Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm mehr als einmal schmunzelnd auf die Schulter, da er
recht gut wußte, daß doch nur auf seine V[e]ranlassung die
Fremden hergekommen waren. Johannes achtete das
weiter nicht, nur einmal raunte er dem Wirth zu: "Nicht
wahr, ein andermal, Landsmann, urtheilt Jhr nich von
einer Sache in's Blaue hinein, wie der Blinde von der
Farbe, sondern wartet es erst hübsch ab, bis das Ding
vor Euch Gestalt gewonnen hat?"

Der Schenkenwirth zuckte die Achseln, lachte in sich
hinein und gab weiter keine Antwort.

Der Johannistag ist zwar fast der allerlängste Tag,
aber er neigt sich doch auch einmal zu Ende und muß
der Nacht weichen, wenn diese auch noch so kurz ist. --
Den ganzen Tag hatte die Sommersonne heiß und
sengend geschienen, nun aber war sie doch hinter den
Bergen hinabgegangen und die Erde strömte wohl-
thuend in feuchten Dünsten die empfangene Wärme in
die kühlende Abendluft aus. Starker Thau fiel beim
Sonnenuntergang, daß es von Weitem aussah, als fließe
und walle ein silberner Strom über alle Wiesen und
Felder. Der Himmel glühte wunderbar in Purpur und
Gold, bis allgemach dieser Glanz verlöschte und die Him-
melsluft, die erst einem Beet von Vergißmeinnicht gegli-
chen, jetzt in ein Feld dunkler Kornblumen sich umdunkelte.
Darin funkelten nach einander silberne Sternlein auf,

ihm mehr als einmal ſchmunzelnd auf die Schulter, da er
recht gut wußte, daß doch nur auf ſeine V[e]ranlaſſung die
Fremden hergekommen waren. Johannes achtete das
weiter nicht, nur einmal raunte er dem Wirth zu: „Nicht
wahr, ein andermal, Landsmann, urtheilt Jhr nich von
einer Sache in’s Blaue hinein, wie der Blinde von der
Farbe, ſondern wartet es erſt huͤbſch ab, bis das Ding
vor Euch Geſtalt gewonnen hat?“

Der Schenkenwirth zuckte die Achſeln, lachte in ſich
hinein und gab weiter keine Antwort.

Der Johannistag iſt zwar faſt der allerlaͤngſte Tag,
aber er neigt ſich doch auch einmal zu Ende und muß
der Nacht weichen, wenn dieſe auch noch ſo kurz iſt. —
Den ganzen Tag hatte die Sommerſonne heiß und
ſengend geſchienen, nun aber war ſie doch hinter den
Bergen hinabgegangen und die Erde ſtroͤmte wohl-
thuend in feuchten Duͤnſten die empfangene Waͤrme in
die kuͤhlende Abendluft aus. Starker Thau fiel beim
Sonnenuntergang, daß es von Weitem ausſah, als fließe
und walle ein ſilberner Strom uͤber alle Wieſen und
Felder. Der Himmel gluͤhte wunderbar in Purpur und
Gold, bis allgemach dieſer Glanz verloͤſchte und die Him-
melsluft, die erſt einem Beet von Vergißmeinnicht gegli-
chen, jetzt in ein Feld dunkler Kornblumen ſich umdunkelte.
Darin funkelten nach einander ſilberne Sternlein auf,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="212"/>
ihm mehr als einmal &#x017F;chmunzelnd auf die Schulter, da er<lb/>
recht gut wußte, daß doch nur auf &#x017F;eine V<supplied>e</supplied>ranla&#x017F;&#x017F;ung die<lb/>
Fremden hergekommen waren. Johannes achtete das<lb/>
weiter nicht, nur einmal raunte er dem Wirth zu: &#x201E;Nicht<lb/>
wahr, ein andermal, Landsmann, urtheilt Jhr nich von<lb/>
einer Sache in&#x2019;s Blaue hinein, wie der Blinde von der<lb/>
Farbe, &#x017F;ondern wartet es er&#x017F;t hu&#x0364;b&#x017F;ch ab, bis das Ding<lb/>
vor Euch Ge&#x017F;talt gewonnen hat?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Schenkenwirth zuckte die Ach&#x017F;eln, lachte in &#x017F;ich<lb/>
hinein und gab weiter keine Antwort.</p><lb/>
        <p>Der Johannistag i&#x017F;t zwar fa&#x017F;t der allerla&#x0364;ng&#x017F;te Tag,<lb/>
aber er neigt &#x017F;ich doch auch einmal zu Ende und muß<lb/>
der Nacht weichen, wenn die&#x017F;e auch noch &#x017F;o kurz i&#x017F;t. &#x2014;<lb/>
Den ganzen Tag hatte die Sommer&#x017F;onne heiß und<lb/>
&#x017F;engend ge&#x017F;chienen, nun aber war &#x017F;ie doch hinter den<lb/>
Bergen hinabgegangen und die Erde &#x017F;tro&#x0364;mte wohl-<lb/>
thuend in feuchten Du&#x0364;n&#x017F;ten die empfangene Wa&#x0364;rme in<lb/>
die ku&#x0364;hlende Abendluft aus. Starker Thau fiel beim<lb/>
Sonnenuntergang, daß es von Weitem aus&#x017F;ah, als fließe<lb/>
und walle ein &#x017F;ilberner Strom u&#x0364;ber alle Wie&#x017F;en und<lb/>
Felder. Der Himmel glu&#x0364;hte wunderbar in Purpur und<lb/>
Gold, bis allgemach die&#x017F;er Glanz verlo&#x0364;&#x017F;chte und die Him-<lb/>
melsluft, die er&#x017F;t einem Beet von Vergißmeinnicht gegli-<lb/>
chen, jetzt in ein Feld dunkler Kornblumen &#x017F;ich umdunkelte.<lb/>
Darin funkelten nach einander &#x017F;ilberne Sternlein auf,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0220] ihm mehr als einmal ſchmunzelnd auf die Schulter, da er recht gut wußte, daß doch nur auf ſeine Veranlaſſung die Fremden hergekommen waren. Johannes achtete das weiter nicht, nur einmal raunte er dem Wirth zu: „Nicht wahr, ein andermal, Landsmann, urtheilt Jhr nich von einer Sache in’s Blaue hinein, wie der Blinde von der Farbe, ſondern wartet es erſt huͤbſch ab, bis das Ding vor Euch Geſtalt gewonnen hat?“ Der Schenkenwirth zuckte die Achſeln, lachte in ſich hinein und gab weiter keine Antwort. Der Johannistag iſt zwar faſt der allerlaͤngſte Tag, aber er neigt ſich doch auch einmal zu Ende und muß der Nacht weichen, wenn dieſe auch noch ſo kurz iſt. — Den ganzen Tag hatte die Sommerſonne heiß und ſengend geſchienen, nun aber war ſie doch hinter den Bergen hinabgegangen und die Erde ſtroͤmte wohl- thuend in feuchten Duͤnſten die empfangene Waͤrme in die kuͤhlende Abendluft aus. Starker Thau fiel beim Sonnenuntergang, daß es von Weitem ausſah, als fließe und walle ein ſilberner Strom uͤber alle Wieſen und Felder. Der Himmel gluͤhte wunderbar in Purpur und Gold, bis allgemach dieſer Glanz verloͤſchte und die Him- melsluft, die erſt einem Beet von Vergißmeinnicht gegli- chen, jetzt in ein Feld dunkler Kornblumen ſich umdunkelte. Darin funkelten nach einander ſilberne Sternlein auf,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/220
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/220>, abgerufen am 23.11.2024.