Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Als er ankommt nun vor Stambuls Thore: Stößt er vor dem Thore seinen Speer ein, Bindet fest dran die arab'sche Stute, Schlägt sein weißes Zelt auf vor den Mauern, Und in Stambul schreibet er Tribut aus: 55 Jede Nacht ein noch vollkräftig Schäflein, Einen Ofen voller weißer Brodte, Einen Zober voll gebrannten Wassers, Zween Zober voller rothen Weines; Außerdem noch eine schöne Jungfrau, 60 Die beim Mahl' ihm rothen Wein credenze; Nächtlich ihm das schwarze Antlitz küsse, Daß er, nach Italien sie verkaufend Tags darauf, unzählig Geld erhalte. Also weilet er drei ganze Monden; 65 Aber noch nicht war die Noth am höchsten. Auf der schlanken, grau-arab'schen Stute Jagt der Mohr frech durch das weiße Stambul, Reitet g'rade nach dem Hof' des Sultans, Ruft dem Sultan zu aus schwarzem Halse: 70 "Alter Sultan! gieb heraus das Mädchen!" 21) Und den schweren Kolben schwingt er wüthend, Donnert mit dem Kolben an die Wohnung, Und zerschlägt damit die Fensterscheiben. Als der Sultan sich in dieser Noth sah, 75 Da versprach er schimpflich ihm die Tochter. Von der Hochzeit drauf begann der Mohre: "Vierzehn weiße Tage werden hingehn. Als er ankommt nun vor Stambuls Thore: Stößt er vor dem Thore seinen Speer ein, Bindet fest dran die arab'sche Stute, Schlägt sein weißes Zelt auf vor den Mauern, Und in Stambul schreibet er Tribut aus: 55 Jede Nacht ein noch vollkräftig Schäflein, Einen Ofen voller weißer Brodte, Einen Zober voll gebrannten Wassers, Zween Zober voller rothen Weines; Außerdem noch eine schöne Jungfrau, 60 Die beim Mahl' ihm rothen Wein credenze; Nächtlich ihm das schwarze Antlitz küsse, Daß er, nach Italien sie verkaufend Tags darauf, unzählig Geld erhalte. Also weilet er drei ganze Monden; 65 Aber noch nicht war die Noth am höchsten. Auf der schlanken, grau-arab'schen Stute Jagt der Mohr frech durch das weiße Stambul, Reitet g'rade nach dem Hof' des Sultans, Ruft dem Sultan zu aus schwarzem Halse: 70 „Alter Sultan! gieb heraus das Mädchen!“ 21) Und den schweren Kolben schwingt er wüthend, Donnert mit dem Kolben an die Wohnung, Und zerschlägt damit die Fensterscheiben. Als der Sultan sich in dieser Noth sah, 75 Da versprach er schimpflich ihm die Tochter. Von der Hochzeit drauf begann der Mohre: „Vierzehn weiße Tage werden hingehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0292" n="226"/> <lg> <l>Als er ankommt nun vor Stambuls Thore:</l><lb/> <l>Stößt er vor dem Thore seinen Speer ein,</l><lb/> <l>Bindet fest dran die arab'sche Stute,</l><lb/> <l>Schlägt sein weißes Zelt auf vor den Mauern,</l><lb/> <l>Und in Stambul schreibet er Tribut aus: <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Jede Nacht ein noch vollkräftig Schäflein,</l><lb/> <l>Einen Ofen voller weißer Brodte,</l><lb/> <l>Einen Zober voll gebrannten Wassers,</l><lb/> <l>Zween Zober voller rothen Weines;</l><lb/> <l>Außerdem noch eine schöne Jungfrau, <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Die beim Mahl' ihm rothen Wein credenze;</l><lb/> <l>Nächtlich ihm das schwarze Antlitz küsse,</l><lb/> <l>Daß er, nach Italien sie verkaufend</l><lb/> <l>Tags darauf, unzählig Geld erhalte.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Also weilet er drei ganze Monden; <note place="right">65</note></l><lb/> <l>Aber noch nicht war die Noth am höchsten.</l><lb/> <l>Auf der schlanken, grau-arab'schen Stute</l><lb/> <l>Jagt der Mohr frech durch das weiße Stambul,</l><lb/> <l>Reitet g'rade nach dem Hof' des Sultans,</l><lb/> <l>Ruft dem Sultan zu aus schwarzem Halse: <note place="right">70</note></l><lb/> <l>„Alter Sultan! gieb heraus das Mädchen!“ <note xml:id="ed21" next="#edt21" place="end" n="21)"/></l><lb/> <l>Und den schweren Kolben schwingt er wüthend,</l><lb/> <l>Donnert mit dem Kolben an die Wohnung,</l><lb/> <l>Und zerschlägt damit die Fensterscheiben.</l><lb/> <l>Als der Sultan sich in dieser Noth sah, <note place="right">75</note></l><lb/> <l>Da versprach er schimpflich ihm die Tochter.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Von der Hochzeit drauf begann der Mohre:</l><lb/> <l>„Vierzehn weiße Tage werden hingehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0292]
Als er ankommt nun vor Stambuls Thore:
Stößt er vor dem Thore seinen Speer ein,
Bindet fest dran die arab'sche Stute,
Schlägt sein weißes Zelt auf vor den Mauern,
Und in Stambul schreibet er Tribut aus:
Jede Nacht ein noch vollkräftig Schäflein,
Einen Ofen voller weißer Brodte,
Einen Zober voll gebrannten Wassers,
Zween Zober voller rothen Weines;
Außerdem noch eine schöne Jungfrau,
Die beim Mahl' ihm rothen Wein credenze;
Nächtlich ihm das schwarze Antlitz küsse,
Daß er, nach Italien sie verkaufend
Tags darauf, unzählig Geld erhalte.
Also weilet er drei ganze Monden;
Aber noch nicht war die Noth am höchsten.
Auf der schlanken, grau-arab'schen Stute
Jagt der Mohr frech durch das weiße Stambul,
Reitet g'rade nach dem Hof' des Sultans,
Ruft dem Sultan zu aus schwarzem Halse:
„Alter Sultan! gieb heraus das Mädchen!“
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Und den schweren Kolben schwingt er wüthend,
Donnert mit dem Kolben an die Wohnung,
Und zerschlägt damit die Fensterscheiben.
Als der Sultan sich in dieser Noth sah,
Da versprach er schimpflich ihm die Tochter.
Von der Hochzeit drauf begann der Mohre:
„Vierzehn weiße Tage werden hingehn.
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