Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Trifft dafür den Schwestersohn Johannes, Der die Braut geführet hat als Schwager, Der in Shabljack Morgens früh beim Aufbruch 1105 Einst dem Ohm den bösen Traum erzählte. Doch umsonst hat Iwan ihn gefunden, Der unkenntlich liegt in Blut und Wunden; Still an ihm vorüber will er gehen, Doch der Neff' erblickt ihn, und erkennt ihn, 1110 Wendet sich, und spricht zum Oheim also: "Sprich doch, Oheim, Zernojewitsch Iwan! Was ist's, worauf Du so stolz geworden? Ist's die Schnur? sind es die Hochzeitgäste? Oder sind's die prächt'gen Brautgeschenke? 1115 Daß Du Deinen unglücksel'gen Neffen Nicht befragst, ob ihn die Wunden schmerzen?" Iwan hört ihn unter Thränenströmen, Richtet ihn empor im Blut ein wenig: "O mein Neffe, Capetan Johannes! 1120 Sprich, sind noch zu heilen Deine Wunden, Daß ich, in mein Trauerhaus Dich tragend, Aerzte Dir vom Meere kommen lasse?" -- Schwachen Lauts entgegnete Johannes: "Laß in Ruh mich sterben, Oheim Iwan! 1125 Wo hast Du die Augen? stehst nicht dieses, Daß man solche Wunden nicht mehr heile? Furchtbar ist der linke Fuß zerschmettert. Dreimal, viermal wohl entzwei gebrochen, Trifft dafür den Schwestersohn Johannes, Der die Braut geführet hat als Schwager, Der in Shabljack Morgens früh beim Aufbruch 1105 Einst dem Ohm den bösen Traum erzählte. Doch umsonst hat Iwan ihn gefunden, Der unkenntlich liegt in Blut und Wunden; Still an ihm vorüber will er gehen, Doch der Neff' erblickt ihn, und erkennt ihn, 1110 Wendet sich, und spricht zum Oheim also: „Sprich doch, Oheim, Zernojewitsch Iwan! Was ist's, worauf Du so stolz geworden? Ist's die Schnur? sind es die Hochzeitgäste? Oder sind's die prächt'gen Brautgeschenke? 1115 Daß Du Deinen unglücksel'gen Neffen Nicht befragst, ob ihn die Wunden schmerzen?“ Iwan hört ihn unter Thränenströmen, Richtet ihn empor im Blut ein wenig: „O mein Neffe, Capetan Johannes! 1120 Sprich, sind noch zu heilen Deine Wunden, Daß ich, in mein Trauerhaus Dich tragend, Aerzte Dir vom Meere kommen lasse?“ — Schwachen Lauts entgegnete Johannes: „Laß in Ruh mich sterben, Oheim Iwan! 1125 Wo hast Du die Augen? stehst nicht dieses, Daß man solche Wunden nicht mehr heile? Furchtbar ist der linke Fuß zerschmettert. Dreimal, viermal wohl entzwei gebrochen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <pb facs="#f0178" n="112"/> <lg> <l>Trifft dafür den Schwestersohn Johannes,</l><lb/> <l>Der die Braut geführet hat als Schwager,</l><lb/> <l>Der in Shabljack Morgens früh beim Aufbruch <note place="right">1105</note></l><lb/> <l>Einst dem Ohm den bösen Traum erzählte.</l><lb/> <l>Doch umsonst hat Iwan ihn gefunden,</l><lb/> <l>Der unkenntlich liegt in Blut und Wunden;</l><lb/> <l>Still an ihm vorüber will er gehen,</l><lb/> <l>Doch der Neff' erblickt ihn, und erkennt ihn, <note place="right">1110</note></l><lb/> <l>Wendet sich, und spricht zum Oheim also:</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Sprich doch, Oheim, Zernojewitsch Iwan!</l><lb/> <l>Was ist's, worauf Du so stolz geworden?</l><lb/> <l>Ist's die Schnur? sind es die Hochzeitgäste?</l><lb/> <l>Oder sind's die prächt'gen Brautgeschenke? <note place="right">1115</note></l><lb/> <l>Daß Du Deinen unglücksel'gen Neffen</l><lb/> <l>Nicht befragst, ob ihn die Wunden schmerzen?“</l> </lg><lb/> <lg> <l>Iwan hört ihn unter Thränenströmen,</l><lb/> <l>Richtet ihn empor im Blut ein wenig:</l><lb/> <l>„O mein Neffe, Capetan Johannes! <note place="right">1120</note></l><lb/> <l>Sprich, sind noch zu heilen Deine Wunden,</l><lb/> <l>Daß ich, in mein Trauerhaus Dich tragend,</l><lb/> <l>Aerzte Dir vom Meere kommen lasse?“ —</l><lb/> <l>Schwachen Lauts entgegnete Johannes:</l><lb/> <l>„Laß in Ruh mich sterben, Oheim Iwan! <note place="right">1125</note></l><lb/> <l>Wo hast Du die Augen? stehst nicht dieses,</l><lb/> <l>Daß man solche Wunden nicht mehr heile?</l><lb/> <l>Furchtbar ist der linke Fuß zerschmettert.</l><lb/> <l>Dreimal, viermal wohl entzwei gebrochen,</l> </lg><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0178]
Trifft dafür den Schwestersohn Johannes,
Der die Braut geführet hat als Schwager,
Der in Shabljack Morgens früh beim Aufbruch
Einst dem Ohm den bösen Traum erzählte.
Doch umsonst hat Iwan ihn gefunden,
Der unkenntlich liegt in Blut und Wunden;
Still an ihm vorüber will er gehen,
Doch der Neff' erblickt ihn, und erkennt ihn,
Wendet sich, und spricht zum Oheim also:
„Sprich doch, Oheim, Zernojewitsch Iwan!
Was ist's, worauf Du so stolz geworden?
Ist's die Schnur? sind es die Hochzeitgäste?
Oder sind's die prächt'gen Brautgeschenke?
Daß Du Deinen unglücksel'gen Neffen
Nicht befragst, ob ihn die Wunden schmerzen?“
Iwan hört ihn unter Thränenströmen,
Richtet ihn empor im Blut ein wenig:
„O mein Neffe, Capetan Johannes!
Sprich, sind noch zu heilen Deine Wunden,
Daß ich, in mein Trauerhaus Dich tragend,
Aerzte Dir vom Meere kommen lasse?“ —
Schwachen Lauts entgegnete Johannes:
„Laß in Ruh mich sterben, Oheim Iwan!
Wo hast Du die Augen? stehst nicht dieses,
Daß man solche Wunden nicht mehr heile?
Furchtbar ist der linke Fuß zerschmettert.
Dreimal, viermal wohl entzwei gebrochen,
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Zitationshilfe: | Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/178>, abgerufen am 27.07.2024. |