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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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von niedlichen Speisen. Er strebt vielmehr die Vorstellung davon in sich zu verdunkeln. Er sucht sich an andern Gegenständen zu zerstreuen und den Eckel zu vertreiben. Nicht so der unkeusche Wollüstling. Würkt die Empfindung der Wollust nicht mehr körperlich auf ihn; kann der Körper, weil er erschlaft und abgespannt ist, nichts mehr zum wirklichen Genuß beitragen: so ist die Einbildungskraft würksam, diesen Mangel bei ihm zu ersetzen. Er weidet sich an wollüstigen Vorstellungen, lieset wollüstige Schilderungen, macht wollüstige Entwürfe. Seine Seele klebt unaufhörlich an diesen Unflätereien. Und dadurch, daß sie sich immer mit diesem einzigen Gegenstande beschäftigt, werden immer auch dieselben Nerven des Körpers angestrengt und ihre Reizbarkeit immer vermehrt. Der gestörte Mechanismus des Körpers würkt wieder zurück auf die Seele und macht, daß keine andere Vorstellungen in ihr Platz greifen können, als die, die mit dem Wollusttriebe in Verbindung stehen. Was ist hier der erhabene freie Geist des Menschen? Der elendeste Sklave niedriger Begierden; weit unter der Thierseele, weil er von seiner Würde herabgesunken ist, der Geist,

von niedlichen Speisen. Er strebt vielmehr die Vorstellung davon in sich zu verdunkeln. Er sucht sich an andern Gegenständen zu zerstreuen und den Eckel zu vertreiben. Nicht so der unkeusche Wollüstling. Würkt die Empfindung der Wollust nicht mehr körperlich auf ihn; kann der Körper, weil er erschlaft und abgespannt ist, nichts mehr zum wirklichen Genuß beitragen: so ist die Einbildungskraft würksam, diesen Mangel bei ihm zu ersetzen. Er weidet sich an wollüstigen Vorstellungen, lieset wollüstige Schilderungen, macht wollüstige Entwürfe. Seine Seele klebt unaufhörlich an diesen Unflätereien. Und dadurch, daß sie sich immer mit diesem einzigen Gegenstande beschäftigt, werden immer auch dieselben Nerven des Körpers angestrengt und ihre Reizbarkeit immer vermehrt. Der gestörte Mechanismus des Körpers würkt wieder zurück auf die Seele und macht, daß keine andere Vorstellungen in ihr Platz greifen können, als die, die mit dem Wollusttriebe in Verbindung stehen. Was ist hier der erhabene freie Geist des Menschen? Der elendeste Sklave niedriger Begierden; weit unter der Thierseele, weil er von seiner Würde herabgesunken ist, der Geist,

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[19/0018] von niedlichen Speisen. Er strebt vielmehr die Vorstellung davon in sich zu verdunkeln. Er sucht sich an andern Gegenständen zu zerstreuen und den Eckel zu vertreiben. Nicht so der unkeusche Wollüstling. Würkt die Empfindung der Wollust nicht mehr körperlich auf ihn; kann der Körper, weil er erschlaft und abgespannt ist, nichts mehr zum wirklichen Genuß beitragen: so ist die Einbildungskraft würksam, diesen Mangel bei ihm zu ersetzen. Er weidet sich an wollüstigen Vorstellungen, lieset wollüstige Schilderungen, macht wollüstige Entwürfe. Seine Seele klebt unaufhörlich an diesen Unflätereien. Und dadurch, daß sie sich immer mit diesem einzigen Gegenstande beschäftigt, werden immer auch dieselben Nerven des Körpers angestrengt und ihre Reizbarkeit immer vermehrt. Der gestörte Mechanismus des Körpers würkt wieder zurück auf die Seele und macht, daß keine andere Vorstellungen in ihr Platz greifen können, als die, die mit dem Wollusttriebe in Verbindung stehen. Was ist hier der erhabene freie Geist des Menschen? Der elendeste Sklave niedriger Begierden; weit unter der Thierseele, weil er von seiner Würde herabgesunken ist, der Geist,

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/18>, abgerufen am 26.04.2024.