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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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Weise habe eine "freie Nacht" geben lassen und man ihm
diese, gewiß als gehalten, anrechnen werde. Christlieb
und sein Anhang hatten zwar versucht, den Tanz dennoch zu
beginnen -- aber nicht nur, daß sie weiter keine Mittänzer
hatten -- auch die Tänzerinnen flohen fort -- es mochte
kein Mädchen an demselben Tage fröhlich sein und tan-
zen, an dem etwas so Schreckliches geschehen war wie
dieses, daß man den guten Johannes eingesteckt und der
häßliche Gensdarme ihn mit so barschen Worten aus ihrer
Mitte gerissen hatte. Was konnte es nur sein, daß er sollte
verbrochen haben? fragten Alle einander im ganzen Dorfe
hin und her. -- Niemand konnte ihm etwas Unrechtes,
geschweige denn etwas Böses zutrauen -- und doch war
er eben vor Aller Augen wie ein ganz gemeiner Ver-
brecher verhaftet worden -- gerade so war man mit ihm
verfahren wie vor einem halben Jahr auch am hellen
lichten Sonntag mit des Richters Knecht, der seinen gu-
ten Herrn auf alle Art und Weise, zuletzt aber auch mit
Geld bestohlen gehabt hatte. Da war es denn heraus-
gekommen, ehe er es geahnt und er war plötzlich auch
von dem Gensdarmen aus der Schenke geholt worden, um
von da an seiner Seite in's "Loch zu spazieren", wie
sie's nannten. Aber Johannes? Was hatte denn der
verbrochen? Wie konnte man ihn denn so mir Nichts
dir Nichts hinwegholen und einsperren? Und nun das

Weiſe habe eine „freie Nacht“ geben laſſen und man ihm
dieſe, gewiß als gehalten, anrechnen werde. Chriſtlieb
und ſein Anhang hatten zwar verſucht, den Tanz dennoch zu
beginnen — aber nicht nur, daß ſie weiter keine Mittaͤnzer
hatten — auch die Taͤnzerinnen flohen fort — es mochte
kein Maͤdchen an demſelben Tage froͤhlich ſein und tan-
zen, an dem etwas ſo Schreckliches geſchehen war wie
dieſes, daß man den guten Johannes eingeſteckt und der
haͤßliche Gensdarme ihn mit ſo barſchen Worten aus ihrer
Mitte geriſſen hatte. Was konnte es nur ſein, daß er ſollte
verbrochen haben? fragten Alle einander im ganzen Dorfe
hin und her. — Niemand konnte ihm etwas Unrechtes,
geſchweige denn etwas Boͤſes zutrauen — und doch war
er eben vor Aller Augen wie ein ganz gemeiner Ver-
brecher verhaftet worden — gerade ſo war man mit ihm
verfahren wie vor einem halben Jahr auch am hellen
lichten Sonntag mit des Richters Knecht, der ſeinen gu-
ten Herrn auf alle Art und Weiſe, zuletzt aber auch mit
Geld beſtohlen gehabt hatte. Da war es denn heraus-
gekommen, ehe er es geahnt und er war ploͤtzlich auch
von dem Gensdarmen aus der Schenke geholt worden, um
von da an ſeiner Seite in’s „Loch zu ſpazieren“, wie
ſie’s nannten. Aber Johannes? Was hatte denn der
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[282/0290] Weiſe habe eine „freie Nacht“ geben laſſen und man ihm dieſe, gewiß als gehalten, anrechnen werde. Chriſtlieb und ſein Anhang hatten zwar verſucht, den Tanz dennoch zu beginnen — aber nicht nur, daß ſie weiter keine Mittaͤnzer hatten — auch die Taͤnzerinnen flohen fort — es mochte kein Maͤdchen an demſelben Tage froͤhlich ſein und tan- zen, an dem etwas ſo Schreckliches geſchehen war wie dieſes, daß man den guten Johannes eingeſteckt und der haͤßliche Gensdarme ihn mit ſo barſchen Worten aus ihrer Mitte geriſſen hatte. Was konnte es nur ſein, daß er ſollte verbrochen haben? fragten Alle einander im ganzen Dorfe hin und her. — Niemand konnte ihm etwas Unrechtes, geſchweige denn etwas Boͤſes zutrauen — und doch war er eben vor Aller Augen wie ein ganz gemeiner Ver- brecher verhaftet worden — gerade ſo war man mit ihm verfahren wie vor einem halben Jahr auch am hellen lichten Sonntag mit des Richters Knecht, der ſeinen gu- ten Herrn auf alle Art und Weiſe, zuletzt aber auch mit Geld beſtohlen gehabt hatte. Da war es denn heraus- gekommen, ehe er es geahnt und er war ploͤtzlich auch von dem Gensdarmen aus der Schenke geholt worden, um von da an ſeiner Seite in’s „Loch zu ſpazieren“, wie ſie’s nannten. Aber Johannes? Was hatte denn der verbrochen? Wie konnte man ihn denn ſo mir Nichts dir Nichts hinwegholen und einſperren? Und nun das

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/290>, abgerufen am 22.11.2024.