Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
Trat heraus drauf aus dem weißen Thurme,
Also die zwei schwarzen Raben fragend:130
"Grüß' euch Gott, ihr beiden schwarzen Raben!
Sagt, wo kommt ihr her so früh am Morgen?
War't ihr etwa auf dem Amselfelde?
Sah't ihr dorten zween mächt'ge Heere?
Schlugen sich die beiden mächt'gen Heere? 135
Aber welches, sprecht, ist Sieger blieben?" --
Ihr entgegneten die beiden Raben:
"Schönen Dank Dir, Zarin, Frau Militza!
Kommen von dem Amselfeld so frühe,
Haben dort gesehn zwei mächt'ge Heere, 140
Welche gestern eine Schlacht geschlagen,
Wo die Fürsten beider Heere blieben.
Von den Türken blieben Wen'ge übrig;
Aber was von Serben blieb am Leben,
Alles ist verwundet und verblutet!" -- 145
Während deß die Raben also sprachen,
Sieh'! da nahet Milutin, der Diener:
In der linken Hand trägt er die rechte,
Seinen Leib bedecken siebzehn Wunden,
Und sein gutes Roß schwimmt ganz in Blute. 150
Ihm entgegen rufet Frau Militza:
"Ach! was ist das, Milutin, Du Armer!
Hat Verrath etwa den Zar verderbet?" --
Ihr erwiedert Milutin der Diener:
Hilf mir, Herrin, von dem Heldenrosse, 155
Trat heraus drauf aus dem weißen Thurme,
Also die zwei schwarzen Raben fragend:130
„Grüß' euch Gott, ihr beiden schwarzen Raben!
Sagt, wo kommt ihr her so früh am Morgen?
War't ihr etwa auf dem Amselfelde?
Sah't ihr dorten zween mächt'ge Heere?
Schlugen sich die beiden mächt'gen Heere? 135
Aber welches, sprecht, ist Sieger blieben?“ —
Ihr entgegneten die beiden Raben:
„Schönen Dank Dir, Zarin, Frau Militza!
Kommen von dem Amselfeld so frühe,
Haben dort gesehn zwei mächt'ge Heere, 140
Welche gestern eine Schlacht geschlagen,
Wo die Fürsten beider Heere blieben.
Von den Türken blieben Wen'ge übrig;
Aber was von Serben blieb am Leben,
Alles ist verwundet und verblutet!“ — 145
Während deß die Raben also sprachen,
Sieh'! da nahet Milutin, der Diener:
In der linken Hand trägt er die rechte,
Seinen Leib bedecken siebzehn Wunden,
Und sein gutes Roß schwimmt ganz in Blute. 150
Ihm entgegen rufet Frau Militza:
„Ach! was ist das, Milutin, Du Armer!
Hat Verrath etwa den Zar verderbet?“ —
Ihr erwiedert Milutin der Diener:
Hilf mir, Herrin, von dem Heldenrosse, 155
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0324" n="258"/>
            <lg>
              <l>Trat heraus drauf aus dem weißen Thurme,</l><lb/>
              <l>Also die zwei schwarzen Raben fragend:</l>
              <note place="right">130</note><lb/>
            </lg>
            <lg>
              <l>&#x201E;Grüß' euch Gott, ihr beiden schwarzen Raben!</l><lb/>
              <l>Sagt, wo kommt ihr her so früh am Morgen?</l><lb/>
              <l>War't ihr etwa auf dem Amselfelde?</l><lb/>
              <l>Sah't ihr dorten zween mächt'ge Heere?</l><lb/>
              <l>Schlugen sich die beiden mächt'gen Heere? <note place="right">135</note></l><lb/>
              <l>Aber welches, sprecht, ist Sieger blieben?&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Ihr entgegneten die beiden Raben:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Schönen Dank Dir, Zarin, Frau Militza!</l><lb/>
              <l>Kommen von dem Amselfeld so frühe,</l><lb/>
              <l>Haben dort gesehn zwei mächt'ge Heere, <note place="right">140</note></l><lb/>
              <l>Welche gestern eine Schlacht geschlagen,</l><lb/>
              <l>Wo die Fürsten beider Heere blieben.</l><lb/>
              <l>Von den Türken blieben Wen'ge übrig;</l><lb/>
              <l>Aber was von Serben blieb am Leben,</l><lb/>
              <l>Alles ist verwundet und verblutet!&#x201C; &#x2014; <note place="right">145</note></l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Während deß die Raben also sprachen,</l><lb/>
              <l>Sieh'! da nahet Milutin, der Diener:</l><lb/>
              <l>In der linken Hand trägt er die rechte,</l><lb/>
              <l>Seinen Leib bedecken siebzehn Wunden,</l><lb/>
              <l>Und sein gutes Roß schwimmt ganz in Blute. <note place="right">150</note></l><lb/>
              <l>Ihm entgegen rufet Frau Militza:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach! was ist das, Milutin, Du Armer!</l><lb/>
              <l>Hat Verrath etwa den Zar verderbet?&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Ihr erwiedert Milutin der Diener:</l><lb/>
              <l>Hilf mir, Herrin, von dem Heldenrosse, <note place="right">155</note></l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0324] Trat heraus drauf aus dem weißen Thurme, Also die zwei schwarzen Raben fragend: „Grüß' euch Gott, ihr beiden schwarzen Raben! Sagt, wo kommt ihr her so früh am Morgen? War't ihr etwa auf dem Amselfelde? Sah't ihr dorten zween mächt'ge Heere? Schlugen sich die beiden mächt'gen Heere? Aber welches, sprecht, ist Sieger blieben?“ — Ihr entgegneten die beiden Raben: „Schönen Dank Dir, Zarin, Frau Militza! Kommen von dem Amselfeld so frühe, Haben dort gesehn zwei mächt'ge Heere, Welche gestern eine Schlacht geschlagen, Wo die Fürsten beider Heere blieben. Von den Türken blieben Wen'ge übrig; Aber was von Serben blieb am Leben, Alles ist verwundet und verblutet!“ — Während deß die Raben also sprachen, Sieh'! da nahet Milutin, der Diener: In der linken Hand trägt er die rechte, Seinen Leib bedecken siebzehn Wunden, Und sein gutes Roß schwimmt ganz in Blute. Ihm entgegen rufet Frau Militza: „Ach! was ist das, Milutin, Du Armer! Hat Verrath etwa den Zar verderbet?“ — Ihr erwiedert Milutin der Diener: Hilf mir, Herrin, von dem Heldenrosse,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/324
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/324>, abgerufen am 06.05.2024.