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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Und im Vaterhaus sie einzuschließen.
Nun vernimm mich, lieber Herr und Gatte!
Nimm Dir dieß nicht allzu sehr zu Herzen!
Haben ihn auch arg entstellt die Blattern, 235
Sind es wackre Leute und Verwandte:
Werden sie darum kein Wort verlieren.
Jeder scheut sich ja vor Noth und Kummer!
Laß, o Herr, jetzt dieses mich noch sagen!
Wenn Du über'm Meere Streit befürchtest, 240
Hast Du doch den ganzen Thurm voll Schätze,
In den Kellern Wein auch von drei Jahren,
In den Speichern hast Du weißen Waizen,
Kannst in Menge Hochzeitgäste laden!
Tausend sprachst Du -- sammle Du Zweitausend! 245
Lauter auserwählte Roß' und Helden!
Seh'n nun die Lateiner so Dich kommen,
Mit dem mächt'gen Heer der Hochzeitgäste:
Wär' auch der Maxim ein blinder Knabe,
Dürften sie Dir keinen Streit beginnen. 250
Grüble nicht mehr drüber, Herr! die Deinen
Sammle Du und hole Du die Braut ein!"
Laut auf jauchzte Zernojewitsch Iwan,
Sich des weisen Raths der Gattin freuend.
Und er schrieb, und sandte den Tartaren, 255
Schrieb dieß Wort dem Dogen von Venedig:
"Freund und Schwager, Doge von Venedig!
Nun gieb Acht und horche Tag und Nacht auf,
Von der Feste sollen meinen Abzug

Und im Vaterhaus sie einzuschließen.
Nun vernimm mich, lieber Herr und Gatte!
Nimm Dir dieß nicht allzu sehr zu Herzen!
Haben ihn auch arg entstellt die Blattern, 235
Sind es wackre Leute und Verwandte:
Werden sie darum kein Wort verlieren.
Jeder scheut sich ja vor Noth und Kummer!
Laß, o Herr, jetzt dieses mich noch sagen!
Wenn Du über'm Meere Streit befürchtest, 240
Hast Du doch den ganzen Thurm voll Schätze,
In den Kellern Wein auch von drei Jahren,
In den Speichern hast Du weißen Waizen,
Kannst in Menge Hochzeitgäste laden!
Tausend sprachst Du — sammle Du Zweitausend! 245
Lauter auserwählte Roß' und Helden!
Seh'n nun die Lateiner so Dich kommen,
Mit dem mächt'gen Heer der Hochzeitgäste:
Wär' auch der Maxim ein blinder Knabe,
Dürften sie Dir keinen Streit beginnen. 250
Grüble nicht mehr drüber, Herr! die Deinen
Sammle Du und hole Du die Braut ein!“
Laut auf jauchzte Zernojewitsch Iwan,
Sich des weisen Raths der Gattin freuend.
Und er schrieb, und sandte den Tartaren, 255
Schrieb dieß Wort dem Dogen von Venedig:
„Freund und Schwager, Doge von Venedig!
Nun gieb Acht und horche Tag und Nacht auf,
Von der Feste sollen meinen Abzug

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[80/0146] Und im Vaterhaus sie einzuschließen. Nun vernimm mich, lieber Herr und Gatte! Nimm Dir dieß nicht allzu sehr zu Herzen! Haben ihn auch arg entstellt die Blattern, Sind es wackre Leute und Verwandte: Werden sie darum kein Wort verlieren. Jeder scheut sich ja vor Noth und Kummer! Laß, o Herr, jetzt dieses mich noch sagen! Wenn Du über'm Meere Streit befürchtest, Hast Du doch den ganzen Thurm voll Schätze, In den Kellern Wein auch von drei Jahren, In den Speichern hast Du weißen Waizen, Kannst in Menge Hochzeitgäste laden! Tausend sprachst Du — sammle Du Zweitausend! Lauter auserwählte Roß' und Helden! Seh'n nun die Lateiner so Dich kommen, Mit dem mächt'gen Heer der Hochzeitgäste: Wär' auch der Maxim ein blinder Knabe, Dürften sie Dir keinen Streit beginnen. Grüble nicht mehr drüber, Herr! die Deinen Sammle Du und hole Du die Braut ein!“ Laut auf jauchzte Zernojewitsch Iwan, Sich des weisen Raths der Gattin freuend. Und er schrieb, und sandte den Tartaren, Schrieb dieß Wort dem Dogen von Venedig: „Freund und Schwager, Doge von Venedig! Nun gieb Acht und horche Tag und Nacht auf, Von der Feste sollen meinen Abzug

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/146>, abgerufen am 19.04.2024.