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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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freundinnen zu sprechen, die ihr zu einem so
wohlgebildeten und so hoffnungsvollen Sohn
Glück wünschten. Klingsohr sagte zu
Schwaning: Euer Enkel hat ein anziehendes
Gesicht. Es zeigt ein klares und umfassen¬
des Gemüth, und seine Stimme kommt tief
aus dem Herzen. Ich hoffe, erwiederte
Schwaning, daß er euer gelehriger Schüler
seyn wird. Mich däucht er ist zum Dichter
geboren. Euer Geist komme über ihn. Er
sieht seinem Vater ähnlich; nur scheint er
weniger heftig und eigensinnig. Jener war
in seiner Jugend voll glücklicher Anlagen.
Eine gewisse Freysinnigkeit fehlte ihm. Es
hätte mehr aus ihm werden können, als ein
fleißiger und fertiger Künstler. -- Heinrich
wünschte den Tanz nie zu endigen. Mit in¬
nigem Wohlgefallen ruhte sein Auge auf den
Rosen seiner Tänzerin. Ihr unschuldiges
Auge vermied ihn nicht. Sie schien der

freundinnen zu ſprechen, die ihr zu einem ſo
wohlgebildeten und ſo hoffnungsvollen Sohn
Glück wünſchten. Klingsohr ſagte zu
Schwaning: Euer Enkel hat ein anziehendes
Geſicht. Es zeigt ein klares und umfaſſen¬
des Gemüth, und ſeine Stimme kommt tief
aus dem Herzen. Ich hoffe, erwiederte
Schwaning, daß er euer gelehriger Schüler
ſeyn wird. Mich däucht er iſt zum Dichter
geboren. Euer Geiſt komme über ihn. Er
ſieht ſeinem Vater ähnlich; nur ſcheint er
weniger heftig und eigenſinnig. Jener war
in ſeiner Jugend voll glücklicher Anlagen.
Eine gewiſſe Freyſinnigkeit fehlte ihm. Es
hätte mehr aus ihm werden können, als ein
fleißiger und fertiger Künſtler. — Heinrich
wünſchte den Tanz nie zu endigen. Mit in¬
nigem Wohlgefallen ruhte ſein Auge auf den
Roſen ſeiner Tänzerin. Ihr unſchuldiges
Auge vermied ihn nicht. Sie ſchien der

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[215/0223] freundinnen zu ſprechen, die ihr zu einem ſo wohlgebildeten und ſo hoffnungsvollen Sohn Glück wünſchten. Klingsohr ſagte zu Schwaning: Euer Enkel hat ein anziehendes Geſicht. Es zeigt ein klares und umfaſſen¬ des Gemüth, und ſeine Stimme kommt tief aus dem Herzen. Ich hoffe, erwiederte Schwaning, daß er euer gelehriger Schüler ſeyn wird. Mich däucht er iſt zum Dichter geboren. Euer Geiſt komme über ihn. Er ſieht ſeinem Vater ähnlich; nur ſcheint er weniger heftig und eigenſinnig. Jener war in ſeiner Jugend voll glücklicher Anlagen. Eine gewiſſe Freyſinnigkeit fehlte ihm. Es hätte mehr aus ihm werden können, als ein fleißiger und fertiger Künſtler. — Heinrich wünſchte den Tanz nie zu endigen. Mit in¬ nigem Wohlgefallen ruhte ſein Auge auf den Roſen ſeiner Tänzerin. Ihr unſchuldiges Auge vermied ihn nicht. Sie ſchien der

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/223>, abgerufen am 09.05.2024.