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Olearius, Adam: Offt begehrte Beschreibung Der Newen Orientalischen Rejse. Schleswig, 1647.

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Reise Beschreibung.
auffgemachet/ vnd der Todte noch einmahl beräuchert. Das Bild/ so
er im Leben für seinen Heiligen geehret/ wird über jhn gehalten/ gebetet
vnd gelesen. Dann treten die Freunde einer nach dem andern zu/ neh-
men Abscheid von dem Todten/ küssen den Sarck zum Valet, vnd tret-
ten zurück[e]. Darauff gehet der Pope hinzu vnd gibt jhm einen Paß zum
ewigen Leben mit ins Grab. Welcher folgender Gestalt eingerichtet:

WJr N. N. Bischoff vnd Priester allhier N. bekennenPaßbort/ so
man den Tod-
ten mit ins
Grab gibt.

vnd bezeugen hiermit/ daß dieser gegenwertige N.
bey vns als ein rechter Griechischer Christe gelebet. Vnd
ob er wol bißweilen gesündiget/ hat Er doch seine Sünde
gebeichtet/ die Absolution vnd das H. Abendmahl em-
pfangen zu Vergebung seiner Sünden. Er hat auch Gott
vnd seine Heiligen recht geehret/ gefastet vnd gebetet/ wie
sichs gebüret. Hat sich auch mit mir N. als seinem Beicht-
vater in allem wol vergliechen/ daß ich jhm seine Sünde
gäntzlich vergeben habe/ vnd auff jhm nichts zu sprechen
habe. Darumb wir jhm diesen Beweiß mit gegeben ha-
ben. S. Petro vnd andern Heiligen zu zeigen/ damit Er
vngehindert möge zur Thür der Frewden eingelassen
werden.

Diesen Paß stecket der Prister dem Todten zwischen 2. Finger/
vnd wird der Sarck zugemachet/ ins Grab gesetzet vnd zugescharret.
Sie legen aber alle Leichen/ daß sie mit den Angesichtern sich nach
Orient oder Auffgang der Sonnen kehren.

Nach dem der Todte begraben/ segnen sich die vmbstehende für
den Bildern/ vnd gehen wieder nach Hauß/ geben den Freunden eine
Mahlzeit/ verdrincken das Leidt; welches denn gemeiniglich auff einen
guten Rausch auß leufft. Solche Zusammenkunfft vnd Gästerey
wiederholen sie auch den dritten/ neundten vnd zwantzigsten Tag.

Der Pope darff denselben Tag/ an welchem Er eine Leiche zur
Erden bestattet/ keine Messe lesen/ denn seine Hände werden vnrein
gehalten.

Das Trauren der Russen wehret nicht lenger als 40. Tage.Die Traurzeit
der Russen
seynd 6. Wo-
chen.

Nach vollendung derselben/ stellen sie ein grosse Gasterey an/ zu wel-
cher die Pfaffen/ vnd andere/ so der Leiche gefolget/ gebeten wer-
den. Da dann ein sonderlich Essen für die Seele der verstorbenen
auffgesetzet wird/ welches von gesegneten Brod/ so sie Kutja nennen/
gemachet ist/ dasselbe gebrauchen sie hierbey als ein Speise Opffer.
Etliche fürnehme Leute lassen auff dem Grabe eine kleine Hütte/ in
welcher ein Mann stehen kan/ auffbawen: Jn derselben muß ein Pope

oder
B b iij

Reiſe Beſchreibung.
auffgemachet/ vnd der Todte noch einmahl beraͤuchert. Das Bild/ ſo
er im Leben fuͤr ſeinen Heiligen geehret/ wird uͤber jhn gehalten/ gebetet
vnd geleſen. Dann treten die Freunde einer nach dem andern zu/ neh-
men Abſcheid von dem Todten/ kuͤſſen den Sarck zum Valet, vnd tret-
ten zuruͤck[e]. Darauff gehet der Pope hinzu vnd gibt jhm einen Paß zum
ewigen Leben mit ins Grab. Welcher folgender Geſtalt eingerichtet:

WJr N. N. Biſchoff vnd Prieſter allhier N. bekennenPaßbort/ ſo
man den Tod-
ten mit ins
Grab gibt.

vnd bezeugen hiermit/ daß dieſer gegenwertige N.
bey vns als ein rechter Griechiſcher Chriſte gelebet. Vnd
ob er wol bißweilen geſuͤndiget/ hat Er doch ſeine Suͤnde
gebeichtet/ die Abſolution vnd das H. Abendmahl em-
pfangen zu Vergebung ſeiner Suͤnden. Er hat auch Gott
vnd ſeine Heiligen recht geehret/ gefaſtet vnd gebetet/ wie
ſichs gebuͤret. Hat ſich auch mit mir N. als ſeinem Beicht-
vater in allem wol vergliechen/ daß ich jhm ſeine Suͤnde
gaͤntzlich vergeben habe/ vnd auff jhm nichts zu ſprechen
habe. Darumb wir jhm dieſen Beweiß mit gegeben ha-
ben. S. Petro vnd andern Heiligen zu zeigen/ damit Er
vngehindert moͤge zur Thuͤr der Frewden eingelaſſen
werden.

Dieſen Paß ſtecket der Priſter dem Todten zwiſchen 2. Finger/
vnd wird der Sarck zugemachet/ ins Grab geſetzet vnd zugeſcharret.
Sie legen aber alle Leichen/ daß ſie mit den Angeſichtern ſich nach
Orient oder Auffgang der Sonnen kehren.

Nach dem der Todte begraben/ ſegnen ſich die vmbſtehende fuͤr
den Bildern/ vnd gehen wieder nach Hauß/ geben den Freunden eine
Mahlzeit/ verdrincken das Leidt; welches denn gemeiniglich auff einen
guten Rauſch auß leufft. Solche Zuſammenkunfft vnd Gaͤſterey
wiederholen ſie auch den dritten/ neundten vnd zwantzigſten Tag.

Der Pope darff denſelben Tag/ an welchem Er eine Leiche zur
Erden beſtattet/ keine Meſſe leſen/ denn ſeine Haͤnde werden vnrein
gehalten.

Das Trauren der Ruſſen wehret nicht lenger als 40. Tage.Die Traurzeit
der Ruſſen
ſeynd 6. Wo-
chen.

Nach vollendung derſelben/ ſtellen ſie ein groſſe Gaſterey an/ zu wel-
cher die Pfaffen/ vnd andere/ ſo der Leiche gefolget/ gebeten wer-
den. Da dann ein ſonderlich Eſſen fuͤr die Seele der verſtorbenen
auffgeſetzet wird/ welches von geſegneten Brod/ ſo ſie Kutja nennen/
gemachet iſt/ daſſelbe gebrauchen ſie hierbey als ein Speiſe Opffer.
Etliche fuͤrnehme Leute laſſen auff dem Grabe eine kleine Huͤtte/ in
welcher ein Mann ſtehen kan/ auffbawen: Jn derſelben muß ein Pope

oder
B b iij
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[197/0243] Reiſe Beſchreibung. auffgemachet/ vnd der Todte noch einmahl beraͤuchert. Das Bild/ ſo er im Leben fuͤr ſeinen Heiligen geehret/ wird uͤber jhn gehalten/ gebetet vnd geleſen. Dann treten die Freunde einer nach dem andern zu/ neh- men Abſcheid von dem Todten/ kuͤſſen den Sarck zum Valet, vnd tret- ten zuruͤcke. Darauff gehet der Pope hinzu vnd gibt jhm einen Paß zum ewigen Leben mit ins Grab. Welcher folgender Geſtalt eingerichtet: WJr N. N. Biſchoff vnd Prieſter allhier N. bekennen vnd bezeugen hiermit/ daß dieſer gegenwertige N. bey vns als ein rechter Griechiſcher Chriſte gelebet. Vnd ob er wol bißweilen geſuͤndiget/ hat Er doch ſeine Suͤnde gebeichtet/ die Abſolution vnd das H. Abendmahl em- pfangen zu Vergebung ſeiner Suͤnden. Er hat auch Gott vnd ſeine Heiligen recht geehret/ gefaſtet vnd gebetet/ wie ſichs gebuͤret. Hat ſich auch mit mir N. als ſeinem Beicht- vater in allem wol vergliechen/ daß ich jhm ſeine Suͤnde gaͤntzlich vergeben habe/ vnd auff jhm nichts zu ſprechen habe. Darumb wir jhm dieſen Beweiß mit gegeben ha- ben. S. Petro vnd andern Heiligen zu zeigen/ damit Er vngehindert moͤge zur Thuͤr der Frewden eingelaſſen werden. Paßbort/ ſo man den Tod- ten mit ins Grab gibt. Dieſen Paß ſtecket der Priſter dem Todten zwiſchen 2. Finger/ vnd wird der Sarck zugemachet/ ins Grab geſetzet vnd zugeſcharret. Sie legen aber alle Leichen/ daß ſie mit den Angeſichtern ſich nach Orient oder Auffgang der Sonnen kehren. Nach dem der Todte begraben/ ſegnen ſich die vmbſtehende fuͤr den Bildern/ vnd gehen wieder nach Hauß/ geben den Freunden eine Mahlzeit/ verdrincken das Leidt; welches denn gemeiniglich auff einen guten Rauſch auß leufft. Solche Zuſammenkunfft vnd Gaͤſterey wiederholen ſie auch den dritten/ neundten vnd zwantzigſten Tag. Der Pope darff denſelben Tag/ an welchem Er eine Leiche zur Erden beſtattet/ keine Meſſe leſen/ denn ſeine Haͤnde werden vnrein gehalten. Das Trauren der Ruſſen wehret nicht lenger als 40. Tage. Nach vollendung derſelben/ ſtellen ſie ein groſſe Gaſterey an/ zu wel- cher die Pfaffen/ vnd andere/ ſo der Leiche gefolget/ gebeten wer- den. Da dann ein ſonderlich Eſſen fuͤr die Seele der verſtorbenen auffgeſetzet wird/ welches von geſegneten Brod/ ſo ſie Kutja nennen/ gemachet iſt/ daſſelbe gebrauchen ſie hierbey als ein Speiſe Opffer. Etliche fuͤrnehme Leute laſſen auff dem Grabe eine kleine Huͤtte/ in welcher ein Mann ſtehen kan/ auffbawen: Jn derſelben muß ein Pope oder Die Traurzeit der Ruſſen ſeynd 6. Wo- chen. B b iij

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Zitationshilfe: Olearius, Adam: Offt begehrte Beschreibung Der Newen Orientalischen Rejse. Schleswig, 1647. , S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/olearius_reise_1647/243>, abgerufen am 06.05.2024.