Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

gung der Natur und der Wiederkehr eines
ewigen goldenen Zeitalters. Die alten Dichter
tragen selbst von Begeisterung hingerissen, wäh¬
rend des Gesanges näher um den seltsamen
Fremdling her. Ein niegefühltes Entzücken
ergriff die Zuschauer, und der König selbst
fühlte sich wie auf einem Strom des Him¬
mels weggetragen. Ein solcher Gesang war
nie vernommen worden, und Alle glaubten,
ein himmlisches Wesen sey unter ihnen er¬
schienen, besonders da der Jüngling unterm
Singen immer schöner, immer herrlicher, und
seine Stimme immer gewaltiger zu werden
schien. Die Luft spielte mit seinen goldenen
Locken. Die Laute schien sich unter seinen
Händen zu beseelen, und sein Blick schien
trunken in eine geheimere Welt hinüber zu
schauen. Auch die Kinderunschuld und Ein¬
falt seines Gesichts schien allen übernatür¬
lich. Nun war der herrliche Gesang geen¬

gung der Natur und der Wiederkehr eines
ewigen goldenen Zeitalters. Die alten Dichter
tragen ſelbſt von Begeiſterung hingeriſſen, wäh¬
rend des Geſanges näher um den ſeltſamen
Fremdling her. Ein niegefühltes Entzücken
ergriff die Zuſchauer, und der König ſelbſt
fühlte ſich wie auf einem Strom des Him¬
mels weggetragen. Ein ſolcher Geſang war
nie vernommen worden, und Alle glaubten,
ein himmliſches Weſen ſey unter ihnen er¬
ſchienen, beſonders da der Jüngling unterm
Singen immer ſchöner, immer herrlicher, und
ſeine Stimme immer gewaltiger zu werden
ſchien. Die Luft ſpielte mit ſeinen goldenen
Locken. Die Laute ſchien ſich unter ſeinen
Händen zu beſeelen, und ſein Blick ſchien
trunken in eine geheimere Welt hinüber zu
ſchauen. Auch die Kinderunſchuld und Ein¬
falt ſeines Geſichts ſchien allen übernatür¬
lich. Nun war der herrliche Geſang geen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0102" n="94"/>
gung der Natur und der Wiederkehr eines<lb/>
ewigen goldenen Zeitalters. Die alten Dichter<lb/>
tragen &#x017F;elb&#x017F;t von Begei&#x017F;terung hingeri&#x017F;&#x017F;en, wäh¬<lb/>
rend des Ge&#x017F;anges näher um den &#x017F;elt&#x017F;amen<lb/>
Fremdling her. Ein niegefühltes Entzücken<lb/>
ergriff die Zu&#x017F;chauer, und der König &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
fühlte &#x017F;ich wie auf einem Strom des Him¬<lb/>
mels weggetragen. Ein &#x017F;olcher Ge&#x017F;ang war<lb/>
nie vernommen worden, und Alle glaubten,<lb/>
ein himmli&#x017F;ches We&#x017F;en &#x017F;ey unter ihnen er¬<lb/>
&#x017F;chienen, be&#x017F;onders da der Jüngling unterm<lb/>
Singen immer &#x017F;chöner, immer herrlicher, und<lb/>
&#x017F;eine Stimme immer gewaltiger zu werden<lb/>
&#x017F;chien. Die Luft &#x017F;pielte mit &#x017F;einen goldenen<lb/>
Locken. Die Laute &#x017F;chien &#x017F;ich unter &#x017F;einen<lb/>
Händen zu be&#x017F;eelen, und &#x017F;ein Blick &#x017F;chien<lb/>
trunken in eine geheimere Welt hinüber zu<lb/>
&#x017F;chauen. Auch die Kinderun&#x017F;chuld und Ein¬<lb/>
falt &#x017F;eines Ge&#x017F;ichts &#x017F;chien allen übernatür¬<lb/>
lich. Nun war der herrliche Ge&#x017F;ang geen¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] gung der Natur und der Wiederkehr eines ewigen goldenen Zeitalters. Die alten Dichter tragen ſelbſt von Begeiſterung hingeriſſen, wäh¬ rend des Geſanges näher um den ſeltſamen Fremdling her. Ein niegefühltes Entzücken ergriff die Zuſchauer, und der König ſelbſt fühlte ſich wie auf einem Strom des Him¬ mels weggetragen. Ein ſolcher Geſang war nie vernommen worden, und Alle glaubten, ein himmliſches Weſen ſey unter ihnen er¬ ſchienen, beſonders da der Jüngling unterm Singen immer ſchöner, immer herrlicher, und ſeine Stimme immer gewaltiger zu werden ſchien. Die Luft ſpielte mit ſeinen goldenen Locken. Die Laute ſchien ſich unter ſeinen Händen zu beſeelen, und ſein Blick ſchien trunken in eine geheimere Welt hinüber zu ſchauen. Auch die Kinderunſchuld und Ein¬ falt ſeines Geſichts ſchien allen übernatür¬ lich. Nun war der herrliche Geſang geen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/102
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/102>, abgerufen am 24.11.2024.