bewegten Stimme, der man die innere tiefe Rührung an- merkte, antwortete er: "Jch dank' Euch meine Brüder für so viel Liebe und Güte -- ich will mich bestreben, immer derselben werth zu bleiben. Wenn ich hier und jetzt nicht zu Euch rede, wie ich gern möchte, so denkt an das, was der Sprecher vor mir gesagt: die Rede ist nicht frei! Lasset uns aber aushalten, bis wir doch aus dem Egypten der Unfreiheit in das Kanaan der Freiheit ge- langen. Wir Bauern werden und müssen, wie die Städter, nicht aufhören, nach dem Reiche Gottes auf Erden -- nach dem Reiche der Freiheit zu trachten, so wird uns das Andre Alles von selbst zufallen. Und nun meine Brüder! frisch auf! lasset in kühnen Spielen un- sern Körper uns kräftigen, damit wir, das junge Geschlecht, uns in Stärke und Muth unsern alten Vorfahren, den freien Germanen, würdig zeigen!"
Die Turner liefen nun zu ihren Stangen und Reck, dem Zweck ihrer Zusammenkunft zu genügen.
Der Gensdarme flüsterte Christlieb zu: "Jch dachte, er würde mehr sprechen!"
Christlieb kaute mißvergnügt an den Nägeln. "Jch dachte es auch -- aber es schadet Nichts, man kann es drum anzeigen -- und die Kerle, die ich bestellt habe, werden schon am Abend das Jhrige thun."
"Wo sind sie denn jetzt?" fragte der Gensdarme.
bewegten Stimme, der man die innere tiefe Ruͤhrung an- merkte, antwortete er: „Jch dank’ Euch meine Bruͤder fuͤr ſo viel Liebe und Guͤte — ich will mich beſtreben, immer derſelben werth zu bleiben. Wenn ich hier und jetzt nicht zu Euch rede, wie ich gern moͤchte, ſo denkt an das, was der Sprecher vor mir geſagt: die Rede iſt nicht frei! Laſſet uns aber aushalten, bis wir doch aus dem Egypten der Unfreiheit in das Kanaan der Freiheit ge- langen. Wir Bauern werden und muͤſſen, wie die Staͤdter, nicht aufhoͤren, nach dem Reiche Gottes auf Erden — nach dem Reiche der Freiheit zu trachten, ſo wird uns das Andre Alles von ſelbſt zufallen. Und nun meine Bruͤder! friſch auf! laſſet in kuͤhnen Spielen un- ſern Koͤrper uns kraͤftigen, damit wir, das junge Geſchlecht, uns in Staͤrke und Muth unſern alten Vorfahren, den freien Germanen, wuͤrdig zeigen!“
Die Turner liefen nun zu ihren Stangen und Reck, dem Zweck ihrer Zuſammenkunft zu genuͤgen.
Der Gensdarme fluͤſterte Chriſtlieb zu: „Jch dachte, er wuͤrde mehr ſprechen!“
Chriſtlieb kaute mißvergnuͤgt an den Naͤgeln. „Jch dachte es auch — aber es ſchadet Nichts, man kann es drum anzeigen — und die Kerle, die ich beſtellt habe, werden ſchon am Abend das Jhrige thun.“
„Wo ſind ſie denn jetzt?“ fragte der Gensdarme.
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bewegten Stimme, der man die innere tiefe Ruͤhrung an-
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fuͤr ſo viel Liebe und Guͤte — ich will mich beſtreben,
immer derſelben werth zu bleiben. Wenn ich hier und
jetzt nicht zu Euch rede, wie ich gern moͤchte, ſo denkt an
das, was der Sprecher vor mir geſagt: die Rede iſt nicht
frei! Laſſet uns aber aushalten, bis wir doch aus dem
Egypten der Unfreiheit in das Kanaan der Freiheit ge-
langen. Wir Bauern werden und muͤſſen, wie die
Staͤdter, nicht aufhoͤren, nach dem Reiche Gottes auf
Erden — nach dem Reiche der Freiheit zu trachten, ſo
wird uns das Andre Alles von ſelbſt zufallen. Und nun
meine Bruͤder! friſch auf! laſſet in kuͤhnen Spielen un-
ſern Koͤrper uns kraͤftigen, damit wir, das junge Geſchlecht,
uns in Staͤrke und Muth unſern alten Vorfahren, den
freien Germanen, wuͤrdig zeigen!“
Die Turner liefen nun zu ihren Stangen und Reck,
dem Zweck ihrer Zuſammenkunft zu genuͤgen.
Der Gensdarme fluͤſterte Chriſtlieb zu: „Jch dachte, er
wuͤrde mehr ſprechen!“
Chriſtlieb kaute mißvergnuͤgt an den Naͤgeln. „Jch
dachte es auch — aber es ſchadet Nichts, man kann es
drum anzeigen — und die Kerle, die ich beſtellt habe,
werden ſchon am Abend das Jhrige thun.“
„Wo ſind ſie denn jetzt?“ fragte der Gensdarme.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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