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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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dörffte, würde zu erwarten haben. Wie die Frantzösischen Co-
mödianten, so mit der Comödie von ihm grosses Geld verdienet, demsel-
ben ein Präsent von 50. Livres überschicket, hat er solches nicht annehmen
wollen und gesaget. Er brauchte nicht seinen Unterhalt von sol-
chen Leuten zu nehmen, die ihr Geld damit verdienten, daß
sie sich andern Leuten zum Gelächter machten; Er wäre je-
tzo ein Königlicher Kostgänger, der ihm so lange Brod ge-
ben, biß er in Stand gerathen würde, Paris die wahrhaffte
Tragödie von
Cartouche vorzustellen.

Unter vielen andern Personen ist auch der Pfarr von St. Bartho-
lomäus bey ihm gewesen. Als dieser ihn gefraget, ob er leiden möchte,
wenn er ihn bißweilen besuchte, mit ihm vom Geistlichen Sachen zu reden,
so hat er mit vieler Ehrerbietung geantwortet, daß ihm solches ein grosses
Vergnügen geben würde. Wie der Pfarr hierauff noch weiter gefra-
get, ob er ein geistliches Buch haben wolte, hat er geantwortet: Er könte
weder schreiben noch lesen, da man doch das Gegentheil davon gar wohl
gewust; weil er aber bey der Verhör jedesmahl also geredet, so hat er
auch hierinnen nicht variren wollen, wie er denn durchgehends grosse Be-
hutsamkeit gebrauchet und allemahl in den Wein viel Wasser gegossen,
damit er bey Verstande bleiben und sich nicht etwann verreden möchte.
Man hat auch Cartouchen, der sich oben einen Königl. Kostgänger ge-
nennet, sehr wohl tractiret und ihm täglich zum Frühstück kleine Pa-
steten und ein gut Glaß Wein, des Mittags bey dem Essen eine Bou-
teille Wein und des Abends die Helffte von einem Huhn, oder ander Ge-
bratens gegeben.

Er ist aber weder durch Schärffe noch Güte zu einem Geständniß
seiner Verbrechen zu bringen gewesen. Da er gesehen, daß es nicht mög-
lich wäre, alles abzuläugnen, hat er allerhand artige Raisonnements
über seinen Proceß geführet und gesaget: Er wäre einer der geringsten
Ubelthäter von dem Complot, darunter man ihn gewesen zu seyn beschul-
digte; weil er nichts anders, als nur einige kleine Diebereyen, aber keine
Mordthaten begangen hätte; denn daß er den Exempt todt gestochen,
wäre eine Nothwere gewesen. Durch diese Halßstarrigkeit ist das Par-
lament bewogen worden, ihn zwey Tage vor seinem Tode nebst denje-
nigen, die mit ihm hingerichtet werden sollen, nochmahls auf die Tortur
bringen zu lassen, die so scharff gewesen, daß einer von diesen Bösewich-

tern

doͤrffte, wuͤrde zu erwarten haben. Wie die Frantzoͤſiſchen Co-
moͤdianten, ſo mit der Comoͤdie von ihm groſſes Geld verdienet, demſel-
ben ein Praͤſent von 50. Livres uͤberſchicket, hat er ſolches nicht annehmen
wollen und geſaget. Er brauchte nicht ſeinen Unterhalt von ſol-
chen Leuten zu nehmen, die ihr Geld damit verdienten, daß
ſie ſich andern Leuten zum Gelaͤchter machten; Er waͤre je-
tzo ein Koͤniglicher Koſtgaͤnger, der ihm ſo lange Brod ge-
ben, biß er in Stand gerathen wuͤrde, Paris die wahrhaffte
Tragoͤdie von
Cartouche vorzuſtellen.

Unter vielen andern Perſonen iſt auch der Pfarr von St. Bartho-
lomaͤus bey ihm geweſen. Als dieſer ihn gefraget, ob er leiden moͤchte,
wenn er ihn bißweilen beſuchte, mit ihm vom Geiſtlichen Sachen zu reden,
ſo hat er mit vieler Ehrerbietung geantwortet, daß ihm ſolches ein groſſes
Vergnuͤgen geben wuͤrde. Wie der Pfarr hierauff noch weiter gefra-
get, ob er ein geiſtliches Buch haben wolte, hat er geantwortet: Er koͤnte
weder ſchreiben noch leſen, da man doch das Gegentheil davon gar wohl
gewuſt; weil er aber bey der Verhoͤr jedesmahl alſo geredet, ſo hat er
auch hierinnen nicht variren wollen, wie er denn durchgehends groſſe Be-
hutſamkeit gebrauchet und allemahl in den Wein viel Waſſer gegoſſen,
damit er bey Verſtande bleiben und ſich nicht etwann verreden moͤchte.
Man hat auch Cartouchen, der ſich oben einen Koͤnigl. Koſtgaͤnger ge-
nennet, ſehr wohl tractiret und ihm taͤglich zum Fruͤhſtuͤck kleine Pa-
ſteten und ein gut Glaß Wein, des Mittags bey dem Eſſen eine Bou-
teille Wein und des Abends die Helffte von einem Huhn, oder ander Ge-
bratens gegeben.

Er iſt aber weder durch Schaͤrffe noch Guͤte zu einem Geſtaͤndniß
ſeiner Verbrechen zu bringen geweſen. Da er geſehen, daß es nicht moͤg-
lich waͤre, alles abzulaͤugnen, hat er allerhand artige Raiſonnements
uͤber ſeinen Proceß gefuͤhret und geſaget: Er waͤre einer der geringſten
Ubelthaͤter von dem Complot, darunter man ihn geweſen zu ſeyn beſchul-
digte; weil er nichts anders, als nur einige kleine Diebereyen, aber keine
Mordthaten begangen haͤtte; denn daß er den Exempt todt geſtochen,
waͤre eine Nothwere geweſen. Durch dieſe Halßſtarrigkeit iſt das Par-
lament bewogen worden, ihn zwey Tage vor ſeinem Tode nebſt denje-
nigen, die mit ihm hingerichtet werden ſollen, nochmahls auf die Tortur
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[15/0021] doͤrffte, wuͤrde zu erwarten haben. Wie die Frantzoͤſiſchen Co- moͤdianten, ſo mit der Comoͤdie von ihm groſſes Geld verdienet, demſel- ben ein Praͤſent von 50. Livres uͤberſchicket, hat er ſolches nicht annehmen wollen und geſaget. Er brauchte nicht ſeinen Unterhalt von ſol- chen Leuten zu nehmen, die ihr Geld damit verdienten, daß ſie ſich andern Leuten zum Gelaͤchter machten; Er waͤre je- tzo ein Koͤniglicher Koſtgaͤnger, der ihm ſo lange Brod ge- ben, biß er in Stand gerathen wuͤrde, Paris die wahrhaffte Tragoͤdie von Cartouche vorzuſtellen. Unter vielen andern Perſonen iſt auch der Pfarr von St. Bartho- lomaͤus bey ihm geweſen. Als dieſer ihn gefraget, ob er leiden moͤchte, wenn er ihn bißweilen beſuchte, mit ihm vom Geiſtlichen Sachen zu reden, ſo hat er mit vieler Ehrerbietung geantwortet, daß ihm ſolches ein groſſes Vergnuͤgen geben wuͤrde. Wie der Pfarr hierauff noch weiter gefra- get, ob er ein geiſtliches Buch haben wolte, hat er geantwortet: Er koͤnte weder ſchreiben noch leſen, da man doch das Gegentheil davon gar wohl gewuſt; weil er aber bey der Verhoͤr jedesmahl alſo geredet, ſo hat er auch hierinnen nicht variren wollen, wie er denn durchgehends groſſe Be- hutſamkeit gebrauchet und allemahl in den Wein viel Waſſer gegoſſen, damit er bey Verſtande bleiben und ſich nicht etwann verreden moͤchte. Man hat auch Cartouchen, der ſich oben einen Koͤnigl. Koſtgaͤnger ge- nennet, ſehr wohl tractiret und ihm taͤglich zum Fruͤhſtuͤck kleine Pa- ſteten und ein gut Glaß Wein, des Mittags bey dem Eſſen eine Bou- teille Wein und des Abends die Helffte von einem Huhn, oder ander Ge- bratens gegeben. Er iſt aber weder durch Schaͤrffe noch Guͤte zu einem Geſtaͤndniß ſeiner Verbrechen zu bringen geweſen. Da er geſehen, daß es nicht moͤg- lich waͤre, alles abzulaͤugnen, hat er allerhand artige Raiſonnements uͤber ſeinen Proceß gefuͤhret und geſaget: Er waͤre einer der geringſten Ubelthaͤter von dem Complot, darunter man ihn geweſen zu ſeyn beſchul- digte; weil er nichts anders, als nur einige kleine Diebereyen, aber keine Mordthaten begangen haͤtte; denn daß er den Exempt todt geſtochen, waͤre eine Nothwere geweſen. Durch dieſe Halßſtarrigkeit iſt das Par- lament bewogen worden, ihn zwey Tage vor ſeinem Tode nebſt denje- nigen, die mit ihm hingerichtet werden ſollen, nochmahls auf die Tortur bringen zu laſſen, die ſo ſcharff geweſen, daß einer von dieſen Boͤſewich- tern

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/21>, abgerufen am 21.11.2024.