Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

daselbst Alles hergerichtet hatten, denn der Herr Graf
hatte es ja befohlen, den ehemaligen Dorfjungen jetzt
wie den Herrn der Burg anzusehen und seinen Anord-
nungen zu gehorchen.

Wie nun Johannes sagte, es sei Alles fertig und die
Zimmerleute abgelohnt waren, so konnte sich unser Vogt
nun gar nicht denken, wie zwei Balken, die durch einen
Querbalken verbunden, frei in die Luft ragten, etwas
Fertiges sein konnten und als er sich endlich doch über-
wand zu fragen, was das eigentlich vorstelle? und die
Antwort bekam: ein Reck, so wußte er gerade so viel
wie erst, nämlich Nichts.

Johannes aber lief triumphirend zum Schulmeister
hinab und rief vergnügt: "Nun kommen Sie mit in den
Burggarten, nun können wir endlich turnen!"

Unser Schulmeister ging gleich mit ihm, denn er war
jetzt auf alles Neue, alles Fortschrittmäßige zumal, ganz
versessen. Er mußte Etwas haben, woran er sein Herz
hängen und sich zerstreuen konnte, da er jetzt im Jnnern
so unglücklich war, so krank vor Liebe. Er wich Sus-
chen aus so viel er konnte, aber daß es so wenig auffäl-
lig als möglich ward. Außerdem bracht' er ihren Na-
men nie mehr über seine Lippen, am Wenigsten gegen
Johannes. Der hatte auch immer so viel zu reden über
andere, höhere Dinge, daß auf die Mädchen das Gespräch

daſelbſt Alles hergerichtet hatten, denn der Herr Graf
hatte es ja befohlen, den ehemaligen Dorfjungen jetzt
wie den Herrn der Burg anzuſehen und ſeinen Anord-
nungen zu gehorchen.

Wie nun Johannes ſagte, es ſei Alles fertig und die
Zimmerleute abgelohnt waren, ſo konnte ſich unſer Vogt
nun gar nicht denken, wie zwei Balken, die durch einen
Querbalken verbunden, frei in die Luft ragten, etwas
Fertiges ſein konnten und als er ſich endlich doch uͤber-
wand zu fragen, was das eigentlich vorſtelle? und die
Antwort bekam: ein Reck, ſo wußte er gerade ſo viel
wie erſt, naͤmlich Nichts.

Johannes aber lief triumphirend zum Schulmeiſter
hinab und rief vergnuͤgt: „Nun kommen Sie mit in den
Burggarten, nun koͤnnen wir endlich turnen!

Unſer Schulmeiſter ging gleich mit ihm, denn er war
jetzt auf alles Neue, alles Fortſchrittmaͤßige zumal, ganz
verſeſſen. Er mußte Etwas haben, woran er ſein Herz
haͤngen und ſich zerſtreuen konnte, da er jetzt im Jnnern
ſo ungluͤcklich war, ſo krank vor Liebe. Er wich Sus-
chen aus ſo viel er konnte, aber daß es ſo wenig auffaͤl-
lig als moͤglich ward. Außerdem bracht’ er ihren Na-
men nie mehr uͤber ſeine Lippen, am Wenigſten gegen
Johannes. Der hatte auch immer ſo viel zu reden uͤber
andere, hoͤhere Dinge, daß auf die Maͤdchen das Geſpraͤch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="188"/>
da&#x017F;elb&#x017F;t Alles hergerichtet hatten, denn der Herr Graf<lb/>
hatte es ja befohlen, den ehemaligen Dorfjungen jetzt<lb/>
wie den Herrn der Burg anzu&#x017F;ehen und &#x017F;einen Anord-<lb/>
nungen zu gehorchen.</p><lb/>
        <p>Wie nun Johannes &#x017F;agte, es &#x017F;ei Alles fertig und die<lb/>
Zimmerleute abgelohnt waren, &#x017F;o konnte &#x017F;ich un&#x017F;er Vogt<lb/>
nun gar nicht denken, wie zwei Balken, die durch einen<lb/>
Querbalken verbunden, frei in die Luft ragten, etwas<lb/>
Fertiges &#x017F;ein konnten und als er &#x017F;ich endlich doch u&#x0364;ber-<lb/>
wand zu fragen, was das eigentlich vor&#x017F;telle? und die<lb/>
Antwort bekam: ein <hi rendition="#g">Reck,</hi> &#x017F;o wußte er gerade &#x017F;o viel<lb/>
wie er&#x017F;t, na&#x0364;mlich Nichts.</p><lb/>
        <p>Johannes aber lief triumphirend zum Schulmei&#x017F;ter<lb/>
hinab und rief vergnu&#x0364;gt: &#x201E;Nun kommen Sie mit in den<lb/>
Burggarten, nun ko&#x0364;nnen wir endlich <hi rendition="#g">turnen!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;er Schulmei&#x017F;ter ging gleich mit ihm, denn er war<lb/>
jetzt auf alles Neue, alles Fort&#x017F;chrittma&#x0364;ßige zumal, ganz<lb/>
ver&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en. Er mußte Etwas haben, woran er &#x017F;ein Herz<lb/>
ha&#x0364;ngen und &#x017F;ich zer&#x017F;treuen konnte, da er jetzt im Jnnern<lb/>
&#x017F;o unglu&#x0364;cklich war, &#x017F;o krank vor Liebe. Er wich Sus-<lb/>
chen aus &#x017F;o viel er konnte, aber daß es &#x017F;o wenig auffa&#x0364;l-<lb/>
lig als mo&#x0364;glich ward. Außerdem bracht&#x2019; er ihren Na-<lb/>
men nie mehr u&#x0364;ber &#x017F;eine Lippen, am Wenig&#x017F;ten gegen<lb/>
Johannes. Der hatte auch immer &#x017F;o viel zu reden u&#x0364;ber<lb/>
andere, ho&#x0364;here Dinge, daß auf die Ma&#x0364;dchen das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0196] daſelbſt Alles hergerichtet hatten, denn der Herr Graf hatte es ja befohlen, den ehemaligen Dorfjungen jetzt wie den Herrn der Burg anzuſehen und ſeinen Anord- nungen zu gehorchen. Wie nun Johannes ſagte, es ſei Alles fertig und die Zimmerleute abgelohnt waren, ſo konnte ſich unſer Vogt nun gar nicht denken, wie zwei Balken, die durch einen Querbalken verbunden, frei in die Luft ragten, etwas Fertiges ſein konnten und als er ſich endlich doch uͤber- wand zu fragen, was das eigentlich vorſtelle? und die Antwort bekam: ein Reck, ſo wußte er gerade ſo viel wie erſt, naͤmlich Nichts. Johannes aber lief triumphirend zum Schulmeiſter hinab und rief vergnuͤgt: „Nun kommen Sie mit in den Burggarten, nun koͤnnen wir endlich turnen!“ Unſer Schulmeiſter ging gleich mit ihm, denn er war jetzt auf alles Neue, alles Fortſchrittmaͤßige zumal, ganz verſeſſen. Er mußte Etwas haben, woran er ſein Herz haͤngen und ſich zerſtreuen konnte, da er jetzt im Jnnern ſo ungluͤcklich war, ſo krank vor Liebe. Er wich Sus- chen aus ſo viel er konnte, aber daß es ſo wenig auffaͤl- lig als moͤglich ward. Außerdem bracht’ er ihren Na- men nie mehr uͤber ſeine Lippen, am Wenigſten gegen Johannes. Der hatte auch immer ſo viel zu reden uͤber andere, hoͤhere Dinge, daß auf die Maͤdchen das Geſpraͤch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/196
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/196>, abgerufen am 24.11.2024.