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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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Sie trat ins Zimmer. Sophie stand am
Altar, der wieder aufgebaut war. Eros lag
zu ihren Füßen in voller Rüstung, ernster
und edler als jemals. Ein prächtiger Kron¬
leuchter hing von der Decke. Mit bunten
Steinen war der Fußboden ausgelegt, und
zeigte einen großen Kreis um den Altar her,
der aus lauter edlen bedeutungsvollen Figuren
bestand. Ginnistan bog sich über ein Ruhe¬
bett, worauf der Vater in tiefem Schlummer
zu liegen schien, und weinte. Ihre blühende
Anmuth war durch einen Zug von Andacht
und Liebe unendlich erhöht. Fabel reichte
die Urne, worin die Asche gesammelt war,
der heiligen Sophie, die sie zärtlich um¬
armte.

Liebliches Kind, sagte sie, dein Eifer und
deine Treue haben dir einen Platz unter den
ewigen Sternen erworben. Du hast das Un¬
sterbliche in dir gewählt. Der Phönix ge¬

Sie trat ins Zimmer. Sophie ſtand am
Altar, der wieder aufgebaut war. Eros lag
zu ihren Füßen in voller Rüſtung, ernſter
und edler als jemals. Ein prächtiger Kron¬
leuchter hing von der Decke. Mit bunten
Steinen war der Fußboden ausgelegt, und
zeigte einen großen Kreis um den Altar her,
der aus lauter edlen bedeutungsvollen Figuren
beſtand. Ginniſtan bog ſich über ein Ruhe¬
bett, worauf der Vater in tiefem Schlummer
zu liegen ſchien, und weinte. Ihre blühende
Anmuth war durch einen Zug von Andacht
und Liebe unendlich erhöht. Fabel reichte
die Urne, worin die Aſche geſammelt war,
der heiligen Sophie, die ſie zärtlich um¬
armte.

Liebliches Kind, ſagte ſie, dein Eifer und
deine Treue haben dir einen Platz unter den
ewigen Sternen erworben. Du haſt das Un¬
ſterbliche in dir gewählt. Der Phönix ge¬

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[326/0334] Sie trat ins Zimmer. Sophie ſtand am Altar, der wieder aufgebaut war. Eros lag zu ihren Füßen in voller Rüſtung, ernſter und edler als jemals. Ein prächtiger Kron¬ leuchter hing von der Decke. Mit bunten Steinen war der Fußboden ausgelegt, und zeigte einen großen Kreis um den Altar her, der aus lauter edlen bedeutungsvollen Figuren beſtand. Ginniſtan bog ſich über ein Ruhe¬ bett, worauf der Vater in tiefem Schlummer zu liegen ſchien, und weinte. Ihre blühende Anmuth war durch einen Zug von Andacht und Liebe unendlich erhöht. Fabel reichte die Urne, worin die Aſche geſammelt war, der heiligen Sophie, die ſie zärtlich um¬ armte. Liebliches Kind, ſagte ſie, dein Eifer und deine Treue haben dir einen Platz unter den ewigen Sternen erworben. Du haſt das Un¬ ſterbliche in dir gewählt. Der Phönix ge¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/334>, abgerufen am 19.05.2024.