Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemeinde eigentlich verpflichtet wäre, das Schulhaus
in einen bessern Stand zu setzen, als in dem es
jetzt ist."

"Das fehlte noch!" riefen Alle zugleich, "eine solche
Ausgabe und Last wird sich die Gemeinde nicht auf-
bürden lassen -- es schläft sich unter Stroh eben so gut,
wie unter Ziegeln, und für die Kinder ist's nun vollends
gleich, ob sie unter einem Stroh- oder unter einem
Ziegeldache sitzen, wenn sie nur Etwas lernen. Es ist
Zeitlebens so gewesen, und so eine Neuerung die fehlte
nun gerade noch."

Wie sie auf diesen Gegenstand zu reden gekommen
waren, war ihre Unterhaltung viel heftiger und lauter
geworden, als wie sie Anfangs geführt war, wo sie mehr
unter einander geflüstert und gemurmelt hatten, als ge-
schrieen wie jetzt -- so erregten sie nun auch die Auf-
merksamkeit der Leute an den andern Tischen. Traugott,
der etwas entfernt gesessen, erhob sich jetzt und fragte:
"Was giebt's denn bei Euch für einen Streit, das Jhr
auf einmal so entsetzlich zu toben anfangt?"

"Streit nicht, Herr Nachbar," sagte der Bote, "wir
sind gerade Alle einig --"

"Streit kann nun gerade erst werden, wenn Jhr
hineinredet," sagte Christlieb patzig.

Der Wirth zog sich zurück und ging in das Haus

Gemeinde eigentlich verpflichtet waͤre, das Schulhaus
in einen beſſern Stand zu ſetzen, als in dem es
jetzt iſt.“

„Das fehlte noch!“ riefen Alle zugleich, „eine ſolche
Ausgabe und Laſt wird ſich die Gemeinde nicht auf-
buͤrden laſſen — es ſchlaͤft ſich unter Stroh eben ſo gut,
wie unter Ziegeln, und fuͤr die Kinder iſt’s nun vollends
gleich, ob ſie unter einem Stroh- oder unter einem
Ziegeldache ſitzen, wenn ſie nur Etwas lernen. Es iſt
Zeitlebens ſo geweſen, und ſo eine Neuerung die fehlte
nun gerade noch.“

Wie ſie auf dieſen Gegenſtand zu reden gekommen
waren, war ihre Unterhaltung viel heftiger und lauter
geworden, als wie ſie Anfangs gefuͤhrt war, wo ſie mehr
unter einander gefluͤſtert und gemurmelt hatten, als ge-
ſchrieen wie jetzt — ſo erregten ſie nun auch die Auf-
merkſamkeit der Leute an den andern Tiſchen. Traugott,
der etwas entfernt geſeſſen, erhob ſich jetzt und fragte:
„Was giebt’s denn bei Euch fuͤr einen Streit, das Jhr
auf einmal ſo entſetzlich zu toben anfangt?“

„Streit nicht, Herr Nachbar,“ ſagte der Bote, „wir
ſind gerade Alle einig —“

„Streit kann nun gerade erſt werden, wenn Jhr
hineinredet,“ ſagte Chriſtlieb patzig.

Der Wirth zog ſich zuruͤck und ging in das Haus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="135"/>
Gemeinde eigentlich verpflichtet wa&#x0364;re, das Schulhaus<lb/>
in einen be&#x017F;&#x017F;ern Stand zu &#x017F;etzen, als in dem es<lb/>
jetzt i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das fehlte noch!&#x201C; riefen Alle zugleich, &#x201E;eine &#x017F;olche<lb/>
Ausgabe und La&#x017F;t wird &#x017F;ich die Gemeinde nicht auf-<lb/>
bu&#x0364;rden la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; es &#x017F;chla&#x0364;ft &#x017F;ich unter Stroh eben &#x017F;o gut,<lb/>
wie unter Ziegeln, und fu&#x0364;r die Kinder i&#x017F;t&#x2019;s nun vollends<lb/>
gleich, ob &#x017F;ie unter einem Stroh- oder unter einem<lb/>
Ziegeldache &#x017F;itzen, wenn &#x017F;ie nur Etwas lernen. Es i&#x017F;t<lb/>
Zeitlebens &#x017F;o gewe&#x017F;en, und &#x017F;o eine Neuerung die fehlte<lb/>
nun gerade noch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;ie auf die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand zu reden gekommen<lb/>
waren, war ihre Unterhaltung viel heftiger und lauter<lb/>
geworden, als wie &#x017F;ie Anfangs gefu&#x0364;hrt war, wo &#x017F;ie mehr<lb/>
unter einander geflu&#x0364;&#x017F;tert und gemurmelt hatten, als ge-<lb/>
&#x017F;chrieen wie jetzt &#x2014; &#x017F;o erregten &#x017F;ie nun auch die Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit der Leute an den andern Ti&#x017F;chen. Traugott,<lb/>
der etwas entfernt ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, erhob &#x017F;ich jetzt und fragte:<lb/>
&#x201E;Was giebt&#x2019;s denn bei Euch fu&#x0364;r einen Streit, das Jhr<lb/>
auf einmal &#x017F;o ent&#x017F;etzlich zu toben anfangt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Streit nicht, Herr Nachbar,&#x201C; &#x017F;agte der Bote, &#x201E;wir<lb/>
&#x017F;ind gerade Alle einig &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Streit kann nun gerade er&#x017F;t werden, wenn Jhr<lb/>
hineinredet,&#x201C; &#x017F;agte Chri&#x017F;tlieb patzig.</p><lb/>
        <p>Der Wirth zog &#x017F;ich zuru&#x0364;ck und ging in das Haus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0143] Gemeinde eigentlich verpflichtet waͤre, das Schulhaus in einen beſſern Stand zu ſetzen, als in dem es jetzt iſt.“ „Das fehlte noch!“ riefen Alle zugleich, „eine ſolche Ausgabe und Laſt wird ſich die Gemeinde nicht auf- buͤrden laſſen — es ſchlaͤft ſich unter Stroh eben ſo gut, wie unter Ziegeln, und fuͤr die Kinder iſt’s nun vollends gleich, ob ſie unter einem Stroh- oder unter einem Ziegeldache ſitzen, wenn ſie nur Etwas lernen. Es iſt Zeitlebens ſo geweſen, und ſo eine Neuerung die fehlte nun gerade noch.“ Wie ſie auf dieſen Gegenſtand zu reden gekommen waren, war ihre Unterhaltung viel heftiger und lauter geworden, als wie ſie Anfangs gefuͤhrt war, wo ſie mehr unter einander gefluͤſtert und gemurmelt hatten, als ge- ſchrieen wie jetzt — ſo erregten ſie nun auch die Auf- merkſamkeit der Leute an den andern Tiſchen. Traugott, der etwas entfernt geſeſſen, erhob ſich jetzt und fragte: „Was giebt’s denn bei Euch fuͤr einen Streit, das Jhr auf einmal ſo entſetzlich zu toben anfangt?“ „Streit nicht, Herr Nachbar,“ ſagte der Bote, „wir ſind gerade Alle einig —“ „Streit kann nun gerade erſt werden, wenn Jhr hineinredet,“ ſagte Chriſtlieb patzig. Der Wirth zog ſich zuruͤck und ging in das Haus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/143
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/143>, abgerufen am 29.11.2024.