Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Dieser hat drei Beutel Geldes bei sich, Und in jedem sind dreihundert Goldstück. Einen will davon er mir verehren, Und den Andern Dir, o Mustaph-Aga! Doch den Dritten für sich selbst behalten 55 Zu der Heilung seiner schlimmen Wunden. Wolle nicht, o Bruder, ihn verrathen, Tödte nicht den wunden Helden, Bruder, Bringe ihn nach unsrem weißen Hofe!" Und es geht der Türk' an die Maritza. 60 Als den wunden Helden er erblicket. Zieht heraus er den beschlag'nen Säbel, , Und ihn schwingend, haut er ihm das Haupt ab. Drauf, nachdem den Helden er entkleidet, Kehrt zurück er nach dem weißen Hofe. 65 Ihm entgegen stürzte seine Schwester, Und als sie, was er gethan, gewahrte: "Bruder", rief sie, "möge Gott Dich strafen! Warum hast Du schändlich den verrathen, Den ich anerkannt, als meinen Bruder? 70 Warum den, Elender! mir getödtet? Und um eines reichen Säbels willen! Dieser Säbel möge Dich verderben!" Also sprechend, floh' sie nach dem Thurme. Kurze Zeit nur war seitdem verflossen, 75 Als ein Firman kam vom türk'schen Sultan, Daß sich Mustapha zum Heere stelle. Und er rüstet sich, in Krieg zu ziehen, Dieser hat drei Beutel Geldes bei sich, Und in jedem sind dreihundert Goldstück. Einen will davon er mir verehren, Und den Andern Dir, o Mustaph-Aga! Doch den Dritten für sich selbst behalten 55 Zu der Heilung seiner schlimmen Wunden. Wolle nicht, o Bruder, ihn verrathen, Tödte nicht den wunden Helden, Bruder, Bringe ihn nach unsrem weißen Hofe!“ Und es geht der Türk' an die Maritza. 60 Als den wunden Helden er erblicket. Zieht heraus er den beschlag'nen Säbel, , Und ihn schwingend, haut er ihm das Haupt ab. Drauf, nachdem den Helden er entkleidet, Kehrt zurück er nach dem weißen Hofe. 65 Ihm entgegen stürzte seine Schwester, Und als sie, was er gethan, gewahrte: „Bruder“, rief sie, „möge Gott Dich strafen! Warum hast Du schändlich den verrathen, Den ich anerkannt, als meinen Bruder? 70 Warum den, Elender! mir getödtet? Und um eines reichen Säbels willen! Dieser Säbel möge Dich verderben!“ Also sprechend, floh' sie nach dem Thurme. Kurze Zeit nur war seitdem verflossen, 75 Als ein Firman kam vom türk'schen Sultan, Daß sich Mustapha zum Heere stelle. Und er rüstet sich, in Krieg zu ziehen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0286" n="220"/> <lg> <l>Dieser hat drei Beutel Geldes bei sich,</l><lb/> <l>Und in jedem sind dreihundert Goldstück.</l><lb/> <l>Einen will davon er mir verehren,</l><lb/> <l>Und den Andern Dir, o Mustaph-Aga!</l><lb/> <l>Doch den Dritten für sich selbst behalten <note place="right">55</note></l><lb/> <l>Zu der Heilung seiner schlimmen Wunden.</l><lb/> <l>Wolle nicht, o Bruder, ihn verrathen,</l><lb/> <l>Tödte nicht den wunden Helden, Bruder,</l><lb/> <l>Bringe ihn nach unsrem weißen Hofe!“</l><lb/> <l>Und es geht der Türk' an die Maritza. <note place="right">60</note></l><lb/> <l>Als den wunden Helden er erblicket.</l><lb/> <l>Zieht heraus er den beschlag'nen Säbel, ,</l><lb/> <l>Und ihn schwingend, haut er ihm das Haupt ab.</l><lb/> <l>Drauf, nachdem den Helden er entkleidet,</l><lb/> <l>Kehrt zurück er nach dem weißen Hofe. <note place="right">65</note></l> </lg><lb/> <lg> <l>Ihm entgegen stürzte seine Schwester,</l><lb/> <l>Und als sie, was er gethan, gewahrte:</l><lb/> <l>„Bruder“, rief sie, „möge Gott Dich strafen!</l><lb/> <l>Warum hast Du schändlich den verrathen,</l><lb/> <l>Den ich anerkannt, als meinen Bruder? <note place="right">70</note></l><lb/> <l>Warum den, Elender! mir getödtet?</l><lb/> <l>Und um eines reichen Säbels willen!</l><lb/> <l>Dieser Säbel möge Dich verderben!“</l><lb/> <l>Also sprechend, floh' sie nach dem Thurme.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Kurze Zeit nur war seitdem verflossen, <note place="right">75</note></l><lb/> <l>Als ein Firman kam vom türk'schen Sultan,</l><lb/> <l>Daß sich Mustapha zum Heere stelle.</l><lb/> <l>Und er rüstet sich, in Krieg zu ziehen,</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0286]
Dieser hat drei Beutel Geldes bei sich,
Und in jedem sind dreihundert Goldstück.
Einen will davon er mir verehren,
Und den Andern Dir, o Mustaph-Aga!
Doch den Dritten für sich selbst behalten
Zu der Heilung seiner schlimmen Wunden.
Wolle nicht, o Bruder, ihn verrathen,
Tödte nicht den wunden Helden, Bruder,
Bringe ihn nach unsrem weißen Hofe!“
Und es geht der Türk' an die Maritza.
Als den wunden Helden er erblicket.
Zieht heraus er den beschlag'nen Säbel, ,
Und ihn schwingend, haut er ihm das Haupt ab.
Drauf, nachdem den Helden er entkleidet,
Kehrt zurück er nach dem weißen Hofe.
Ihm entgegen stürzte seine Schwester,
Und als sie, was er gethan, gewahrte:
„Bruder“, rief sie, „möge Gott Dich strafen!
Warum hast Du schändlich den verrathen,
Den ich anerkannt, als meinen Bruder?
Warum den, Elender! mir getödtet?
Und um eines reichen Säbels willen!
Dieser Säbel möge Dich verderben!“
Also sprechend, floh' sie nach dem Thurme.
Kurze Zeit nur war seitdem verflossen,
Als ein Firman kam vom türk'schen Sultan,
Daß sich Mustapha zum Heere stelle.
Und er rüstet sich, in Krieg zu ziehen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/286 |
Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/286>, abgerufen am 16.02.2025. |