Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

mir dieser wirklich ein räudiges Schaaf zu sein, wie sie jede
Gemeinde aufzuweisen hat. Weil er reich ist denkt er, er
kann sich Alles erlauben und der Vater dazu, mit dem auch
Nichts anzufangen ist. Jch habe früher manchmal in
aller Liebe und Güte mit ihm über den ungerathenen
Sohn gesprochen, aber es ist Alles vergebens. Er findet
die Schlechtigkeiten des Sohnes selbst nicht schlecht und
weil er mir das doch nicht geradezu sagen kann, so thut
er, als wenn er nicht daran glaubte und sein Sohn nur
verleumdet werde. Christlieb ist aber nur zu oft betrun-
ken und führt übrigens ein so ausschweifendes Leben, daß
mir allemal für das arme Mädchen Angst wird, das ich
an seiner Seite sehe in der Schenke, beim Tanz oder so
-- denn eine Solche halte ich gewöhnlich für verloren --
an's Heirathen hat er noch nicht gedacht."

Unter diesem Gespräch waren sie zur Burg hinan ge-
kommen. Die Sonne war eben im Untergehen und be-
leuchtete das Gemäuer, indeß sich auf's Dorf unten schon
abendliche Schatten legten. Die Glocken läuteten den
Tag, der nun geschieden war, sanft zur Ruhe. Es war
Alles feierlich still -- nur einige Heimchen genossen noch den
sinkenden Tag und zirpten mit einander um die Wette,
muntere Brachkäfer trieben sich gaukelnd in der Luft herum
und ein paar Lerchen schwebten trillernd so hoch zum
Himmel hinauf, daß es war, als wollten sie dort die er-

mir dieſer wirklich ein raͤudiges Schaaf zu ſein, wie ſie jede
Gemeinde aufzuweiſen hat. Weil er reich iſt denkt er, er
kann ſich Alles erlauben und der Vater dazu, mit dem auch
Nichts anzufangen iſt. Jch habe fruͤher manchmal in
aller Liebe und Guͤte mit ihm uͤber den ungerathenen
Sohn geſprochen, aber es iſt Alles vergebens. Er findet
die Schlechtigkeiten des Sohnes ſelbſt nicht ſchlecht und
weil er mir das doch nicht geradezu ſagen kann, ſo thut
er, als wenn er nicht daran glaubte und ſein Sohn nur
verleumdet werde. Chriſtlieb iſt aber nur zu oft betrun-
ken und fuͤhrt uͤbrigens ein ſo ausſchweifendes Leben, daß
mir allemal fuͤr das arme Maͤdchen Angſt wird, das ich
an ſeiner Seite ſehe in der Schenke, beim Tanz oder ſo
— denn eine Solche halte ich gewoͤhnlich fuͤr verloren —
an’s Heirathen hat er noch nicht gedacht.“

Unter dieſem Geſpraͤch waren ſie zur Burg hinan ge-
kommen. Die Sonne war eben im Untergehen und be-
leuchtete das Gemaͤuer, indeß ſich auf’s Dorf unten ſchon
abendliche Schatten legten. Die Glocken laͤuteten den
Tag, der nun geſchieden war, ſanft zur Ruhe. Es war
Alles feierlich ſtill — nur einige Heimchen genoſſen noch den
ſinkenden Tag und zirpten mit einander um die Wette,
muntere Brachkaͤfer trieben ſich gaukelnd in der Luft herum
und ein paar Lerchen ſchwebten trillernd ſo hoch zum
Himmel hinauf, daß es war, als wollten ſie dort die er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0149" n="141"/>
mir die&#x017F;er wirklich ein ra&#x0364;udiges Schaaf zu &#x017F;ein, wie &#x017F;ie jede<lb/>
Gemeinde aufzuwei&#x017F;en hat. Weil er reich i&#x017F;t denkt er, er<lb/>
kann &#x017F;ich Alles erlauben und der Vater dazu, mit dem auch<lb/>
Nichts anzufangen i&#x017F;t. Jch habe fru&#x0364;her manchmal in<lb/>
aller Liebe und Gu&#x0364;te mit ihm u&#x0364;ber den ungerathenen<lb/>
Sohn ge&#x017F;prochen, aber es i&#x017F;t Alles vergebens. Er findet<lb/>
die Schlechtigkeiten des Sohnes &#x017F;elb&#x017F;t nicht &#x017F;chlecht und<lb/>
weil er mir das doch nicht geradezu &#x017F;agen kann, &#x017F;o thut<lb/>
er, als wenn er nicht daran glaubte und &#x017F;ein Sohn nur<lb/>
verleumdet werde. Chri&#x017F;tlieb i&#x017F;t aber nur zu oft betrun-<lb/>
ken und fu&#x0364;hrt u&#x0364;brigens ein &#x017F;o aus&#x017F;chweifendes Leben, daß<lb/>
mir allemal fu&#x0364;r das arme Ma&#x0364;dchen Ang&#x017F;t wird, das ich<lb/>
an &#x017F;einer Seite &#x017F;ehe in der Schenke, beim Tanz oder &#x017F;o<lb/>
&#x2014; denn eine Solche halte ich gewo&#x0364;hnlich fu&#x0364;r verloren &#x2014;<lb/>
an&#x2019;s Heirathen hat er noch nicht gedacht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Unter die&#x017F;em Ge&#x017F;pra&#x0364;ch waren &#x017F;ie zur Burg hinan ge-<lb/>
kommen. Die Sonne war eben im Untergehen und be-<lb/>
leuchtete das Gema&#x0364;uer, indeß &#x017F;ich auf&#x2019;s Dorf unten &#x017F;chon<lb/>
abendliche Schatten legten. Die Glocken la&#x0364;uteten den<lb/>
Tag, der nun ge&#x017F;chieden war, &#x017F;anft zur Ruhe. Es war<lb/>
Alles feierlich &#x017F;till &#x2014; nur einige Heimchen geno&#x017F;&#x017F;en noch den<lb/>
&#x017F;inkenden Tag und zirpten mit einander um die Wette,<lb/>
muntere Brachka&#x0364;fer trieben &#x017F;ich gaukelnd in der Luft herum<lb/>
und ein paar Lerchen &#x017F;chwebten trillernd &#x017F;o hoch zum<lb/>
Himmel hinauf, daß es war, als wollten &#x017F;ie dort die er-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0149] mir dieſer wirklich ein raͤudiges Schaaf zu ſein, wie ſie jede Gemeinde aufzuweiſen hat. Weil er reich iſt denkt er, er kann ſich Alles erlauben und der Vater dazu, mit dem auch Nichts anzufangen iſt. Jch habe fruͤher manchmal in aller Liebe und Guͤte mit ihm uͤber den ungerathenen Sohn geſprochen, aber es iſt Alles vergebens. Er findet die Schlechtigkeiten des Sohnes ſelbſt nicht ſchlecht und weil er mir das doch nicht geradezu ſagen kann, ſo thut er, als wenn er nicht daran glaubte und ſein Sohn nur verleumdet werde. Chriſtlieb iſt aber nur zu oft betrun- ken und fuͤhrt uͤbrigens ein ſo ausſchweifendes Leben, daß mir allemal fuͤr das arme Maͤdchen Angſt wird, das ich an ſeiner Seite ſehe in der Schenke, beim Tanz oder ſo — denn eine Solche halte ich gewoͤhnlich fuͤr verloren — an’s Heirathen hat er noch nicht gedacht.“ Unter dieſem Geſpraͤch waren ſie zur Burg hinan ge- kommen. Die Sonne war eben im Untergehen und be- leuchtete das Gemaͤuer, indeß ſich auf’s Dorf unten ſchon abendliche Schatten legten. Die Glocken laͤuteten den Tag, der nun geſchieden war, ſanft zur Ruhe. Es war Alles feierlich ſtill — nur einige Heimchen genoſſen noch den ſinkenden Tag und zirpten mit einander um die Wette, muntere Brachkaͤfer trieben ſich gaukelnd in der Luft herum und ein paar Lerchen ſchwebten trillernd ſo hoch zum Himmel hinauf, daß es war, als wollten ſie dort die er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/149
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/149>, abgerufen am 28.11.2024.