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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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es war gewisser Maaßen durch sie schon vernichtet , da in ihr
der letzte Schatten seiner Freyheit verschwand. Fortan gab
es keine Zaren von Serbien mehr. Unter dem Despoten-
titel +) sehen wir sie noch ein Jahrhundert lang, bald unter
ungarischem Schutze, bald in türkischer Verbindung, ihr Heil
suchen. Dem Verräther Wuk Brankowitsch ereilte seine
Strafe schnell, und er erndtete, was er gesäet hatte. Gänz-
lich hatte er sich verrechnet, wenn er wähnte, der Sultan
werde nun ihm, als zinspflichtigen Fürsten, ganz Serbien
überlassen. Bajaseth war nicht gesonnen, sich so mächtige
Vasallen zu schaffen. Gleich nach der Schlacht ließ er die
Zarin Militza begrüßen, warb um ihre Tochter, und ver-
sprach ihr dafür, ihrem Sohn Stephan Lasarewitsch seines
Vaters Erbe zu lassen: freylich mit der Bedingung eines be-
deutenden Tributs, und der Theilnahme an allen seinen Krie-
gen. Die Zarin rief die hohe Geistlichkeit zusammen, dar-
über zu berathschlagen, und es ward beschlossen, die Jung-
frau für den Glauben und die Erhaltung ihres Hauses zu
opfern. Die schöne Milewa ward übergeben, und gefiel dem
Sultan so sehr, daß ihr bald die zweideutige Ehre ward, zu
seiner Lieblingsgemahlin erhoben zu werden. Wuk Branko-
witsch mußte sich mit einigen südlichen Punkten Serbiens und
einem Theile von Macedonien begnügen, wo er in Achrida
seinen Sitz aufschlug. Als er von hier aus den Stephan La-
sarewitsch angriff, und ihn auf mehrfache Weise zu beeinträch-
tigen suchte, verklagte ihn die Zarin bey ihrem Eidam.
Dieser entbot ihn ohne Weiteres zu sich, warf ihn ins Ge-
fängniß, und ließ ihn, als er Mittel fand, zu entkommen,
auf der Flucht vergiften (1396). Seine Wittwe und Söhne

+) Er ward dem Stephan Lasarewitsch bey seiner Anwesenheit
in Constantinopel vom griechischen Kaiser verliehen.

es war gewisser Maaßen durch sie schon vernichtet , da in ihr
der letzte Schatten seiner Freyheit verschwand. Fortan gab
es keine Zaren von Serbien mehr. Unter dem Despoten-
titel †) sehen wir sie noch ein Jahrhundert lang, bald unter
ungarischem Schutze, bald in türkischer Verbindung, ihr Heil
suchen. Dem Verräther Wuk Brankowitsch ereilte seine
Strafe schnell, und er erndtete, was er gesäet hatte. Gänz-
lich hatte er sich verrechnet, wenn er wähnte, der Sultan
werde nun ihm, als zinspflichtigen Fürsten, ganz Serbien
überlassen. Bajaseth war nicht gesonnen, sich so mächtige
Vasallen zu schaffen. Gleich nach der Schlacht ließ er die
Zarin Militza begrüßen, warb um ihre Tochter, und ver-
sprach ihr dafür, ihrem Sohn Stephan Lasarewitsch seines
Vaters Erbe zu lassen: freylich mit der Bedingung eines be-
deutenden Tributs, und der Theilnahme an allen seinen Krie-
gen. Die Zarin rief die hohe Geistlichkeit zusammen, dar-
über zu berathschlagen, und es ward beschlossen, die Jung-
frau für den Glauben und die Erhaltung ihres Hauses zu
opfern. Die schöne Milewa ward übergeben, und gefiel dem
Sultan so sehr, daß ihr bald die zweideutige Ehre ward, zu
seiner Lieblingsgemahlin erhoben zu werden. Wuk Branko-
witsch mußte sich mit einigen südlichen Punkten Serbiens und
einem Theile von Macedonien begnügen, wo er in Achrida
seinen Sitz aufschlug. Als er von hier aus den Stephan La-
sarewitsch angriff, und ihn auf mehrfache Weise zu beeinträch-
tigen suchte, verklagte ihn die Zarin bey ihrem Eidam.
Dieser entbot ihn ohne Weiteres zu sich, warf ihn ins Ge-
fängniß, und ließ ihn, als er Mittel fand, zu entkommen,
auf der Flucht vergiften (1396). Seine Wittwe und Söhne

†) Er ward dem Stephan Lasarewitsch bey seiner Anwesenheit
in Constantinopel vom griechischen Kaiser verliehen.
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[XXXIV/0054] es war gewisser Maaßen durch sie schon vernichtet , da in ihr der letzte Schatten seiner Freyheit verschwand. Fortan gab es keine Zaren von Serbien mehr. Unter dem Despoten- titel †) sehen wir sie noch ein Jahrhundert lang, bald unter ungarischem Schutze, bald in türkischer Verbindung, ihr Heil suchen. Dem Verräther Wuk Brankowitsch ereilte seine Strafe schnell, und er erndtete, was er gesäet hatte. Gänz- lich hatte er sich verrechnet, wenn er wähnte, der Sultan werde nun ihm, als zinspflichtigen Fürsten, ganz Serbien überlassen. Bajaseth war nicht gesonnen, sich so mächtige Vasallen zu schaffen. Gleich nach der Schlacht ließ er die Zarin Militza begrüßen, warb um ihre Tochter, und ver- sprach ihr dafür, ihrem Sohn Stephan Lasarewitsch seines Vaters Erbe zu lassen: freylich mit der Bedingung eines be- deutenden Tributs, und der Theilnahme an allen seinen Krie- gen. Die Zarin rief die hohe Geistlichkeit zusammen, dar- über zu berathschlagen, und es ward beschlossen, die Jung- frau für den Glauben und die Erhaltung ihres Hauses zu opfern. Die schöne Milewa ward übergeben, und gefiel dem Sultan so sehr, daß ihr bald die zweideutige Ehre ward, zu seiner Lieblingsgemahlin erhoben zu werden. Wuk Branko- witsch mußte sich mit einigen südlichen Punkten Serbiens und einem Theile von Macedonien begnügen, wo er in Achrida seinen Sitz aufschlug. Als er von hier aus den Stephan La- sarewitsch angriff, und ihn auf mehrfache Weise zu beeinträch- tigen suchte, verklagte ihn die Zarin bey ihrem Eidam. Dieser entbot ihn ohne Weiteres zu sich, warf ihn ins Ge- fängniß, und ließ ihn, als er Mittel fand, zu entkommen, auf der Flucht vergiften (1396). Seine Wittwe und Söhne †) Er ward dem Stephan Lasarewitsch bey seiner Anwesenheit in Constantinopel vom griechischen Kaiser verliehen.

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/54>, abgerufen am 27.04.2024.