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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Also sprach erfreut Despot Ugljescha:
"Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko,
Daß die Herrschaft mein sey, wird er sagen.
Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey, 150
Brüderlich regieren wir zusammen!" --
Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd,
Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte.
Als sein zweiter Ohm ihn nun erblickte,
Freudig sprach er, Gojko, der Woiwode: 155
"Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko,
Sagen wird er, daß die Herrschaft mein sey.
Hab' ich doch ihm schon als zartes Knäblein
Herzlich mich und liebevoll erwiesen,
Ihn gewickelt in den seidnen Busen, 160
Gleichwie einen schönen goldnen Apfel.
Wo und wann ich ausritt auf dem Rosse,
Hab' ich stets den Knaben mitgenommen.
Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey,
Selbst sollst Du der Erste seyn, o Marko! 165
Und ich will Dir bis zum Kniee reichen!" *) --
Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd,
Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte.
Ritt gerade auf das weiße Zelt zu,
Auf das weiße Zelt des Knaben Urosch; 170
Aber vor dem Zelt' des Zaren haltend,
Sprang er ab von seinem Rosse Scharatz.

*) Du sollst Zar, und ich will erst der Zweite seyn; Dir
zu den Knieen sitzen, (bei der Thronfeierlichkeit).

Also sprach erfreut Despot Ugljescha:
„Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko,
Daß die Herrschaft mein sey, wird er sagen.
Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey, 150
Brüderlich regieren wir zusammen!“ —
Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd,
Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte.
Als sein zweiter Ohm ihn nun erblickte,
Freudig sprach er, Gojko, der Woiwode: 155
„Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko,
Sagen wird er, daß die Herrschaft mein sey.
Hab' ich doch ihm schon als zartes Knäblein
Herzlich mich und liebevoll erwiesen,
Ihn gewickelt in den seidnen Busen, 160
Gleichwie einen schönen goldnen Apfel.
Wo und wann ich ausritt auf dem Rosse,
Hab' ich stets den Knaben mitgenommen.
Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey,
Selbst sollst Du der Erste seyn, o Marko! 165
Und ich will Dir bis zum Kniee reichen!“ *)
Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd,
Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte.
Ritt gerade auf das weiße Zelt zu,
Auf das weiße Zelt des Knaben Urosch; 170
Aber vor dem Zelt' des Zaren haltend,
Sprang er ab von seinem Rosse Scharatz.

*) Du sollst Zar, und ich will erst der Zweite seyn; Dir
zu den Knieen sitzen, (bei der Thronfeierlichkeit).
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[181/0247] Also sprach erfreut Despot Ugljescha: „Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko, Daß die Herrschaft mein sey, wird er sagen. Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey, Brüderlich regieren wir zusammen!“ — Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd, Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte. Als sein zweiter Ohm ihn nun erblickte, Freudig sprach er, Gojko, der Woiwode: „Ei, wohl mir! da kommt mein Neffe Marko, Sagen wird er, daß die Herrschaft mein sey. Hab' ich doch ihm schon als zartes Knäblein Herzlich mich und liebevoll erwiesen, Ihn gewickelt in den seidnen Busen, Gleichwie einen schönen goldnen Apfel. Wo und wann ich ausritt auf dem Rosse, Hab' ich stets den Knaben mitgenommen. Sage, Marko, daß die Herrschaft mein sey, Selbst sollst Du der Erste seyn, o Marko! Und ich will Dir bis zum Kniee reichen!“ *) — Marko schweigt, und nichts dem Ohm' erwiedernd, Wendet er den Kopf nicht nach dem Zelte. Ritt gerade auf das weiße Zelt zu, Auf das weiße Zelt des Knaben Urosch; Aber vor dem Zelt' des Zaren haltend, Sprang er ab von seinem Rosse Scharatz. *) Du sollst Zar, und ich will erst der Zweite seyn; Dir zu den Knieen sitzen, (bei der Thronfeierlichkeit).

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/247>, abgerufen am 24.04.2024.