr noch einmal zaͤrtlich die Hand wie noch nie und ging leiſe auf den Zehen zur Thuͤr hinaus und behutſam die Stiege hinunter, damit er kein Geraͤuſch mache. Er wußte ſelbſt gar nicht, wie ihm war — als ſei er ſeit lange, lange nicht ſo ſelig und ruhig im Herzen geweſen, wie eben heute — und doch kam er von einem Sterbebette, doch war ſein liebſter Freund gefangen, doch war auf einmal von einem Gewaltſtreich an einem Abend Al- les, Alles zertruͤmmert, was er im Dorf ſo lange muͤhſam aufgebaut; zwar wußt’ er, daß ſeine Feinde jetzt thaͤtiger
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koͤnnte Etwas fuͤr mich empfinden — aber dann, dann
war es vorbei, hat denn Suschen den Johannes nicht
lieber? —
Sie ſagte wieder Nichts. Sie nahm ihre Hand von
ihm weg, blickte auf die Kranke, die ganz ſtill lag und
dann erſt begann ſie: „Mutter Eva liegt ganz ſtille —
geht nun nach Hauſe, wenn Jhr mich lieb habt — und
ſagt’s dem Herrn Pfarr’, daß er morgen den Gang thut
fuͤr Mutter Eva und Johannes.“ —
Er wollte nicht weiter in ſie dringen — er ahnte
jetzt endlich ſein Gluͤck, daß Suschen ihm doch gut ſein
muͤſſe aus Allem was ſie ſagte und wie ſie’s ſagte und
auch zumeiſt aus dem, was ſie nicht ſagte. „Jch gehe
jetzt,“ fluͤſterte er, „und ſag’ es beim Fruͤheſten dem Pfar-
rer. Gute Nacht, mein Suschen!“ er druͤckte ihr noch
einmal zaͤrtlich die Hand wie noch nie und ging leiſe
auf den Zehen zur Thuͤr hinaus und behutſam die Stiege
hinunter, damit er kein Geraͤuſch mache. Er wußte ſelbſt
gar nicht, wie ihm war — als ſei er ſeit lange,
lange nicht ſo ſelig und ruhig im Herzen geweſen, wie
eben heute — und doch kam er von einem Sterbebette,
doch war ſein liebſter Freund gefangen, doch war auf
einmal von einem Gewaltſtreich an einem Abend Al-
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aufgebaut; zwar wußt’ er, daß ſeine Feinde jetzt thaͤtiger
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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