Feuer eines Irrlichts, der heilige Ernst in verstellte Schalkheit, die bedeutende Ruhe in kindische Unstätigkeit, der edle Anstand in drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fühl¬ te mich von einer ernsthaften Leidenschaft unwiderstehlich zu dem muthwilligen Kna¬ ben gezogen, und empfand schmerzlich seinen lächelnden Hohn, und seine Gleichgültigkeit gegen meine rührendsten Bitten. Ich sah meine Gestalt verändert. Meine sorglose Heiterkeit war verschwunden, und hatte ei¬ ner traurigen Bekümmerniß, einer zärtli¬ chen Schüchternheit Platz gemacht. Ich hät¬ mich mit Eros vor allen Augen verbergen mögen. Ich hatte nicht das Herz in seine beleidigenden Augen zu sehn, und fühlte mich entsetzlich beschämt und erniedrigt. Ich hatte keinen andern Gedanken, als ihn, und hätte mein Leben hingegeben, um ihn von seinen Unarten zu befreyen. Ich mußte ihn
Feuer eines Irrlichts, der heilige Ernſt in verſtellte Schalkheit, die bedeutende Ruhe in kindiſche Unſtätigkeit, der edle Anſtand in drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fühl¬ te mich von einer ernſthaften Leidenſchaft unwiderſtehlich zu dem muthwilligen Kna¬ ben gezogen, und empfand ſchmerzlich ſeinen lächelnden Hohn, und ſeine Gleichgültigkeit gegen meine rührendſten Bitten. Ich ſah meine Geſtalt verändert. Meine ſorgloſe Heiterkeit war verſchwunden, und hatte ei¬ ner traurigen Bekümmerniß, einer zärtli¬ chen Schüchternheit Platz gemacht. Ich hät¬ mich mit Eros vor allen Augen verbergen mögen. Ich hatte nicht das Herz in ſeine beleidigenden Augen zu ſehn, und fühlte mich entſetzlich beſchämt und erniedrigt. Ich hatte keinen andern Gedanken, als ihn, und hätte mein Leben hingegeben, um ihn von ſeinen Unarten zu befreyen. Ich mußte ihn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0319"n="311"/>
Feuer eines Irrlichts, der heilige Ernſt in<lb/>
verſtellte Schalkheit, die bedeutende Ruhe in<lb/>
kindiſche Unſtätigkeit, der edle Anſtand in<lb/>
drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fühl¬<lb/>
te mich von einer ernſthaften Leidenſchaft<lb/>
unwiderſtehlich zu dem muthwilligen Kna¬<lb/>
ben gezogen, und empfand ſchmerzlich ſeinen<lb/>
lächelnden Hohn, und ſeine Gleichgültigkeit<lb/>
gegen meine rührendſten Bitten. Ich ſah<lb/>
meine Geſtalt verändert. Meine ſorgloſe<lb/>
Heiterkeit war verſchwunden, und hatte ei¬<lb/>
ner traurigen Bekümmerniß, einer zärtli¬<lb/>
chen Schüchternheit Platz gemacht. Ich hät¬<lb/>
mich mit Eros vor allen Augen verbergen<lb/>
mögen. Ich hatte nicht das Herz in ſeine<lb/>
beleidigenden Augen zu ſehn, und fühlte<lb/>
mich entſetzlich beſchämt und erniedrigt. Ich<lb/>
hatte keinen andern Gedanken, als ihn, und<lb/>
hätte mein Leben hingegeben, um ihn von<lb/>ſeinen Unarten zu befreyen. Ich mußte ihn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[311/0319]
Feuer eines Irrlichts, der heilige Ernſt in
verſtellte Schalkheit, die bedeutende Ruhe in
kindiſche Unſtätigkeit, der edle Anſtand in
drollige Beweglichkeit verwandelt. Ich fühl¬
te mich von einer ernſthaften Leidenſchaft
unwiderſtehlich zu dem muthwilligen Kna¬
ben gezogen, und empfand ſchmerzlich ſeinen
lächelnden Hohn, und ſeine Gleichgültigkeit
gegen meine rührendſten Bitten. Ich ſah
meine Geſtalt verändert. Meine ſorgloſe
Heiterkeit war verſchwunden, und hatte ei¬
ner traurigen Bekümmerniß, einer zärtli¬
chen Schüchternheit Platz gemacht. Ich hät¬
mich mit Eros vor allen Augen verbergen
mögen. Ich hatte nicht das Herz in ſeine
beleidigenden Augen zu ſehn, und fühlte
mich entſetzlich beſchämt und erniedrigt. Ich
hatte keinen andern Gedanken, als ihn, und
hätte mein Leben hingegeben, um ihn von
ſeinen Unarten zu befreyen. Ich mußte ihn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/319>, abgerufen am 18.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.