der Welt wie der Reiche, ja der Reiche und Vornehme, wenn er faullenze, verdiene viel eher verachtet zu werden, als der arme fleißige Arbeiter -- so wird mir unwillkür- lich ganz heiß und kalt, wenn ich solche Reden vor An- dern reden höre und denke, sie könnten doch einen schlech- ten Gebrauch davon machen." --
"Das wird schon nicht geschehen," sagte der Pfarrer tröstend, "er wird in der Stadt eben so frei gesprochen haben wie hier und ist damit durchgekommen -- auf dem Lande geht das noch viel eher, man ist an dem ru- higen Sinn des Landvolks gewöhnt und hält die Worte eines Dichters, wie Euer Sohn ist, auf dem Dorfe doch gewiß noch für viel unschädlicher als in der Stadt -- da wird ihm Niemand Etwas in den Weg legen. Ohne- hin müssen der Richter und der Pfarrer für viele Dinge einstehen, die auf dem Dorfe geschehen -- und wie ge- sagt, Jhr wißt, daß wir beiden die besten Freunde Eures Johannes sind und niemals Etwas wider ihn vor- bringen werden."
Mutter Eva hatte aufmerksam zugehört, war aber durch diese Erklärung doch nicht so ganz befriedigt; ihr ängstliches Mutterherz hörte es heraus, daß doch einige Gefahr bei ihres Johannes Reden sein könne, da der Pfarrer etwas wie Verwunderung durchblicken ließ, daß der Dichter auch in der Stadt damit durchgekommen. Und
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der Welt wie der Reiche, ja der Reiche und Vornehme, wenn er faullenze, verdiene viel eher verachtet zu werden, als der arme fleißige Arbeiter — ſo wird mir unwillkuͤr- lich ganz heiß und kalt, wenn ich ſolche Reden vor An- dern reden hoͤre und denke, ſie koͤnnten doch einen ſchlech- ten Gebrauch davon machen.“ —
„Das wird ſchon nicht geſchehen,“ ſagte der Pfarrer troͤſtend, „er wird in der Stadt eben ſo frei geſprochen haben wie hier und iſt damit durchgekommen — auf dem Lande geht das noch viel eher, man iſt an dem ru- higen Sinn des Landvolks gewoͤhnt und haͤlt die Worte eines Dichters, wie Euer Sohn iſt, auf dem Dorfe doch gewiß noch fuͤr viel unſchaͤdlicher als in der Stadt — da wird ihm Niemand Etwas in den Weg legen. Ohne- hin muͤſſen der Richter und der Pfarrer fuͤr viele Dinge einſtehen, die auf dem Dorfe geſchehen — und wie ge- ſagt, Jhr wißt, daß wir beiden die beſten Freunde Eures Johannes ſind und niemals Etwas wider ihn vor- bringen werden.“
Mutter Eva hatte aufmerkſam zugehoͤrt, war aber durch dieſe Erklaͤrung doch nicht ſo ganz befriedigt; ihr aͤngſtliches Mutterherz hoͤrte es heraus, daß doch einige Gefahr bei ihres Johannes Reden ſein koͤnne, da der Pfarrer etwas wie Verwunderung durchblicken ließ, daß der Dichter auch in der Stadt damit durchgekommen. Und
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der Welt wie der Reiche, ja der Reiche und Vornehme,
wenn er faullenze, verdiene viel eher verachtet zu werden,
als der arme fleißige Arbeiter — ſo wird mir unwillkuͤr-
lich ganz heiß und kalt, wenn ich ſolche Reden vor An-
dern reden hoͤre und denke, ſie koͤnnten doch einen ſchlech-
ten Gebrauch davon machen.“ —
„Das wird ſchon nicht geſchehen,“ ſagte der Pfarrer
troͤſtend, „er wird in der Stadt eben ſo frei geſprochen
haben wie hier und iſt damit durchgekommen — auf
dem Lande geht das noch viel eher, man iſt an dem ru-
higen Sinn des Landvolks gewoͤhnt und haͤlt die Worte
eines Dichters, wie Euer Sohn iſt, auf dem Dorfe doch
gewiß noch fuͤr viel unſchaͤdlicher als in der Stadt —
da wird ihm Niemand Etwas in den Weg legen. Ohne-
hin muͤſſen der Richter und der Pfarrer fuͤr viele Dinge
einſtehen, die auf dem Dorfe geſchehen — und wie ge-
ſagt, Jhr wißt, daß wir beiden die beſten Freunde Eures
Johannes ſind und niemals Etwas wider ihn vor-
bringen werden.“
Mutter Eva hatte aufmerkſam zugehoͤrt, war aber
durch dieſe Erklaͤrung doch nicht ſo ganz befriedigt; ihr
aͤngſtliches Mutterherz hoͤrte es heraus, daß doch einige
Gefahr bei ihres Johannes Reden ſein koͤnne, da der
Pfarrer etwas wie Verwunderung durchblicken ließ, daß
der Dichter auch in der Stadt damit durchgekommen. Und
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/155>, abgerufen am 27.11.2024.
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