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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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"Sag', was gehn die Diener alle barhaupt?"
Und der Diener Michael erwiedert:
"Bei der Mahlzeit sitzt wohl der Gebieter,
Bringt Gesundheit aus, und leert den Becher, 50
Auch um guten Weg den Himmel bittend." --
Als sie in dem weißen Hof anlangten,
Kämpfte grad' Johannes mit der Seele;
Ueber seinem Haupte klagt die Gattin.
Wehgeschrei erhebt die greise Mutter: 55
"O Johannes, meine Todeswunde!
Was soll aus dem ebnen Sirmien werden?
Was aus Deinem weißen Hof, Johannes!
Was, o Sohn, aus den verlaßnen Gütern?
Was, o Sohn, aus Deinen guten Rossen? 60
Was, o Sohn, aus Deiner treuen Gattin?" --
Aus dem Tode kehrt zurück Johannes,
Spricht mit seiner Todtenstimme also:
"Sirmien wird einen Herm bekommen,
Sey's ein beßrer, oder sey's ein schlimmrer! 65
Meinen Hof vermach' ich meinem Bruder,
Meinem Bruder Wuk, dem Feuerdrachen.
Meine Güter meiner greisen Mutter,
Daß sie so sich nähre und sich wehre.
Meine Rosse meinem andern Bruder, 70
Meinem ältesten, Maxim, dem Bischof.
„Sag', was gehn die Diener alle barhaupt?“
Und der Diener Michael erwiedert:
„Bei der Mahlzeit sitzt wohl der Gebieter,
Bringt Gesundheit aus, und leert den Becher, 50
Auch um guten Weg den Himmel bittend.“ —
Als sie in dem weißen Hof anlangten,
Kämpfte grad' Johannes mit der Seele;
Ueber seinem Haupte klagt die Gattin.
Wehgeschrei erhebt die greise Mutter: 55
„O Johannes, meine Todeswunde!
Was soll aus dem ebnen Sirmien werden?
Was aus Deinem weißen Hof, Johannes!
Was, o Sohn, aus den verlaßnen Gütern?
Was, o Sohn, aus Deinen guten Rossen? 60
Was, o Sohn, aus Deiner treuen Gattin?“ —
Aus dem Tode kehrt zurück Johannes,
Spricht mit seiner Todtenstimme also:
„Sirmien wird einen Herm bekommen,
Sey's ein beßrer, oder sey's ein schlimmrer! 65
Meinen Hof vermach' ich meinem Bruder,
Meinem Bruder Wuk, dem Feuerdrachen.
Meine Güter meiner greisen Mutter,
Daß sie so sich nähre und sich wehre.
Meine Rosse meinem andern Bruder, 70
Meinem ältesten, Maxim, dem Bischof.
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[137/0203] „Sag', was gehn die Diener alle barhaupt?“ Und der Diener Michael erwiedert: „Bei der Mahlzeit sitzt wohl der Gebieter, Bringt Gesundheit aus, und leert den Becher, Auch um guten Weg den Himmel bittend.“ — Als sie in dem weißen Hof anlangten, Kämpfte grad' Johannes mit der Seele; Ueber seinem Haupte klagt die Gattin. Wehgeschrei erhebt die greise Mutter: „O Johannes, meine Todeswunde! Was soll aus dem ebnen Sirmien werden? Was aus Deinem weißen Hof, Johannes! Was, o Sohn, aus den verlaßnen Gütern? Was, o Sohn, aus Deinen guten Rossen? Was, o Sohn, aus Deiner treuen Gattin?“ — Aus dem Tode kehrt zurück Johannes, Spricht mit seiner Todtenstimme also: „Sirmien wird einen Herm bekommen, Sey's ein beßrer, oder sey's ein schlimmrer! Meinen Hof vermach' ich meinem Bruder, Meinem Bruder Wuk, dem Feuerdrachen. Meine Güter meiner greisen Mutter, Daß sie so sich nähre und sich wehre. Meine Rosse meinem andern Bruder, Meinem ältesten, Maxim, dem Bischof.

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/203>, abgerufen am 04.12.2024.