Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

der Blitze in den süßesten Rausch ein, der
je ein sterbliches Paar beseligt haben mag.
Der Anbruch des lichten blauen Morgens
war für sie das Erwachen in einer neuen se¬
ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen,
der jedoch bald aus den Augen der Prinzes¬
sin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die
erwachenden tausendfachen Bekümmernisse ih¬
res Herzens. Er war in dieser Nacht um
mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge
zum Manne geworden. Mit überschwengli¬
cher Begeisterung tröstete er seine Geliebte,
erinnerte sie an die Heiligkeit der wahrhaf¬
ten Liebe, und an den hohen Glauben, den
sie einflöße, und bat sie, die heiterste Zukunft
von dem Schutzgeist ihres Herzens mit Zu¬
versicht zu erwarten. Die Prinzessin fühlte
die Wahrheit seines Trostes, und entdeckte
ihm, sie sey die Tochter des Königs, und nur
bange wegen des Stolzes und der Beküm¬

der Blitze in den ſüßeſten Rauſch ein, der
je ein ſterbliches Paar beſeligt haben mag.
Der Anbruch des lichten blauen Morgens
war für ſie das Erwachen in einer neuen ſe¬
ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen,
der jedoch bald aus den Augen der Prinzeſ¬
ſin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die
erwachenden tauſendfachen Bekümmerniſſe ih¬
res Herzens. Er war in dieſer Nacht um
mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge
zum Manne geworden. Mit überſchwengli¬
cher Begeiſterung tröſtete er ſeine Geliebte,
erinnerte ſie an die Heiligkeit der wahrhaf¬
ten Liebe, und an den hohen Glauben, den
ſie einflöße, und bat ſie, die heiterſte Zukunft
von dem Schutzgeiſt ihres Herzens mit Zu¬
verſicht zu erwarten. Die Prinzeſſin fühlte
die Wahrheit ſeines Troſtes, und entdeckte
ihm, ſie ſey die Tochter des Königs, und nur
bange wegen des Stolzes und der Beküm¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0093" n="85"/>
der Blitze in den &#x017F;üße&#x017F;ten Rau&#x017F;ch ein, der<lb/>
je ein &#x017F;terbliches Paar be&#x017F;eligt haben mag.<lb/>
Der Anbruch des lichten blauen Morgens<lb/>
war für &#x017F;ie das Erwachen in einer neuen &#x017F;<lb/>
ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen,<lb/>
der jedoch bald aus den Augen der Prinze&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;in hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die<lb/>
erwachenden tau&#x017F;endfachen Bekümmerni&#x017F;&#x017F;e ih¬<lb/>
res Herzens. Er war in die&#x017F;er Nacht um<lb/>
mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge<lb/>
zum Manne geworden. Mit über&#x017F;chwengli¬<lb/>
cher Begei&#x017F;terung trö&#x017F;tete er &#x017F;eine Geliebte,<lb/>
erinnerte &#x017F;ie an die Heiligkeit der wahrhaf¬<lb/>
ten Liebe, und an den hohen Glauben, den<lb/>
&#x017F;ie einflöße, und bat &#x017F;ie, die heiter&#x017F;te Zukunft<lb/>
von dem Schutzgei&#x017F;t ihres Herzens mit Zu¬<lb/>
ver&#x017F;icht zu erwarten. Die Prinze&#x017F;&#x017F;in fühlte<lb/>
die Wahrheit &#x017F;eines Tro&#x017F;tes, und entdeckte<lb/>
ihm, &#x017F;ie &#x017F;ey die Tochter des Königs, und nur<lb/>
bange wegen des Stolzes und der Beküm¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0093] der Blitze in den ſüßeſten Rauſch ein, der je ein ſterbliches Paar beſeligt haben mag. Der Anbruch des lichten blauen Morgens war für ſie das Erwachen in einer neuen ſe¬ ligen Welt. Ein Strom heißer Thränen, der jedoch bald aus den Augen der Prinzeſ¬ ſin hervorbrach, verrieth ihrem Geliebten die erwachenden tauſendfachen Bekümmerniſſe ih¬ res Herzens. Er war in dieſer Nacht um mehrere Jahre älter, aus einem Jünglinge zum Manne geworden. Mit überſchwengli¬ cher Begeiſterung tröſtete er ſeine Geliebte, erinnerte ſie an die Heiligkeit der wahrhaf¬ ten Liebe, und an den hohen Glauben, den ſie einflöße, und bat ſie, die heiterſte Zukunft von dem Schutzgeiſt ihres Herzens mit Zu¬ verſicht zu erwarten. Die Prinzeſſin fühlte die Wahrheit ſeines Troſtes, und entdeckte ihm, ſie ſey die Tochter des Königs, und nur bange wegen des Stolzes und der Beküm¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/93
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/93>, abgerufen am 24.11.2024.