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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Die Heeresabtheilung, welche der Zar selbst befehligte,
hielt sich auf das Tapferste. Die Türken wichen von allen
Seiten, und wurden nur von ihren Feldherrn durch den Zu-
ruf: "den ermordeten Herrn zu rächen," mühsam immer
wieder vorwärts getrieben. Ehe noch die Kunde von Murats
Tod in das serbische Lager gedrungen war, hatte der verräthe-
rische Wuk Brankowirsch bereits den andern Flügel, an des-
sen Spitze er stand, den Truppen unwissentlich, zum Feinde
übergeführt; Lasar hatte es demnach mit der ganzen Heeres-
macht allein zu thun. Aber die Serben verloren den Muth
nicht, so lange sie ihren Fürsten vor ihren Reihen kämpfen
sahen. Unglücklicher Weise ermattete sein Pferd; während
ein neues bestieg, ward er von den Seinen vermißt. Kurz
darauf sah man seinen Apfelschimmel, der in der Feinde Hän-
de gefallen war, über das Schlachtfeld führen. Bestürzt über
den vermeintlichen Tod ihres Führers, ergriffen sie die Flucht,
und als Lasar wieder erschien, war er vergebens sie aufzuhal-
ten bemüht. Selbst mit fortgerissen, in der allgemeinen
Verwirrung, wider Willen fliehend, stürzte er in einen Gra-
ben, wo er, nach Einigen, auf der Stelle niedergehauen,
nach Andern, gefangen ward, um vor den Augen des ster-
benden Murat den Tod zu erleiden.

Die Türken, die selbst auf das Aeußerste gelitten hatten,
wagten nicht, die Flüchtigen zu verfolgen. Sie begnügten
sich, das Land ringsumher zu verwüsten, errichteten zum
Andenken Murats einen ungeheuren Steinhaufen auf dem
Amselfelde, und Bajaseth bestieg den Thron seines Vaters.
Von dieser Schlacht an sehen wir das serbische Reich mit
schnellen Schritten seinem Untergange entgegengehen. Ja,

nen Bojaren verrichtet worden. Obige Erzählung ist am be-
sten begründet. Der Gebrauch, den beym Sultan vorgelas-
senen Fremden die Hände halten zu lassen, soll von jener
Zeit herrühren.
c

Die Heeresabtheilung, welche der Zar selbst befehligte,
hielt sich auf das Tapferste. Die Türken wichen von allen
Seiten, und wurden nur von ihren Feldherrn durch den Zu-
ruf: „den ermordeten Herrn zu rächen,“ mühsam immer
wieder vorwärts getrieben. Ehe noch die Kunde von Murats
Tod in das serbische Lager gedrungen war, hatte der verräthe-
rische Wuk Brankowirsch bereits den andern Flügel, an des-
sen Spitze er stand, den Truppen unwissentlich, zum Feinde
übergeführt; Lasar hatte es demnach mit der ganzen Heeres-
macht allein zu thun. Aber die Serben verloren den Muth
nicht, so lange sie ihren Fürsten vor ihren Reihen kämpfen
sahen. Unglücklicher Weise ermattete sein Pferd; während
ein neues bestieg, ward er von den Seinen vermißt. Kurz
darauf sah man seinen Apfelschimmel, der in der Feinde Hän-
de gefallen war, über das Schlachtfeld führen. Bestürzt über
den vermeintlichen Tod ihres Führers, ergriffen sie die Flucht,
und als Lasar wieder erschien, war er vergebens sie aufzuhal-
ten bemüht. Selbst mit fortgerissen, in der allgemeinen
Verwirrung, wider Willen fliehend, stürzte er in einen Gra-
ben, wo er, nach Einigen, auf der Stelle niedergehauen,
nach Andern, gefangen ward, um vor den Augen des ster-
benden Murat den Tod zu erleiden.

Die Türken, die selbst auf das Aeußerste gelitten hatten,
wagten nicht, die Flüchtigen zu verfolgen. Sie begnügten
sich, das Land ringsumher zu verwüsten, errichteten zum
Andenken Murats einen ungeheuren Steinhaufen auf dem
Amselfelde, und Bajaseth bestieg den Thron seines Vaters.
Von dieser Schlacht an sehen wir das serbische Reich mit
schnellen Schritten seinem Untergange entgegengehen. Ja,

nen Bojaren verrichtet worden. Obige Erzählung ist am be-
sten begründet. Der Gebrauch, den beym Sultan vorgelas-
senen Fremden die Hände halten zu lassen, soll von jener
Zeit herrühren.
c
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[XXXIII/0053] Die Heeresabtheilung, welche der Zar selbst befehligte, hielt sich auf das Tapferste. Die Türken wichen von allen Seiten, und wurden nur von ihren Feldherrn durch den Zu- ruf: „den ermordeten Herrn zu rächen,“ mühsam immer wieder vorwärts getrieben. Ehe noch die Kunde von Murats Tod in das serbische Lager gedrungen war, hatte der verräthe- rische Wuk Brankowirsch bereits den andern Flügel, an des- sen Spitze er stand, den Truppen unwissentlich, zum Feinde übergeführt; Lasar hatte es demnach mit der ganzen Heeres- macht allein zu thun. Aber die Serben verloren den Muth nicht, so lange sie ihren Fürsten vor ihren Reihen kämpfen sahen. Unglücklicher Weise ermattete sein Pferd; während ein neues bestieg, ward er von den Seinen vermißt. Kurz darauf sah man seinen Apfelschimmel, der in der Feinde Hän- de gefallen war, über das Schlachtfeld führen. Bestürzt über den vermeintlichen Tod ihres Führers, ergriffen sie die Flucht, und als Lasar wieder erschien, war er vergebens sie aufzuhal- ten bemüht. Selbst mit fortgerissen, in der allgemeinen Verwirrung, wider Willen fliehend, stürzte er in einen Gra- ben, wo er, nach Einigen, auf der Stelle niedergehauen, nach Andern, gefangen ward, um vor den Augen des ster- benden Murat den Tod zu erleiden. Die Türken, die selbst auf das Aeußerste gelitten hatten, wagten nicht, die Flüchtigen zu verfolgen. Sie begnügten sich, das Land ringsumher zu verwüsten, errichteten zum Andenken Murats einen ungeheuren Steinhaufen auf dem Amselfelde, und Bajaseth bestieg den Thron seines Vaters. Von dieser Schlacht an sehen wir das serbische Reich mit schnellen Schritten seinem Untergange entgegengehen. Ja, †) †) nen Bojaren verrichtet worden. Obige Erzählung ist am be- sten begründet. Der Gebrauch, den beym Sultan vorgelas- senen Fremden die Hände halten zu lassen, soll von jener Zeit herrühren. c

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/53>, abgerufen am 25.04.2024.