Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite

die während des Despoten Abwesenheit tn förmliche Fehde
ausbrach, begünstigte die Fortschritte der Türken. Schon
waren sie Herren des Landes: nur Semendria und Belgrad
widerstanden noch.

In Ungarn fand Georg zwar alles thätig und kriege-
risch, aber zum Vortheil Serbiens etwas zu thun, war man
eben nicht geneigt, obwohl er sich mit bittender Beredtsam-
keit zu Raab an den versammelten Reichstag, sodann zu Wien
an den König selbst wandte. Vom Pabste gesendet, war der
Bußprediger, Pater Joh. Capistranus, eben beschäftigt, die
Christenheit zum gemeinschaftlichen Werk zu vereinen. Den
Türken galt es, aber nicht zum Besten der griechischen Ketzer.
Uebertritt zur katholischen Kirche sollte die Bedingung des
kräftigsten Beystandes seyn. Der neunzigjährige Greis ver-
schmähte eine solche Erniedrigung; aus gerechtem Stolz ohne
Zweifel, denn er scheint im Punkte der Religion ziemlich gleich-
gültig gewesen zu seyn. In trüber Stimmung kehrte er nach
Semendria zurück, um sein Loos von der Hand des Siegers
zu empfangen.

Noch einmal ward Serbien gerettet. Die Ungarn ent-
setzten Belgrad, und schlugen die Türken bis Sophia zurück.
1456Demungeachtet neigte sich Georg auf die Seite dieser letztern.
Aber sein Tod war nahe. In einem Gefecht mit einigen un-
garischen Großen, Verwandten des kürzlich verstorbnen Hu-
nyad, ward er verwundet und gefangen. Ein älterer Schrift-
steller bemerkt, es seyen ihm die Finger abgehauen, mit wel-
chen er so manchmal falsch geschworen habe. Durch Verspre-
chungen theils, theils durch die Großmuth des Siegers, Mi-
chael Szilagyi, wieder in Freiheit gesetzt, starb er bald darauf
1457an der Entkräftung, welche ihm der Blutverlust zugezogen.
Auf dem Sterbebette verordnete er, daß seine Gemahlin, die
griechische Prinzessin Irene, mit dem unterthänigen Rathe
ihrer drey Söhne, in Serbien herrschen solle. Aber die Zeit

die während des Despoten Abwesenheit tn förmliche Fehde
ausbrach, begünstigte die Fortschritte der Türken. Schon
waren sie Herren des Landes: nur Semendria und Belgrad
widerstanden noch.

In Ungarn fand Georg zwar alles thätig und kriege-
risch, aber zum Vortheil Serbiens etwas zu thun, war man
eben nicht geneigt, obwohl er sich mit bittender Beredtsam-
keit zu Raab an den versammelten Reichstag, sodann zu Wien
an den König selbst wandte. Vom Pabste gesendet, war der
Bußprediger, Pater Joh. Capistranus, eben beschäftigt, die
Christenheit zum gemeinschaftlichen Werk zu vereinen. Den
Türken galt es, aber nicht zum Besten der griechischen Ketzer.
Uebertritt zur katholischen Kirche sollte die Bedingung des
kräftigsten Beystandes seyn. Der neunzigjährige Greis ver-
schmähte eine solche Erniedrigung; aus gerechtem Stolz ohne
Zweifel, denn er scheint im Punkte der Religion ziemlich gleich-
gültig gewesen zu seyn. In trüber Stimmung kehrte er nach
Semendria zurück, um sein Loos von der Hand des Siegers
zu empfangen.

Noch einmal ward Serbien gerettet. Die Ungarn ent-
setzten Belgrad, und schlugen die Türken bis Sophia zurück.
1456Demungeachtet neigte sich Georg auf die Seite dieser letztern.
Aber sein Tod war nahe. In einem Gefecht mit einigen un-
garischen Großen, Verwandten des kürzlich verstorbnen Hu-
nyad, ward er verwundet und gefangen. Ein älterer Schrift-
steller bemerkt, es seyen ihm die Finger abgehauen, mit wel-
chen er so manchmal falsch geschworen habe. Durch Verspre-
chungen theils, theils durch die Großmuth des Siegers, Mi-
chael Szilagyi, wieder in Freiheit gesetzt, starb er bald darauf
1457an der Entkräftung, welche ihm der Blutverlust zugezogen.
Auf dem Sterbebette verordnete er, daß seine Gemahlin, die
griechische Prinzessin Irene, mit dem unterthänigen Rathe
ihrer drey Söhne, in Serbien herrschen solle. Aber die Zeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0061" n="XLI"/>
        <p>die während des Despoten Abwesenheit tn förmliche Fehde<lb/>
ausbrach, begünstigte die Fortschritte der Türken. Schon<lb/>
waren sie Herren des Landes: nur Semendria und Belgrad<lb/>
widerstanden noch.</p><lb/>
        <p>In Ungarn fand Georg zwar alles thätig und kriege-<lb/>
risch, aber zum Vortheil Serbiens etwas zu thun, war man<lb/>
eben nicht geneigt, obwohl er sich mit bittender Beredtsam-<lb/>
keit zu Raab an den versammelten Reichstag, sodann zu Wien<lb/>
an den König selbst wandte. Vom Pabste gesendet, war der<lb/>
Bußprediger, Pater Joh. Capistranus, eben beschäftigt, die<lb/>
Christenheit zum gemeinschaftlichen Werk zu vereinen. Den<lb/>
Türken galt es, aber nicht zum Besten der griechischen Ketzer.<lb/>
Uebertritt zur katholischen Kirche sollte die Bedingung des<lb/>
kräftigsten Beystandes seyn. Der neunzigjährige Greis ver-<lb/>
schmähte eine solche Erniedrigung; aus gerechtem Stolz ohne<lb/>
Zweifel, denn er scheint im Punkte der Religion ziemlich gleich-<lb/>
gültig gewesen zu seyn. In trüber Stimmung kehrte er nach<lb/>
Semendria zurück, um sein Loos von der Hand des Siegers<lb/>
zu empfangen.</p><lb/>
        <p>Noch einmal ward Serbien gerettet. Die Ungarn ent-<lb/>
setzten Belgrad, und schlugen die Türken bis Sophia zurück.<lb/><note place="left">1456</note>Demungeachtet neigte sich Georg auf die Seite dieser letztern.<lb/>
Aber sein Tod war nahe. In einem Gefecht mit einigen un-<lb/>
garischen Großen, Verwandten des kürzlich verstorbnen Hu-<lb/>
nyad, ward er verwundet und gefangen. Ein älterer Schrift-<lb/>
steller bemerkt, es seyen ihm die Finger abgehauen, mit wel-<lb/>
chen er so manchmal falsch geschworen habe. Durch Verspre-<lb/>
chungen theils, theils durch die Großmuth des Siegers, Mi-<lb/>
chael Szilagyi, wieder in Freiheit gesetzt, starb er bald darauf<lb/><note place="left">1457</note>an der Entkräftung, welche ihm der Blutverlust zugezogen.<lb/>
Auf dem Sterbebette verordnete er, daß seine Gemahlin, die<lb/>
griechische Prinzessin Irene, mit dem unterthänigen Rathe<lb/>
ihrer drey Söhne, in Serbien herrschen solle. Aber die Zeit</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XLI/0061] die während des Despoten Abwesenheit tn förmliche Fehde ausbrach, begünstigte die Fortschritte der Türken. Schon waren sie Herren des Landes: nur Semendria und Belgrad widerstanden noch. In Ungarn fand Georg zwar alles thätig und kriege- risch, aber zum Vortheil Serbiens etwas zu thun, war man eben nicht geneigt, obwohl er sich mit bittender Beredtsam- keit zu Raab an den versammelten Reichstag, sodann zu Wien an den König selbst wandte. Vom Pabste gesendet, war der Bußprediger, Pater Joh. Capistranus, eben beschäftigt, die Christenheit zum gemeinschaftlichen Werk zu vereinen. Den Türken galt es, aber nicht zum Besten der griechischen Ketzer. Uebertritt zur katholischen Kirche sollte die Bedingung des kräftigsten Beystandes seyn. Der neunzigjährige Greis ver- schmähte eine solche Erniedrigung; aus gerechtem Stolz ohne Zweifel, denn er scheint im Punkte der Religion ziemlich gleich- gültig gewesen zu seyn. In trüber Stimmung kehrte er nach Semendria zurück, um sein Loos von der Hand des Siegers zu empfangen. Noch einmal ward Serbien gerettet. Die Ungarn ent- setzten Belgrad, und schlugen die Türken bis Sophia zurück. Demungeachtet neigte sich Georg auf die Seite dieser letztern. Aber sein Tod war nahe. In einem Gefecht mit einigen un- garischen Großen, Verwandten des kürzlich verstorbnen Hu- nyad, ward er verwundet und gefangen. Ein älterer Schrift- steller bemerkt, es seyen ihm die Finger abgehauen, mit wel- chen er so manchmal falsch geschworen habe. Durch Verspre- chungen theils, theils durch die Großmuth des Siegers, Mi- chael Szilagyi, wieder in Freiheit gesetzt, starb er bald darauf an der Entkräftung, welche ihm der Blutverlust zugezogen. Auf dem Sterbebette verordnete er, daß seine Gemahlin, die griechische Prinzessin Irene, mit dem unterthänigen Rathe ihrer drey Söhne, in Serbien herrschen solle. Aber die Zeit 1456 1457

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/61
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XLI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/61>, abgerufen am 29.03.2024.