Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

als wenn ich der öffentlichen Gottesverehrung abgeneigt wäre, und wenn ich nicht zwei Beispiele hätte, daß gerade diese Gelegenheit der feierlichsten Andacht für Kinder eine Gelegenheit geworden wäre, gegen Gott, ihre Nebenmenschen, und sich selbst die abscheulichste Sünde zu begehen. Jch will niemand auf meine Seite reißen. Jch bitte nur zu untersuchen, ob diese Gelegenheit nicht mit unter obige gemachte Bemerkungen über Unthätigkeit und Einsamkeit gezogen werden müße? Ob ein Kind nicht einsam ist in jeder Gesellschaft, wo für ihn keine Theilnehmung statt findet und wo es Langeweile hat? Ob Kinder bis vierzehn, funfzehn Jahr wenigstens wol Unterhaltung genug in unsern öffentlichen gottesdienstlichen Versammlungen finden können? Ob Predigt, Singen und andere Dinge wol ihrer Fähigkeit angemessen sind? Ob sie nicht, wenn auch etwas vorkömmt, das sie intereßiert, doch die längste Zeit über Langeweile haben müßen? Ob sie bei dieser Langeweile nicht in eben der Gefahr sind, wie bei einem jeden andern müßigen Zustande?

Das Mädchen G. trieb die Selbstschwächung, wie ich aus ihrem eigenen Geständniß habe, selten, wenn sie nicht mit der Nähnadel beschäftigt,

als wenn ich der öffentlichen Gottesverehrung abgeneigt wäre, und wenn ich nicht zwei Beispiele hätte, daß gerade diese Gelegenheit der feierlichsten Andacht für Kinder eine Gelegenheit geworden wäre, gegen Gott, ihre Nebenmenschen, und sich selbst die abscheulichste Sünde zu begehen. Jch will niemand auf meine Seite reißen. Jch bitte nur zu untersuchen, ob diese Gelegenheit nicht mit unter obige gemachte Bemerkungen über Unthätigkeit und Einsamkeit gezogen werden müße? Ob ein Kind nicht einsam ist in jeder Gesellschaft, wo für ihn keine Theilnehmung statt findet und wo es Langeweile hat? Ob Kinder bis vierzehn, funfzehn Jahr wenigstens wol Unterhaltung genug in unsern öffentlichen gottesdienstlichen Versammlungen finden können? Ob Predigt, Singen und andere Dinge wol ihrer Fähigkeit angemessen sind? Ob sie nicht, wenn auch etwas vorkömmt, das sie intereßiert, doch die längste Zeit über Langeweile haben müßen? Ob sie bei dieser Langeweile nicht in eben der Gefahr sind, wie bei einem jeden andern müßigen Zustande?

Das Mädchen G. trieb die Selbstschwächung, wie ich aus ihrem eigenen Geständniß habe, selten, wenn sie nicht mit der Nähnadel beschäftigt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0102" n="103"/>
als wenn ich der öffentlichen Gottesverehrung abgeneigt wäre, und wenn ich nicht zwei Beispiele hätte, daß gerade diese Gelegenheit der feierlichsten Andacht für Kinder eine Gelegenheit geworden wäre, gegen Gott, ihre Nebenmenschen, und sich selbst die abscheulichste Sünde zu begehen. Jch will niemand auf meine Seite reißen. Jch bitte nur zu untersuchen, ob diese Gelegenheit nicht mit unter obige gemachte Bemerkungen über Unthätigkeit und Einsamkeit gezogen werden müße? Ob ein Kind nicht einsam ist in jeder Gesellschaft, wo für ihn keine Theilnehmung statt findet und wo es Langeweile hat? Ob Kinder bis vierzehn, funfzehn Jahr wenigstens wol Unterhaltung genug in unsern öffentlichen gottesdienstlichen Versammlungen finden können? Ob Predigt, Singen und andere Dinge wol ihrer Fähigkeit angemessen sind? Ob sie nicht, wenn auch etwas vorkömmt, das sie intereßiert, doch die längste Zeit über Langeweile haben müßen? Ob sie bei dieser Langeweile nicht in eben der Gefahr sind, wie bei einem jeden andern müßigen Zustande?</p>
            <p>Das Mädchen <hi rendition="#aq">G.</hi> trieb die Selbstschwächung, wie ich aus ihrem eigenen Geständniß habe, selten, wenn sie nicht mit der Nähnadel beschäftigt,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0102] als wenn ich der öffentlichen Gottesverehrung abgeneigt wäre, und wenn ich nicht zwei Beispiele hätte, daß gerade diese Gelegenheit der feierlichsten Andacht für Kinder eine Gelegenheit geworden wäre, gegen Gott, ihre Nebenmenschen, und sich selbst die abscheulichste Sünde zu begehen. Jch will niemand auf meine Seite reißen. Jch bitte nur zu untersuchen, ob diese Gelegenheit nicht mit unter obige gemachte Bemerkungen über Unthätigkeit und Einsamkeit gezogen werden müße? Ob ein Kind nicht einsam ist in jeder Gesellschaft, wo für ihn keine Theilnehmung statt findet und wo es Langeweile hat? Ob Kinder bis vierzehn, funfzehn Jahr wenigstens wol Unterhaltung genug in unsern öffentlichen gottesdienstlichen Versammlungen finden können? Ob Predigt, Singen und andere Dinge wol ihrer Fähigkeit angemessen sind? Ob sie nicht, wenn auch etwas vorkömmt, das sie intereßiert, doch die längste Zeit über Langeweile haben müßen? Ob sie bei dieser Langeweile nicht in eben der Gefahr sind, wie bei einem jeden andern müßigen Zustande? Das Mädchen G. trieb die Selbstschwächung, wie ich aus ihrem eigenen Geständniß habe, selten, wenn sie nicht mit der Nähnadel beschäftigt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/102
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/102>, abgerufen am 04.05.2024.