Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.den Thieren und die Aufforderungen, sie zu befriedigen, hangen von Umständen ab, die nicht in ihrer Gewalt sind, die aber die höchste Weisheit so ordnete, daß ihre Erhaltung und Glückseligkeit erreicht werden konnte. Sie bleiben in den ihnen vorgezeichneten Gränzen. Der Mensch, mit dem Vorrecht einer höhern Vernunft, sollte seine Sinnlichkeit selbst beherrschen; selbst urtheilen, prüfen, wählen; selbst der Schöpfer seiner Freuden werden. Die Einbildungskraft, dies vorzügliche Geschenk, sollte ihm vergangene und künftige Freuden lebhaft vorstellen. Von jedem Guten sollte er Vorgefühl, Genuß und Nachempfindung haben. Aber eben diese Einbildungskraft veranlaßet oft das Uebergicht seiner Leidenschaften. Sie weckt Triebe in ihm, die nicht das Bedürfniß der genügsamen Natur sind, sondern der Natur vorgreifen und sie mit einer Art von Gewaltthätigkeit zu Ausschweifungen fortreissen, die eben darum gefährlich sind, weil sie unnatürlich sind. Kein Trieb ist so stark, als der Wollusttrieb, und bei keinem ist die Einbildungskraft geschäftiger, ihn zu erwecken. Wenn der Schwelger von seiner mit Leckerbißen besetzten Tafel aufsteht, so ergötzt ihn weiter keine Vorstellung den Thieren und die Aufforderungen, sie zu befriedigen, hangen von Umständen ab, die nicht in ihrer Gewalt sind, die aber die höchste Weisheit so ordnete, daß ihre Erhaltung und Glückseligkeit erreicht werden konnte. Sie bleiben in den ihnen vorgezeichneten Gränzen. Der Mensch, mit dem Vorrecht einer höhern Vernunft, sollte seine Sinnlichkeit selbst beherrschen; selbst urtheilen, prüfen, wählen; selbst der Schöpfer seiner Freuden werden. Die Einbildungskraft, dies vorzügliche Geschenk, sollte ihm vergangene und künftige Freuden lebhaft vorstellen. Von jedem Guten sollte er Vorgefühl, Genuß und Nachempfindung haben. Aber eben diese Einbildungskraft veranlaßet oft das Uebergicht seiner Leidenschaften. Sie weckt Triebe in ihm, die nicht das Bedürfniß der genügsamen Natur sind, sondern der Natur vorgreifen und sie mit einer Art von Gewaltthätigkeit zu Ausschweifungen fortreissen, die eben darum gefährlich sind, weil sie unnatürlich sind. Kein Trieb ist so stark, als der Wollusttrieb, und bei keinem ist die Einbildungskraft geschäftiger, ihn zu erwecken. Wenn der Schwelger von seiner mit Leckerbißen besetzten Tafel aufsteht, so ergötzt ihn weiter keine Vorstellung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="18"/> den Thieren und die Aufforderungen, sie zu befriedigen, hangen von Umständen ab, die nicht in ihrer Gewalt sind, die aber die höchste Weisheit so ordnete, daß ihre Erhaltung und Glückseligkeit erreicht werden konnte. Sie bleiben in den ihnen vorgezeichneten Gränzen. Der Mensch, mit dem Vorrecht einer höhern Vernunft, sollte seine Sinnlichkeit selbst beherrschen; selbst urtheilen, prüfen, wählen; selbst der Schöpfer seiner Freuden werden. Die Einbildungskraft, dies vorzügliche Geschenk, sollte ihm vergangene und künftige Freuden lebhaft vorstellen. Von jedem Guten sollte er Vorgefühl, Genuß und Nachempfindung haben. Aber eben diese Einbildungskraft veranlaßet oft das Uebergicht seiner Leidenschaften. Sie weckt Triebe in ihm, die nicht das Bedürfniß der genügsamen Natur sind, sondern der Natur vorgreifen und sie mit einer Art von Gewaltthätigkeit zu Ausschweifungen fortreissen, die eben darum gefährlich sind, weil sie unnatürlich sind.</p> <p>Kein Trieb ist so stark, als der Wollusttrieb, und bei keinem ist die Einbildungskraft geschäftiger, ihn zu erwecken. Wenn der Schwelger von seiner mit Leckerbißen besetzten Tafel aufsteht, so ergötzt ihn weiter keine Vorstellung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0017]
den Thieren und die Aufforderungen, sie zu befriedigen, hangen von Umständen ab, die nicht in ihrer Gewalt sind, die aber die höchste Weisheit so ordnete, daß ihre Erhaltung und Glückseligkeit erreicht werden konnte. Sie bleiben in den ihnen vorgezeichneten Gränzen. Der Mensch, mit dem Vorrecht einer höhern Vernunft, sollte seine Sinnlichkeit selbst beherrschen; selbst urtheilen, prüfen, wählen; selbst der Schöpfer seiner Freuden werden. Die Einbildungskraft, dies vorzügliche Geschenk, sollte ihm vergangene und künftige Freuden lebhaft vorstellen. Von jedem Guten sollte er Vorgefühl, Genuß und Nachempfindung haben. Aber eben diese Einbildungskraft veranlaßet oft das Uebergicht seiner Leidenschaften. Sie weckt Triebe in ihm, die nicht das Bedürfniß der genügsamen Natur sind, sondern der Natur vorgreifen und sie mit einer Art von Gewaltthätigkeit zu Ausschweifungen fortreissen, die eben darum gefährlich sind, weil sie unnatürlich sind.
Kein Trieb ist so stark, als der Wollusttrieb, und bei keinem ist die Einbildungskraft geschäftiger, ihn zu erwecken. Wenn der Schwelger von seiner mit Leckerbißen besetzten Tafel aufsteht, so ergötzt ihn weiter keine Vorstellung
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