Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

scheucht wurden, die in allen Gemüthern
herrschend war. Frieden der Seele und inn¬
res seeliges Anschauen einer selbst geschaffe¬
nen, glücklichen Welt war das Eigenthum
dieser wunderbaren Zeit geworden, und die
Zwietracht erschien nur in den alten Sa¬
gen der Dichter, als eine ehmalige Fein¬
dinn der Menschen. Es schien, als hätten
die Geister des Gesanges ihrem Beschützer
kein lieblicheres Zeichen der Dankbarkeit ge¬
ben können, als seine Tochter, die alles besaß,
was die süßeste Einbildungskraft nur in der
zarten Gestalt eines Mädchens vereinigen
konnte. Wenn man sie an den schönen Fe¬
sten unter einer Schaar reißender Gespielen,
im weißen glänzenden Gewande erblickte,
wie sie den Wettgesängen der begeisterten
Sänger mit tiefem Lauschen zuhörte, und er¬
röthend einen duftenden Kranz auf die Lok¬
ken des Glücklichen drückte, dessen Lied den

ſcheucht wurden, die in allen Gemüthern
herrſchend war. Frieden der Seele und inn¬
res ſeeliges Anſchauen einer ſelbſt geſchaffe¬
nen, glücklichen Welt war das Eigenthum
dieſer wunderbaren Zeit geworden, und die
Zwietracht erſchien nur in den alten Sa¬
gen der Dichter, als eine ehmalige Fein¬
dinn der Menſchen. Es ſchien, als hätten
die Geiſter des Geſanges ihrem Beſchützer
kein lieblicheres Zeichen der Dankbarkeit ge¬
ben können, als ſeine Tochter, die alles beſaß,
was die ſüßeſte Einbildungskraft nur in der
zarten Geſtalt eines Mädchens vereinigen
konnte. Wenn man ſie an den ſchönen Fe¬
ſten unter einer Schaar reißender Geſpielen,
im weißen glänzenden Gewande erblickte,
wie ſie den Wettgeſängen der begeiſterten
Sänger mit tiefem Lauſchen zuhörte, und er¬
röthend einen duftenden Kranz auf die Lok¬
ken des Glücklichen drückte, deſſen Lied den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="63"/>
&#x017F;cheucht wurden, die in allen Gemüthern<lb/>
herr&#x017F;chend war. Frieden der Seele und inn¬<lb/>
res &#x017F;eeliges An&#x017F;chauen einer &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chaffe¬<lb/>
nen, glücklichen Welt war das Eigenthum<lb/>
die&#x017F;er wunderbaren Zeit geworden, und die<lb/>
Zwietracht er&#x017F;chien nur in den alten Sa¬<lb/>
gen der Dichter, als eine ehmalige Fein¬<lb/>
dinn der Men&#x017F;chen. Es &#x017F;chien, als hätten<lb/>
die Gei&#x017F;ter des Ge&#x017F;anges ihrem Be&#x017F;chützer<lb/>
kein lieblicheres Zeichen der Dankbarkeit ge¬<lb/>
ben können, als &#x017F;eine Tochter, die alles be&#x017F;aß,<lb/>
was die &#x017F;üße&#x017F;te Einbildungskraft nur in der<lb/>
zarten Ge&#x017F;talt eines Mädchens vereinigen<lb/>
konnte. Wenn man &#x017F;ie an den &#x017F;chönen Fe¬<lb/>
&#x017F;ten unter einer Schaar reißender Ge&#x017F;pielen,<lb/>
im weißen glänzenden Gewande erblickte,<lb/>
wie &#x017F;ie den Wettge&#x017F;ängen der begei&#x017F;terten<lb/>
Sänger mit tiefem Lau&#x017F;chen zuhörte, und er¬<lb/>
röthend einen duftenden Kranz auf die Lok¬<lb/>
ken des Glücklichen drückte, de&#x017F;&#x017F;en Lied den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] ſcheucht wurden, die in allen Gemüthern herrſchend war. Frieden der Seele und inn¬ res ſeeliges Anſchauen einer ſelbſt geſchaffe¬ nen, glücklichen Welt war das Eigenthum dieſer wunderbaren Zeit geworden, und die Zwietracht erſchien nur in den alten Sa¬ gen der Dichter, als eine ehmalige Fein¬ dinn der Menſchen. Es ſchien, als hätten die Geiſter des Geſanges ihrem Beſchützer kein lieblicheres Zeichen der Dankbarkeit ge¬ ben können, als ſeine Tochter, die alles beſaß, was die ſüßeſte Einbildungskraft nur in der zarten Geſtalt eines Mädchens vereinigen konnte. Wenn man ſie an den ſchönen Fe¬ ſten unter einer Schaar reißender Geſpielen, im weißen glänzenden Gewande erblickte, wie ſie den Wettgeſängen der begeiſterten Sänger mit tiefem Lauſchen zuhörte, und er¬ röthend einen duftenden Kranz auf die Lok¬ ken des Glücklichen drückte, deſſen Lied den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/71
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/71>, abgerufen am 23.11.2024.