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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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er wieder daran, wie sie vorhin gesagt hatte: wenn die
Kinder groß würden, so wachsen auch die Sorgen mit --
und daß er nicht klug aus ihr geworden, was sie eigent-
lich damit gemeint habe. Er fragte darum endlich noch
einmal: Warum sie ihn denn gerade jetzt und so ängst-
lich auf's Gewissen nach seiner Liebe gefragt habe? ob sie
denn denken könne, er werde ihr einmal damit Kummer
machen?

Erst wollte sie lange nicht mit der Sprache heraus,
endlich gestand sie all' die Gedanken, die sie sich eben nur
gemacht hatte. Die Suschen sei ein gutes Kind, aber
sie tauge nicht für ihn, er möge ihr Nichts in den Kopf
setzen, es könne doch wohl kommen, sie bilde sich Etwas
auf sein Freundlichthun ein. Und ob er denn von ihrem
Zusammensein mit dem Christlieb wisse? -- Sie wolle
nichts Arges davon denken, aber am Ende sei doch an
allen Dingen Etwas und selbst die Dorfklatscher und hä-
mischen Dirnen, die selbst genug Werg am Rocken hät-
ten, könnten Nichts aus der Luft greifen!

Johannes lächelte bitter vor sich hin. "Also hier wie
überall und überall wie hier! Ueberall dasselbe Gedeutsch
und Geklatsch, wo muß man denn hinfliehen, um davor
sicher zu sein?" Es kostete ihn einige Ueberwindung --
aber endlich erzählt er doch haarklein seiner Mutter den
Vorfall jenes Abends, wo er Suschen vor Christlieb be-

er wieder daran, wie ſie vorhin geſagt hatte: wenn die
Kinder groß wuͤrden, ſo wachſen auch die Sorgen mit —
und daß er nicht klug aus ihr geworden, was ſie eigent-
lich damit gemeint habe. Er fragte darum endlich noch
einmal: Warum ſie ihn denn gerade jetzt und ſo aͤngſt-
lich auf’s Gewiſſen nach ſeiner Liebe gefragt habe? ob ſie
denn denken koͤnne, er werde ihr einmal damit Kummer
machen?

Erſt wollte ſie lange nicht mit der Sprache heraus,
endlich geſtand ſie all’ die Gedanken, die ſie ſich eben nur
gemacht hatte. Die Suschen ſei ein gutes Kind, aber
ſie tauge nicht fuͤr ihn, er moͤge ihr Nichts in den Kopf
ſetzen, es koͤnne doch wohl kommen, ſie bilde ſich Etwas
auf ſein Freundlichthun ein. Und ob er denn von ihrem
Zuſammenſein mit dem Chriſtlieb wiſſe? — Sie wolle
nichts Arges davon denken, aber am Ende ſei doch an
allen Dingen Etwas und ſelbſt die Dorfklatſcher und haͤ-
miſchen Dirnen, die ſelbſt genug Werg am Rocken haͤt-
ten, koͤnnten Nichts aus der Luft greifen!

Johannes laͤchelte bitter vor ſich hin. „Alſo hier wie
uͤberall und uͤberall wie hier! Ueberall daſſelbe Gedeutſch
und Geklatſch, wo muß man denn hinfliehen, um davor
ſicher zu ſein?“ Es koſtete ihn einige Ueberwindung —
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[185/0193] er wieder daran, wie ſie vorhin geſagt hatte: wenn die Kinder groß wuͤrden, ſo wachſen auch die Sorgen mit — und daß er nicht klug aus ihr geworden, was ſie eigent- lich damit gemeint habe. Er fragte darum endlich noch einmal: Warum ſie ihn denn gerade jetzt und ſo aͤngſt- lich auf’s Gewiſſen nach ſeiner Liebe gefragt habe? ob ſie denn denken koͤnne, er werde ihr einmal damit Kummer machen? Erſt wollte ſie lange nicht mit der Sprache heraus, endlich geſtand ſie all’ die Gedanken, die ſie ſich eben nur gemacht hatte. Die Suschen ſei ein gutes Kind, aber ſie tauge nicht fuͤr ihn, er moͤge ihr Nichts in den Kopf ſetzen, es koͤnne doch wohl kommen, ſie bilde ſich Etwas auf ſein Freundlichthun ein. Und ob er denn von ihrem Zuſammenſein mit dem Chriſtlieb wiſſe? — Sie wolle nichts Arges davon denken, aber am Ende ſei doch an allen Dingen Etwas und ſelbſt die Dorfklatſcher und haͤ- miſchen Dirnen, die ſelbſt genug Werg am Rocken haͤt- ten, koͤnnten Nichts aus der Luft greifen! Johannes laͤchelte bitter vor ſich hin. „Alſo hier wie uͤberall und uͤberall wie hier! Ueberall daſſelbe Gedeutſch und Geklatſch, wo muß man denn hinfliehen, um davor ſicher zu ſein?“ Es koſtete ihn einige Ueberwindung — aber endlich erzaͤhlt er doch haarklein ſeiner Mutter den Vorfall jenes Abends, wo er Suschen vor Chriſtlieb be-

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/193>, abgerufen am 24.11.2024.