Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

sein träger Gang, Schaam, Gewissensbisse und Melancholie in jeder seiner Mienen, kurz sein ganzes Aeussere, verbunden mit einem abgestumpften Gedächtnisse und mit großer Verstandesschwäche, welches alles einen nahen und gänzlichen Hinfall drohete, war erschütternd genug für mich, um mich aus dem Taumel der Wollust aufzuwecken. Jch bebte vor dem nahen Abgrunde zurück, auf den ich, ohne es zu wissen, losgegangen war; dankte nun mit heißen, stummen Thränen der Vorsehung, die dem Verderben mich entriß, und gelobte ihr und mir mit einem heiligen Eide, das Laster künftig von ganzer Seele zu verabscheuen und zu fliehen."

"Aber ach! wie wenig haben wir zu Austilgung gewohnter Laster schon gethan, wenn wir uns erst blos vorgenommen haben, sie aus unserm Herzen auszurotten! Wie groß ist da nicht immer noch die Gefahr des Rückfalls! - Kaum waren einige Wochen dahin; kaum hatte die Lebhaftigkeit der Eindrücke jener Erscheinung ein wenig nachgelassen, als die Macht der Gewohnheit und der Leidenschaft mich mit allen meinen guten Vorsätzen wieder zu Boden warf. Zwar folgte diesem und jedem folgenden Falle die herzlichste Reue, die aufrichtigste Erneuerung

sein träger Gang, Schaam, Gewissensbisse und Melancholie in jeder seiner Mienen, kurz sein ganzes Aeussere, verbunden mit einem abgestumpften Gedächtnisse und mit großer Verstandesschwäche, welches alles einen nahen und gänzlichen Hinfall drohete, war erschütternd genug für mich, um mich aus dem Taumel der Wollust aufzuwecken. Jch bebte vor dem nahen Abgrunde zurück, auf den ich, ohne es zu wissen, losgegangen war; dankte nun mit heißen, stummen Thränen der Vorsehung, die dem Verderben mich entriß, und gelobte ihr und mir mit einem heiligen Eide, das Laster künftig von ganzer Seele zu verabscheuen und zu fliehen.“

„Aber ach! wie wenig haben wir zu Austilgung gewohnter Laster schon gethan, wenn wir uns erst blos vorgenommen haben, sie aus unserm Herzen auszurotten! Wie groß ist da nicht immer noch die Gefahr des Rückfalls! – Kaum waren einige Wochen dahin; kaum hatte die Lebhaftigkeit der Eindrücke jener Erscheinung ein wenig nachgelassen, als die Macht der Gewohnheit und der Leidenschaft mich mit allen meinen guten Vorsätzen wieder zu Boden warf. Zwar folgte diesem und jedem folgenden Falle die herzlichste Reue, die aufrichtigste Erneuerung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="212"/>
sein träger Gang, Schaam, Gewissensbisse und Melancholie in jeder seiner Mienen, kurz sein ganzes Aeussere, verbunden mit einem abgestumpften Gedächtnisse und mit großer Verstandesschwäche, welches alles einen nahen und gänzlichen Hinfall drohete, war erschütternd genug für mich, um mich aus dem Taumel der Wollust aufzuwecken. Jch bebte vor dem nahen Abgrunde zurück, auf den ich, ohne es zu wissen, losgegangen war; dankte nun mit heißen, stummen Thränen der Vorsehung, die dem Verderben mich entriß, und gelobte ihr und mir mit einem heiligen Eide, das Laster künftig von ganzer Seele zu verabscheuen und zu fliehen.&#x201C;</p>
            <p>&#x201E;Aber ach! wie wenig haben wir zu Austilgung gewohnter Laster schon gethan, wenn wir uns erst blos vorgenommen haben, sie aus unserm Herzen auszurotten! Wie groß ist da nicht immer noch die Gefahr des Rückfalls! &#x2013; Kaum waren einige Wochen dahin; kaum hatte die Lebhaftigkeit der Eindrücke jener Erscheinung ein wenig nachgelassen, als die Macht der Gewohnheit und der Leidenschaft mich mit allen meinen guten Vorsätzen wieder zu Boden warf. Zwar folgte diesem und jedem folgenden Falle die herzlichste Reue, die aufrichtigste Erneuerung
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0211] sein träger Gang, Schaam, Gewissensbisse und Melancholie in jeder seiner Mienen, kurz sein ganzes Aeussere, verbunden mit einem abgestumpften Gedächtnisse und mit großer Verstandesschwäche, welches alles einen nahen und gänzlichen Hinfall drohete, war erschütternd genug für mich, um mich aus dem Taumel der Wollust aufzuwecken. Jch bebte vor dem nahen Abgrunde zurück, auf den ich, ohne es zu wissen, losgegangen war; dankte nun mit heißen, stummen Thränen der Vorsehung, die dem Verderben mich entriß, und gelobte ihr und mir mit einem heiligen Eide, das Laster künftig von ganzer Seele zu verabscheuen und zu fliehen.“ „Aber ach! wie wenig haben wir zu Austilgung gewohnter Laster schon gethan, wenn wir uns erst blos vorgenommen haben, sie aus unserm Herzen auszurotten! Wie groß ist da nicht immer noch die Gefahr des Rückfalls! – Kaum waren einige Wochen dahin; kaum hatte die Lebhaftigkeit der Eindrücke jener Erscheinung ein wenig nachgelassen, als die Macht der Gewohnheit und der Leidenschaft mich mit allen meinen guten Vorsätzen wieder zu Boden warf. Zwar folgte diesem und jedem folgenden Falle die herzlichste Reue, die aufrichtigste Erneuerung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/211
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/211>, abgerufen am 05.05.2024.