immer eins größer und blitzender als das andere. Drun- ten im duftigen Gras und Heu konnten die Heimchen das Zirpen immer noch nicht lassen, es war ein Musici- ren, als säße unter jedem Halm solch ein kleiner Musi- kante -- und dann kamen sie auch hervorgehüpft, hin und wieder in großen Bogen sich schnellend, als wollten sie heute gar nicht zur Ruhe kommen. Leuchtende Jo- hanniswürmchen flogen in den Büschen auf, wie sprü- hende Goldfunken. Zu ganzen Schaaren saßen sie auf den üppiggrünenden Weidengeflechten am Bach, als sei es ihre Pflicht, zum heiligen Johannisfest die ganze Flur zu illuminiren. Die Vögelchen waren allgemach zur Ruhe gegangen und hatten in den dichten Bäumen sich die dunkelsten Plätzchen zum Schlafen ausgesucht. Nur ein paar zärtliche Nachtigallen konnten und wollten noch nicht schlafen, sie riefen einander seufzende Liebesgrüße zu, in sanften Tönen klagend. Wer sie so schlagen hörte, dem ward ganz schwül um's Herz, er wußte selbst nicht warum.
Solch ein wonnevoller Abend war's, als Johannes sein rothes Fähnlein hoch wehen ließ und, indeß die Tur- ner zum Abmarsch riefen, damit den Andern das Zeichen gab, ihm nun zu folgen. Die Musik war verstummt und der Tanz hatte aufgehört. Jetzt aber mußten die Musikanten einen muthigen Marsch aufspielen. Die
immer eins groͤßer und blitzender als das andere. Drun- ten im duftigen Gras und Heu konnten die Heimchen das Zirpen immer noch nicht laſſen, es war ein Muſici- ren, als ſaͤße unter jedem Halm ſolch ein kleiner Muſi- kante — und dann kamen ſie auch hervorgehuͤpft, hin und wieder in großen Bogen ſich ſchnellend, als wollten ſie heute gar nicht zur Ruhe kommen. Leuchtende Jo- hanniswuͤrmchen flogen in den Buͤſchen auf, wie ſpruͤ- hende Goldfunken. Zu ganzen Schaaren ſaßen ſie auf den uͤppiggruͤnenden Weidengeflechten am Bach, als ſei es ihre Pflicht, zum heiligen Johannisfeſt die ganze Flur zu illuminiren. Die Voͤgelchen waren allgemach zur Ruhe gegangen und hatten in den dichten Baͤumen ſich die dunkelſten Plaͤtzchen zum Schlafen ausgeſucht. Nur ein paar zaͤrtliche Nachtigallen konnten und wollten noch nicht ſchlafen, ſie riefen einander ſeufzende Liebesgruͤße zu, in ſanften Toͤnen klagend. Wer ſie ſo ſchlagen hoͤrte, dem ward ganz ſchwuͤl um’s Herz, er wußte ſelbſt nicht warum.
Solch ein wonnevoller Abend war’s, als Johannes ſein rothes Faͤhnlein hoch wehen ließ und, indeß die Tur- ner zum Abmarſch riefen, damit den Andern das Zeichen gab, ihm nun zu folgen. Die Muſik war verſtummt und der Tanz hatte aufgehoͤrt. Jetzt aber mußten die Muſikanten einen muthigen Marſch aufſpielen. Die
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immer eins groͤßer und blitzender als das andere. Drun-
ten im duftigen Gras und Heu konnten die Heimchen
das Zirpen immer noch nicht laſſen, es war ein Muſici-
ren, als ſaͤße unter jedem Halm ſolch ein kleiner Muſi-
kante — und dann kamen ſie auch hervorgehuͤpft, hin
und wieder in großen Bogen ſich ſchnellend, als wollten
ſie heute gar nicht zur Ruhe kommen. Leuchtende Jo-
hanniswuͤrmchen flogen in den Buͤſchen auf, wie ſpruͤ-
hende Goldfunken. Zu ganzen Schaaren ſaßen ſie auf
den uͤppiggruͤnenden Weidengeflechten am Bach, als ſei
es ihre Pflicht, zum heiligen Johannisfeſt die ganze
Flur zu illuminiren. Die Voͤgelchen waren allgemach
zur Ruhe gegangen und hatten in den dichten Baͤumen ſich
die dunkelſten Plaͤtzchen zum Schlafen ausgeſucht. Nur ein
paar zaͤrtliche Nachtigallen konnten und wollten noch
nicht ſchlafen, ſie riefen einander ſeufzende Liebesgruͤße zu,
in ſanften Toͤnen klagend. Wer ſie ſo ſchlagen hoͤrte,
dem ward ganz ſchwuͤl um’s Herz, er wußte ſelbſt nicht
warum.
Solch ein wonnevoller Abend war’s, als Johannes
ſein rothes Faͤhnlein hoch wehen ließ und, indeß die Tur-
ner zum Abmarſch riefen, damit den Andern das Zeichen
gab, ihm nun zu folgen. Die Muſik war verſtummt
und der Tanz hatte aufgehoͤrt. Jetzt aber mußten die
Muſikanten einen muthigen Marſch aufſpielen. Die
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/221>, abgerufen am 23.11.2024.
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