Leute, die so sehr am Alten hingen, daß sie Alles nur gerade so haben wollten, wie es "zu ihrer Zeit" gewesen, und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er- schien. Da kommen sie aber gerade heute damit schön an -- doch davon nachher --! Diese Leute nun waren mit Langer ewig unzufrieden und suchten ihm allerlei in den Weg zu legen. Desto zufriedener aber waren alle jungen Männer des Dorfes mit ihm, da er mit allen vertraulich umging, sich gar nicht wichtig machte wie sein Vorgänger, sondern Allen, die ihm freundlich ge- sinnt waren, wie lieben Kindern die Hand drückte und mit Vielen Brüderschaft machte. Wie er bei den Mäd- chen stand, davon schwiege ich lieber. Es gab gar Man- che darunter, die sich jetzt auf einmal ärgerten, daß sie schon aus der Schule gekommen, ehe sie einen so hüb- schen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verstohlen in seine innigen blauen Augen sahen und fröhlich erröthend ihre Blicke niederschlugen, wenn er sie herzlich grüßte. Die aber war am glücklichsten, mit der er einmal getanzt hatte. Darüber auch war die ganze Gemeinde einig (jene Grießgrame abgerechnet, die sich auch darüber ärger- ten und es gar eine Heidenwirthschaft nannten, daß in der Kirche die geistlichen Lieder ein Wenig schneller ge- sungen wurden als sonst, wo man eine Zeile end- los ausdehnte --) darüber war die ganze Gemeinde
Leute, die ſo ſehr am Alten hingen, daß ſie Alles nur gerade ſo haben wollten, wie es „zu ihrer Zeit“ geweſen, und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er- ſchien. Da kommen ſie aber gerade heute damit ſchoͤn an — doch davon nachher —! Dieſe Leute nun waren mit Langer ewig unzufrieden und ſuchten ihm allerlei in den Weg zu legen. Deſto zufriedener aber waren alle jungen Maͤnner des Dorfes mit ihm, da er mit allen vertraulich umging, ſich gar nicht wichtig machte wie ſein Vorgaͤnger, ſondern Allen, die ihm freundlich ge- ſinnt waren, wie lieben Kindern die Hand druͤckte und mit Vielen Bruͤderſchaft machte. Wie er bei den Maͤd- chen ſtand, davon ſchwiege ich lieber. Es gab gar Man- che darunter, die ſich jetzt auf einmal aͤrgerten, daß ſie ſchon aus der Schule gekommen, ehe ſie einen ſo huͤb- ſchen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verſtohlen in ſeine innigen blauen Augen ſahen und froͤhlich erroͤthend ihre Blicke niederſchlugen, wenn er ſie herzlich gruͤßte. Die aber war am gluͤcklichſten, mit der er einmal getanzt hatte. Daruͤber auch war die ganze Gemeinde einig (jene Grießgrame abgerechnet, die ſich auch daruͤber aͤrger- ten und es gar eine Heidenwirthſchaft nannten, daß in der Kirche die geiſtlichen Lieder ein Wenig ſchneller ge- ſungen wurden als ſonſt, wo man eine Zeile end- los ausdehnte —) daruͤber war die ganze Gemeinde
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Leute, die ſo ſehr am Alten hingen, daß ſie Alles nur
gerade ſo haben wollten, wie es „zu ihrer Zeit“ geweſen,
und deshalb tadelten, was ihnen anders und neu er-
ſchien. Da kommen ſie aber gerade heute damit ſchoͤn
an — doch davon nachher —! Dieſe Leute nun waren
mit Langer ewig unzufrieden und ſuchten ihm allerlei in
den Weg zu legen. Deſto zufriedener aber waren alle
jungen Maͤnner des Dorfes mit ihm, da er mit allen
vertraulich umging, ſich gar nicht wichtig machte wie
ſein Vorgaͤnger, ſondern Allen, die ihm freundlich ge-
ſinnt waren, wie lieben Kindern die Hand druͤckte und
mit Vielen Bruͤderſchaft machte. Wie er bei den Maͤd-
chen ſtand, davon ſchwiege ich lieber. Es gab gar Man-
che darunter, die ſich jetzt auf einmal aͤrgerten, daß ſie
ſchon aus der Schule gekommen, ehe ſie einen ſo huͤb-
ſchen Lehrer gehabt hatten und Viele, die verſtohlen in
ſeine innigen blauen Augen ſahen und froͤhlich erroͤthend
ihre Blicke niederſchlugen, wenn er ſie herzlich gruͤßte.
Die aber war am gluͤcklichſten, mit der er einmal getanzt
hatte. Daruͤber auch war die ganze Gemeinde einig
(jene Grießgrame abgerechnet, die ſich auch daruͤber aͤrger-
ten und es gar eine Heidenwirthſchaft nannten, daß in
der Kirche die geiſtlichen Lieder ein Wenig ſchneller ge-
ſungen wurden als ſonſt, wo man eine Zeile end-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/13>, abgerufen am 24.11.2024.
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