Christlieb antwortete: "Martin wollte sie immer in die Schenke führen und im Schnaps ihnen gehörig zu- sprechen, daß sie sich Muth tränken und um so rauflu- stiger würden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth möchte Unrath merken, der hat immer eine ewige Angst vor al- len Prügeleien und ist zudem jetzt gar dem Johannes ge- wogen -- so traktirt Martin die Leute auf seiner Stube, natürlich mit einem Schnaps. -- Uebrigens jetzt, wo sie nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr nöthig, Euch in einen Winkel zu verkriechen, damit sie sich unbeobach- tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit- ten unter sie und schaut ihnen zu, daß sie's recht merken, sie stehen unter Eurer Aufsicht, das ärgert die Großmäu- ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Mensch Etwas zu befehlen, am meisten.
Der Gensdarme nickte beifällig zu diesem Rath, schritt gravitätisch auf die Turner zu und stellte sich mit in ein- andergeschlagenen Armen und gespreizten Beinen vor sie hin, recht als wären die jungen Männer ungezogene Bu- ben, wo er aufpassen müsse, daß sie keine Dummheiten machten.
Einige von den Turnern wollten, darüber aufgebracht, theils ernste, theils spöttische Worte an den selbstgefälli- gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih- nen, indem er sagte: "Warum wollen wir den Leuten
Chriſtlieb antwortete: „Martin wollte ſie immer in die Schenke fuͤhren und im Schnaps ihnen gehoͤrig zu- ſprechen, daß ſie ſich Muth traͤnken und um ſo rauflu- ſtiger wuͤrden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth moͤchte Unrath merken, der hat immer eine ewige Angſt vor al- len Pruͤgeleien und iſt zudem jetzt gar dem Johannes ge- wogen — ſo traktirt Martin die Leute auf ſeiner Stube, natuͤrlich mit einem Schnaps. — Uebrigens jetzt, wo ſie nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr noͤthig, Euch in einen Winkel zu verkriechen, damit ſie ſich unbeobach- tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit- ten unter ſie und ſchaut ihnen zu, daß ſie’s recht merken, ſie ſtehen unter Eurer Aufſicht, das aͤrgert die Großmaͤu- ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Menſch Etwas zu befehlen, am meiſten.
Der Gensdarme nickte beifaͤllig zu dieſem Rath, ſchritt gravitaͤtiſch auf die Turner zu und ſtellte ſich mit in ein- andergeſchlagenen Armen und geſpreizten Beinen vor ſie hin, recht als waͤren die jungen Maͤnner ungezogene Bu- ben, wo er aufpaſſen muͤſſe, daß ſie keine Dummheiten machten.
Einige von den Turnern wollten, daruͤber aufgebracht, theils ernſte, theils ſpoͤttiſche Worte an den ſelbſtgefaͤlli- gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih- nen, indem er ſagte: „Warum wollen wir den Leuten
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0278"n="270"/><p>Chriſtlieb antwortete: „Martin wollte ſie immer in<lb/>
die Schenke fuͤhren und im Schnaps ihnen gehoͤrig zu-<lb/>ſprechen, daß ſie ſich Muth traͤnken und um ſo rauflu-<lb/>ſtiger wuͤrden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth moͤchte<lb/>
Unrath merken, der hat immer eine ewige Angſt vor al-<lb/>
len Pruͤgeleien und iſt zudem jetzt gar dem Johannes ge-<lb/>
wogen —ſo traktirt Martin die Leute auf ſeiner Stube,<lb/>
natuͤrlich mit einem Schnaps. — Uebrigens jetzt, wo ſie<lb/>
nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr noͤthig, Euch in<lb/>
einen Winkel zu verkriechen, damit ſie ſich unbeobach-<lb/>
tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit-<lb/>
ten unter ſie und ſchaut ihnen zu, daß ſie’s recht merken,<lb/>ſie ſtehen unter Eurer Aufſicht, das aͤrgert die Großmaͤu-<lb/>
ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Menſch<lb/>
Etwas zu befehlen, am meiſten.</p><lb/><p>Der Gensdarme nickte beifaͤllig zu dieſem Rath, ſchritt<lb/>
gravitaͤtiſch auf die Turner zu und ſtellte ſich mit in ein-<lb/>
andergeſchlagenen Armen und geſpreizten Beinen vor ſie<lb/>
hin, recht als waͤren die jungen Maͤnner ungezogene Bu-<lb/>
ben, wo er aufpaſſen muͤſſe, daß ſie keine Dummheiten<lb/>
machten.</p><lb/><p>Einige von den Turnern wollten, daruͤber aufgebracht,<lb/>
theils ernſte, theils ſpoͤttiſche Worte an den ſelbſtgefaͤlli-<lb/>
gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih-<lb/>
nen, indem er ſagte: „Warum wollen wir den Leuten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[270/0278]
Chriſtlieb antwortete: „Martin wollte ſie immer in
die Schenke fuͤhren und im Schnaps ihnen gehoͤrig zu-
ſprechen, daß ſie ſich Muth traͤnken und um ſo rauflu-
ſtiger wuͤrden. Jch dachte aber, der Schenkenwirth moͤchte
Unrath merken, der hat immer eine ewige Angſt vor al-
len Pruͤgeleien und iſt zudem jetzt gar dem Johannes ge-
wogen — ſo traktirt Martin die Leute auf ſeiner Stube,
natuͤrlich mit einem Schnaps. — Uebrigens jetzt, wo ſie
nicht mehr reden, habt Jhr nicht mehr noͤthig, Euch in
einen Winkel zu verkriechen, damit ſie ſich unbeobach-
tet glauben. Stellt Euch jetzt nur recht breit hin, mit-
ten unter ſie und ſchaut ihnen zu, daß ſie’s recht merken,
ſie ſtehen unter Eurer Aufſicht, das aͤrgert die Großmaͤu-
ler, die immer thun wollen, als habe ihnen kein Menſch
Etwas zu befehlen, am meiſten.
Der Gensdarme nickte beifaͤllig zu dieſem Rath, ſchritt
gravitaͤtiſch auf die Turner zu und ſtellte ſich mit in ein-
andergeſchlagenen Armen und geſpreizten Beinen vor ſie
hin, recht als waͤren die jungen Maͤnner ungezogene Bu-
ben, wo er aufpaſſen muͤſſe, daß ſie keine Dummheiten
machten.
Einige von den Turnern wollten, daruͤber aufgebracht,
theils ernſte, theils ſpoͤttiſche Worte an den ſelbſtgefaͤlli-
gen Gensdarmen richten, aber Johannes verwies es ih-
nen, indem er ſagte: „Warum wollen wir den Leuten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/278>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.