Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.habe ich doch zuweilen meine Betrachtungen Kum¬
habe ich doch zuweilen meine Betrachtungen Kum¬
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habe ich doch zuweilen meine Betrachtungen
über dieſe glänzenden Streifen gehabt, die
wie ſeltſame Knospen auf eine unerwartete
Blüthe und Frucht deuten. Wie hätte ich
damals denken können, wenn ich froh über
das Licht des Tages an dieſen dunkeln Be¬
hauſungen vorbeyzog, daß ich noch im
Schooße eines Berges mein Leben beſchließen
würde. Meine Liebe trug mich ſtolz über
den Erdboden, und in ihrer Umarmung hoff¬
te ich in ſpäten Jahren zu entſchlafen. Der
Krieg endigte, und ich zog nach Hauſe, voll
froher Erwartungen eines erquicklichen Herb¬
ſtes. Aber der Geiſt des Krieges ſchien der
Geiſt meines Glücks zu ſeyn. Meine Marie
hatte mir zwey Kinder im Orient geboren.
Sie waren die Freude unſers Leben. Die
Seefahrt und die rauhere Abendländiſche
Luft ſtörte ihre Blüthe. Ich begrub ſie we¬
nig Tage nach meiner Ankunft in Europa.
Kum¬
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Zitationshilfe: | Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/200>, abgerufen am 16.02.2025. |