Nyland, Petrus: Schauplatz Irdischer Geschöpffe. Bd. 1. Osnabrück, 1687.nichts auff eine schlimmere Zeit oder Mißgewächse/ sondern greiffen alles reichlich an; dahingegen können sie auch zur Zeit des Mangels den Hunger und Durst wunderlich ertragen. Sie bereiten auß einer sonderlichen Art Wurtzeln ein fein weisses Mehl/ davon sie ihr Brod haben. Von dem Maiz oder Indianischen Weitzen bereiten sie ihr Geträncke / welches die Weiber durch klopfen und querlen zur Geerung bringen/ und je älter die Weiber seyn/ die dieses Getränck zubereitet haben/ je angenehmer und leckerer es von ihnen geachtet wird. Die Brasilianer halten mit ihren Nachbaren verschiedene Sauff-Feste/ die zum zeiten drey oder vier Tage daure/ oder so lange biß daß der Tranck consumiret ist/ unter einander seyn sie sehr frölich/ singen/ springen und vermahnen ein ander zur Tapferkeit/ auf daß/ wann es an ein streiten gehen soll/ sie viel ihrer Feinde überwinden und gefangen bekommen. Ihre Betten seyn kattunene Hang-Matten/ Netz-weise gestricket/ welche sie an 2. Pfäle auffhangen/ und machen/ ohngefehr ihrer Lager-stette zu Nachte ein Feuer / umb die schädliche Dämpfe/ so aus den Grunde auffsteigen/ zu vertreiben. Die Frauen gebähren ihre Kinder auff die Erde nieder/ und alsdenn nimbt der Vatter das Kind auff/ und beisset mit seinen Zähnen/ oder schneidet mit einen scharf geschliffenen Stein die Nabel-Schnur ab; Und läst es darauff 8. Tage fasten/ biß daß die Wunde genesen ist. Die Frauen waschen sich alsbald in einem Bach oder Strom wieder ab; Sie lassen ihre Kinder ein Jahr und länger saugen / und geben ihnen in zwischen keine andere Speise/ damit sie/ ihrer meinung nach / desto stärcker an Kräfften sollen auffwachsen. Sie lieben dieselbe hertzlich / tragen sie überall mit sich herumb/ und kehren allen fleiß daran/ daß sie nicht zum weinen erwecket werden. Die Männer tragen grosse Sorge für ihre Frauen / dann wann sie etwa über Feld gehen/ gehet der Mann vor und die Frau folget hinten nach/ auf daß/ so ihnen etwa ein wildes Thier oder Feind begegnete / die Frau/ mitler Zeit der Mann sich bemühet selbige abzuwehren/ Zeit haben möge/ in ihre Wohnung zu fliehen: In wiederkehren gehet die Frau vorhin/ umb desto gemächlicher aller Gefahr zu entfliehen können. Die Brasilianer führen keinen Krieg umb Reichthumb oder Gewinn auß dem Raube zu erlangen/ oder ihre Grentzen dadurch zu erweitern/ sondern allein auß Begierde / ihrer Vor-Eltern oder Freunden todt an ihren Feinden zu rächen/ darin sie auch sehr eifrig seyn / nichts auff eine schlimmere Zeit oder Mißgewächse/ sondern greiffen alles reichlich an; dahingegen können sie auch zur Zeit des Mangels den Hunger und Durst wunderlich ertragen. Sie bereiten auß einer sonderlichen Art Wurtzeln ein fein weisses Mehl/ davon sie ihr Brod haben. Von dem Maiz oder Indianischen Weitzen bereiten sie ihr Geträncke / welches die Weiber durch klopfen und querlen zur Geerung bringen/ und je älter die Weiber seyn/ die dieses Getränck zubereitet haben/ je angenehmer und leckerer es von ihnen geachtet wird. Die Brasilianer halten mit ihren Nachbaren verschiedene Sauff-Feste/ die zum zeiten drey oder vier Tage daurë/ oder so lange biß daß der Tranck consumiret ist/ unter einander seyn sie sehr frölich/ singen/ springen und vermahnen ein ander zur Tapferkeit/ auf daß/ wann es an ein streiten gehen soll/ sie viel ihrer Feinde überwinden und gefangen bekommen. Ihre Betten seyn kattunene Hang-Matten/ Netz-weise gestricket/ welche sie an 2. Pfäle auffhangen/ und machen/ ohngefehr ihrer Lager-stette zu Nachte ein Feuer / umb die schädliche Dämpfe/ so aus den Grunde auffsteigen/ zu vertreiben. Die Frauen gebähren ihre Kinder auff die Erde nieder/ und alsdenn nimbt der Vatter das Kind auff/ und beisset mit seinen Zähnen/ oder schneidet mit einen scharf geschliffenen Stein die Nabel-Schnur ab; Und läst es darauff 8. Tage fasten/ biß daß die Wunde genesen ist. Die Frauen waschen sich alsbald in einem Bach oder Strom wieder ab; Sie lassen ihre Kinder ein Jahr und länger saugen / und geben ihnen in zwischen keine andere Speise/ damit sie/ ihrer meinung nach / desto stärcker an Kräfften sollen auffwachsen. Sie lieben dieselbe hertzlich / tragen sie überall mit sich herumb/ und kehren allen fleiß daran/ daß sie nicht zum weinen erwecket werden. Die Männer tragen grosse Sorge für ihre Frauen / dann wann sie etwa über Feld gehen/ gehet der Mann vor und die Frau folget hinten nach/ auf daß/ so ihnen etwa ein wildes Thier oder Feind begegnete / die Frau/ mitler Zeit der Mann sich bemühet selbige abzuwehren/ Zeit haben möge/ in ihre Wohnung zu fliehen: In wiederkehren gehet die Frau vorhin/ umb desto gemächlicher aller Gefahr zu entfliehen können. Die Brasilianer führen keinen Krieg umb Reichthumb oder Gewinn auß dem Raube zu erlangen/ oder ihre Grentzen dadurch zu erweitern/ sondern allein auß Begierde / ihrer Vor-Eltern oder Freunden todt an ihren Feinden zu rächen/ darin sie auch sehr eifrig seyn / <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0057" n="45"/> nichts auff eine schlimmere Zeit oder Mißgewächse/ sondern greiffen alles reichlich an; dahingegen können sie auch zur Zeit des Mangels den Hunger und Durst wunderlich ertragen. Sie bereiten auß einer sonderlichen Art Wurtzeln ein fein weisses Mehl/ davon sie ihr Brod haben. Von dem Maiz oder Indianischen Weitzen bereiten sie ihr Geträncke / welches die Weiber durch klopfen und querlen zur Geerung bringen/ und je älter die Weiber seyn/ die dieses Getränck zubereitet haben/ je angenehmer und leckerer es von ihnen geachtet wird.</p> <p>Die Brasilianer halten mit ihren Nachbaren verschiedene Sauff-Feste/ die zum zeiten drey oder vier Tage daurë/ oder so lange biß daß der Tranck consumiret ist/ unter einander seyn sie sehr frölich/ singen/ springen und vermahnen ein ander zur Tapferkeit/ auf daß/ wann es an ein streiten gehen soll/ sie viel ihrer Feinde überwinden und gefangen bekommen.</p> <p>Ihre Betten seyn kattunene Hang-Matten/ Netz-weise gestricket/ welche sie an 2. Pfäle auffhangen/ und machen/ ohngefehr ihrer Lager-stette zu Nachte ein Feuer / umb die schädliche Dämpfe/ so aus den Grunde auffsteigen/ zu vertreiben.</p> <p>Die Frauen gebähren ihre Kinder auff die Erde nieder/ und alsdenn nimbt der Vatter das Kind auff/ und beisset mit seinen Zähnen/ oder schneidet mit einen scharf geschliffenen Stein die Nabel-Schnur ab; Und läst es darauff 8. Tage fasten/ biß daß die Wunde genesen ist. Die Frauen waschen sich alsbald in einem Bach oder Strom wieder ab; Sie lassen ihre Kinder ein Jahr und länger saugen / und geben ihnen in zwischen keine andere Speise/ damit sie/ ihrer meinung nach / desto stärcker an Kräfften sollen auffwachsen. Sie lieben dieselbe hertzlich / tragen sie überall mit sich herumb/ und kehren allen fleiß daran/ daß sie nicht zum weinen erwecket werden. Die Männer tragen grosse Sorge für ihre Frauen / dann wann sie etwa über Feld gehen/ gehet der Mann vor und die Frau folget hinten nach/ auf daß/ so ihnen etwa ein wildes Thier oder Feind begegnete / die Frau/ mitler Zeit der Mann sich bemühet selbige abzuwehren/ Zeit haben möge/ in ihre Wohnung zu fliehen: In wiederkehren gehet die Frau vorhin/ umb desto gemächlicher aller Gefahr zu entfliehen können.</p> <p>Die Brasilianer führen keinen Krieg umb Reichthumb oder Gewinn auß dem Raube zu erlangen/ oder ihre Grentzen dadurch zu erweitern/ sondern allein auß Begierde / ihrer Vor-Eltern oder Freunden todt an ihren Feinden zu rächen/ darin sie auch sehr eifrig seyn / </p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0057]
nichts auff eine schlimmere Zeit oder Mißgewächse/ sondern greiffen alles reichlich an; dahingegen können sie auch zur Zeit des Mangels den Hunger und Durst wunderlich ertragen. Sie bereiten auß einer sonderlichen Art Wurtzeln ein fein weisses Mehl/ davon sie ihr Brod haben. Von dem Maiz oder Indianischen Weitzen bereiten sie ihr Geträncke / welches die Weiber durch klopfen und querlen zur Geerung bringen/ und je älter die Weiber seyn/ die dieses Getränck zubereitet haben/ je angenehmer und leckerer es von ihnen geachtet wird.
Die Brasilianer halten mit ihren Nachbaren verschiedene Sauff-Feste/ die zum zeiten drey oder vier Tage daurë/ oder so lange biß daß der Tranck consumiret ist/ unter einander seyn sie sehr frölich/ singen/ springen und vermahnen ein ander zur Tapferkeit/ auf daß/ wann es an ein streiten gehen soll/ sie viel ihrer Feinde überwinden und gefangen bekommen.
Ihre Betten seyn kattunene Hang-Matten/ Netz-weise gestricket/ welche sie an 2. Pfäle auffhangen/ und machen/ ohngefehr ihrer Lager-stette zu Nachte ein Feuer / umb die schädliche Dämpfe/ so aus den Grunde auffsteigen/ zu vertreiben.
Die Frauen gebähren ihre Kinder auff die Erde nieder/ und alsdenn nimbt der Vatter das Kind auff/ und beisset mit seinen Zähnen/ oder schneidet mit einen scharf geschliffenen Stein die Nabel-Schnur ab; Und läst es darauff 8. Tage fasten/ biß daß die Wunde genesen ist. Die Frauen waschen sich alsbald in einem Bach oder Strom wieder ab; Sie lassen ihre Kinder ein Jahr und länger saugen / und geben ihnen in zwischen keine andere Speise/ damit sie/ ihrer meinung nach / desto stärcker an Kräfften sollen auffwachsen. Sie lieben dieselbe hertzlich / tragen sie überall mit sich herumb/ und kehren allen fleiß daran/ daß sie nicht zum weinen erwecket werden. Die Männer tragen grosse Sorge für ihre Frauen / dann wann sie etwa über Feld gehen/ gehet der Mann vor und die Frau folget hinten nach/ auf daß/ so ihnen etwa ein wildes Thier oder Feind begegnete / die Frau/ mitler Zeit der Mann sich bemühet selbige abzuwehren/ Zeit haben möge/ in ihre Wohnung zu fliehen: In wiederkehren gehet die Frau vorhin/ umb desto gemächlicher aller Gefahr zu entfliehen können.
Die Brasilianer führen keinen Krieg umb Reichthumb oder Gewinn auß dem Raube zu erlangen/ oder ihre Grentzen dadurch zu erweitern/ sondern allein auß Begierde / ihrer Vor-Eltern oder Freunden todt an ihren Feinden zu rächen/ darin sie auch sehr eifrig seyn /
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Zitationshilfe: | Nyland, Petrus: Schauplatz Irdischer Geschöpffe. Bd. 1. Osnabrück, 1687, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nylandt_schauplatz01_1678/57>, abgerufen am 03.07.2024. |