Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

haben und redest so kühn und frei heraus, wie es ein-
mal nicht sein soll und Nichts nützt -- Du wirst Dich
noch selbst in's Unglück hineinreden -- Johannes, denke
an Deine Mutter! -- Sie ängstigt sich zu allermeist
um Dich und hat es nicht umsonst gesagt: "wie die Kin-
der groß werden, so wachsen die Sorgen auch mit groß!"
Ja, denke an Deine Mutter -- ihr zu Lieb' bist Du
hergekommen, lass' es nicht zu ihrem Schmerz, zu ihrem
Unglück geschehen sein!"

"Meine Mutter!" rief Johannes und versank gerührt
in ein langes Schweigen.

Der Pfarrer bemerkte den Eindruck, welchen seine Erin-
nerung an die Mutter auf Johannes gemacht hatte.
Der Pfarrer war eben nur auf Johannes Bestes bedacht,
er sah Schlimmes für ihn in der Zukunft, er wollte
dem vorbeugen und seinen jungen Freund durch War-
nungen und Verwahrungen schützen -- jetzt erkannte er,
wodurch er am Besten auf ihn wirken könne; so beschloß
er, selbst kein Wort weiter an Johannes zu verlieren,
aber mit seiner Mutter über ihn zu sprechen.

Johannes schüttelte seine goldnen Locken aus den
blauen Augen, auf die sie gefallen waren, als er seinen
Kopf gesenkt hatte und wiederholte noch einmal: "Meine
Mutter
!" aber weiter sagte er Nichts.

Die Pfarrerin war während dieser letzten Worte eben

haben und redeſt ſo kuͤhn und frei heraus, wie es ein-
mal nicht ſein ſoll und Nichts nuͤtzt — Du wirſt Dich
noch ſelbſt in’s Ungluͤck hineinreden — Johannes, denke
an Deine Mutter! — Sie aͤngſtigt ſich zu allermeiſt
um Dich und hat es nicht umſonſt geſagt: „wie die Kin-
der groß werden, ſo wachſen die Sorgen auch mit groß!“
Ja, denke an Deine Mutter — ihr zu Lieb’ biſt Du
hergekommen, laſſ’ es nicht zu ihrem Schmerz, zu ihrem
Ungluͤck geſchehen ſein!“

„Meine Mutter!“ rief Johannes und verſank geruͤhrt
in ein langes Schweigen.

Der Pfarrer bemerkte den Eindruck, welchen ſeine Erin-
nerung an die Mutter auf Johannes gemacht hatte.
Der Pfarrer war eben nur auf Johannes Beſtes bedacht,
er ſah Schlimmes fuͤr ihn in der Zukunft, er wollte
dem vorbeugen und ſeinen jungen Freund durch War-
nungen und Verwahrungen ſchuͤtzen — jetzt erkannte er,
wodurch er am Beſten auf ihn wirken koͤnne; ſo beſchloß
er, ſelbſt kein Wort weiter an Johannes zu verlieren,
aber mit ſeiner Mutter uͤber ihn zu ſprechen.

Johannes ſchuͤttelte ſeine goldnen Locken aus den
blauen Augen, auf die ſie gefallen waren, als er ſeinen
Kopf geſenkt hatte und wiederholte noch einmal: „Meine
Mutter
!“ aber weiter ſagte er Nichts.

Die Pfarrerin war waͤhrend dieſer letzten Worte eben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0245" n="237"/>
haben und rede&#x017F;t &#x017F;o ku&#x0364;hn und frei heraus, wie es ein-<lb/>
mal nicht &#x017F;ein &#x017F;oll und Nichts nu&#x0364;tzt &#x2014; Du wir&#x017F;t Dich<lb/>
noch &#x017F;elb&#x017F;t in&#x2019;s Unglu&#x0364;ck hineinreden &#x2014; Johannes, denke<lb/>
an Deine Mutter! &#x2014; Sie a&#x0364;ng&#x017F;tigt &#x017F;ich zu allermei&#x017F;t<lb/>
um Dich und hat es nicht um&#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;agt: &#x201E;wie die Kin-<lb/>
der groß werden, &#x017F;o wach&#x017F;en die Sorgen auch mit groß!&#x201C;<lb/>
Ja, denke an Deine Mutter &#x2014; ihr zu Lieb&#x2019; bi&#x017F;t Du<lb/>
hergekommen, la&#x017F;&#x017F;&#x2019; es nicht zu ihrem Schmerz, zu ihrem<lb/>
Unglu&#x0364;ck ge&#x017F;chehen &#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Mutter!&#x201C; rief Johannes und ver&#x017F;ank geru&#x0364;hrt<lb/>
in ein langes Schweigen.</p><lb/>
        <p>Der Pfarrer bemerkte den Eindruck, welchen &#x017F;eine Erin-<lb/>
nerung an die Mutter auf Johannes gemacht hatte.<lb/>
Der Pfarrer war eben nur auf Johannes Be&#x017F;tes bedacht,<lb/>
er &#x017F;ah Schlimmes fu&#x0364;r ihn in der Zukunft, er wollte<lb/>
dem vorbeugen und &#x017F;einen jungen Freund durch War-<lb/>
nungen und Verwahrungen &#x017F;chu&#x0364;tzen &#x2014; jetzt erkannte er,<lb/>
wodurch er am Be&#x017F;ten auf ihn wirken ko&#x0364;nne; &#x017F;o be&#x017F;chloß<lb/>
er, &#x017F;elb&#x017F;t kein Wort weiter an Johannes zu verlieren,<lb/>
aber mit &#x017F;einer Mutter u&#x0364;ber ihn zu &#x017F;prechen.</p><lb/>
        <p>Johannes &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;eine goldnen Locken aus den<lb/>
blauen Augen, auf die &#x017F;ie gefallen waren, als er &#x017F;einen<lb/>
Kopf ge&#x017F;enkt hatte und wiederholte noch einmal: &#x201E;<hi rendition="#g">Meine<lb/>
Mutter</hi>!&#x201C; aber weiter &#x017F;agte er Nichts.</p><lb/>
        <p>Die Pfarrerin war wa&#x0364;hrend die&#x017F;er letzten Worte eben<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0245] haben und redeſt ſo kuͤhn und frei heraus, wie es ein- mal nicht ſein ſoll und Nichts nuͤtzt — Du wirſt Dich noch ſelbſt in’s Ungluͤck hineinreden — Johannes, denke an Deine Mutter! — Sie aͤngſtigt ſich zu allermeiſt um Dich und hat es nicht umſonſt geſagt: „wie die Kin- der groß werden, ſo wachſen die Sorgen auch mit groß!“ Ja, denke an Deine Mutter — ihr zu Lieb’ biſt Du hergekommen, laſſ’ es nicht zu ihrem Schmerz, zu ihrem Ungluͤck geſchehen ſein!“ „Meine Mutter!“ rief Johannes und verſank geruͤhrt in ein langes Schweigen. Der Pfarrer bemerkte den Eindruck, welchen ſeine Erin- nerung an die Mutter auf Johannes gemacht hatte. Der Pfarrer war eben nur auf Johannes Beſtes bedacht, er ſah Schlimmes fuͤr ihn in der Zukunft, er wollte dem vorbeugen und ſeinen jungen Freund durch War- nungen und Verwahrungen ſchuͤtzen — jetzt erkannte er, wodurch er am Beſten auf ihn wirken koͤnne; ſo beſchloß er, ſelbſt kein Wort weiter an Johannes zu verlieren, aber mit ſeiner Mutter uͤber ihn zu ſprechen. Johannes ſchuͤttelte ſeine goldnen Locken aus den blauen Augen, auf die ſie gefallen waren, als er ſeinen Kopf geſenkt hatte und wiederholte noch einmal: „Meine Mutter!“ aber weiter ſagte er Nichts. Die Pfarrerin war waͤhrend dieſer letzten Worte eben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/245
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/245>, abgerufen am 23.11.2024.