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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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der Blitze in den süßesten Rausch ein, der
je ein sterbliches Paar beseligt haben mag.
Der Anbruch des lichten blauen Morgens
war für sie das Erwachen in einer neuen se¬
ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen,
der jedoch bald aus den Augen der Prinzes¬
sin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die
erwachenden tausendfachen Bekümmernisse ih¬
res Herzens. Er war in dieser Nacht um
mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge
zum Manne geworden. Mit überschwengli¬
cher Begeisterung tröstete er seine Geliebte,
erinnerte sie an die Heiligkeit der wahrhaf¬
ten Liebe, und an den hohen Glauben, den
sie einflöße, und bat sie, die heiterste Zukunft
von dem Schutzgeist ihres Herzens mit Zu¬
versicht zu erwarten. Die Prinzessin fühlte
die Wahrheit seines Trostes, und entdeckte
ihm, sie sey die Tochter des Königs, und nur
bange wegen des Stolzes und der Beküm¬

der Blitze in den ſüßeſten Rauſch ein, der
je ein ſterbliches Paar beſeligt haben mag.
Der Anbruch des lichten blauen Morgens
war für ſie das Erwachen in einer neuen ſe¬
ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen,
der jedoch bald aus den Augen der Prinzeſ¬
ſin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die
erwachenden tauſendfachen Bekümmerniſſe ih¬
res Herzens. Er war in dieſer Nacht um
mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge
zum Manne geworden. Mit überſchwengli¬
cher Begeiſterung tröſtete er ſeine Geliebte,
erinnerte ſie an die Heiligkeit der wahrhaf¬
ten Liebe, und an den hohen Glauben, den
ſie einflöße, und bat ſie, die heiterſte Zukunft
von dem Schutzgeiſt ihres Herzens mit Zu¬
verſicht zu erwarten. Die Prinzeſſin fühlte
die Wahrheit ſeines Troſtes, und entdeckte
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[85/0093] der Blitze in den ſüßeſten Rauſch ein, der je ein ſterbliches Paar beſeligt haben mag. Der Anbruch des lichten blauen Morgens war für ſie das Erwachen in einer neuen ſe¬ ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen, der jedoch bald aus den Augen der Prinzeſ¬ ſin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die erwachenden tauſendfachen Bekümmerniſſe ih¬ res Herzens. Er war in dieſer Nacht um mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge zum Manne geworden. Mit überſchwengli¬ cher Begeiſterung tröſtete er ſeine Geliebte, erinnerte ſie an die Heiligkeit der wahrhaf¬ ten Liebe, und an den hohen Glauben, den ſie einflöße, und bat ſie, die heiterſte Zukunft von dem Schutzgeiſt ihres Herzens mit Zu¬ verſicht zu erwarten. Die Prinzeſſin fühlte die Wahrheit ſeines Troſtes, und entdeckte ihm, ſie ſey die Tochter des Königs, und nur bange wegen des Stolzes und der Beküm¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/93>, abgerufen am 22.07.2024.